Drei Jahre nach dem spektakulären Wahlsieg in Baden-Württemberg sitzen die Grünen derzeit in sieben Bundesländern in der Regierung. Doch die anfängliche Euphorie ist verflogen - auch bei den Parteifreunden in Niedersachsen, Bremen, Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Hessen.
Der politische Alltag zwischen Sparzwang und Koalitionsgerangel hinterlässt Spuren. Doch in einem sind sich die Grünen einig: Auf die harten Oppositionsbänke wollen sie nicht wieder zurück. Im Süden und im Norden ziehen die Grünen am Samstag auf Parteitagen Bilanz.
Am 12. Mai 2011 übernahm die grün-rote Landesregierung die Macht in Stuttgart, und Winfried Kretschmann wurde der erste grüne Ministerpräsident Deutschlands. In Baden-Württemberg beharken sich Grüne und
SPD vor allem in der Haushalts- und Bildungspolitik. Einig ist man sich im Ziel, ab 2020 keine neuen Schulden mehr zu machen. Doch es zeichnet sich ab, dass die gemeinsamen Sparpläne an vielen Stellen nicht zu halten sind.
Jüngst musste zwar der grüne Verkehrsminister Winfried Hermann einige Federn lassen - da ging es um Bundesgelder für den Fernstraßenbau. Doch am Regierungschef selbst bleibt zum Verdruss der Opposition kaum etwas hängen. Zwar zeigten die Umfragen zur «Sonntagsfrage» direkt nach der
Bundestagswahl, dass Grün-Rot im Land keine eigene Mehrheit mehr hätte, was vor allem am Tief der SPD liegt. Dennoch ist es das erklärte Ziel, auch 2016 zusammen weiterzumachen. «Wir regieren hier gut mit den Sozialdemokraten und wollen mit ihnen weiterregieren und die Regierung führen», erklärte Kretschmann jüngst.
Beim Parteitag in Baden-Baden dürfte Kretschmann sich jedenfalls wieder viel Applaus sicher sein. Bereits zur Regierungshalbzeit im Herbst feierten sich die baden-württembergischen Grünen kräftig selbst und äußerte nur verhaltene Kritik am Regierungskurs.
Im gut 400 Kilometer Luftlinie entfernten Hannover stellen die Grünen zwar nicht den Regierungschef, seit Februar 2013 sind sie aber mit vier Ministern in der Landesregierung vertreten. Insbesondere Agrarminister Christian Meyer und Umweltminister Stefan Wenzel haben seit dem Antritt der rot-grünen Landesregierung spürbare Weichenstellungen vorgenommen, Lob und Kritik inklusive.
Wie SPD-Regierungschef Stephan Weil hat auch Wenzel bei den Verhandlungen zum Endlagersuchgesetz immer wieder Ärger mit den Parteifreunden in Berlin riskiert. Doch das kategorische Nein zum Salzstock Gorleben war für ihn nicht verhandelbar. Dafür erntet Wenzel im Land noch immer viel Anerkennung.
Doch Wenzel ist nicht unumstritten. Für den Parteitag in Hameln hatte die Grüne Jugend einen Antrag eingereicht, in dem ihm mit Blick auf einen Erlass zur umstrittenen Gasfördermethode Fracking vorgeworfen wurde, im Sinne der Industrie zu handeln. Erst nach internen Gesprächen rückte die Jugendorganisation davon wieder ab. «Als Umweltpartei in einem Erdgasförderland gibt es sicherlich Unmut an der Parteibasis», sagte Grünen-Landeschef Jan Haude. Wenzel entschuldigte den Erlass mit fehlenden Kompetenzen: «Bundesrecht aushebeln können wir nicht.»
Auch der anfangs als grüner «Bauernschreck» gefürchtete Agrarminister Meyer hat schnell erkennen lassen, wohin er das
Agrarland Nummer eins lenken will: Statt Monokultur und Massentierhaltung will er mehr Familienbetriebe, Öko-Landbau und Tierschutz. Viele der anfänglichen Kritiker sind inzwischen verstummt und wollen sogar kooperieren. Doch Meyer musste sein Tempo verringern. Wegen der Dienstwagenaffäre seines inzwischen entlassenen Staatssekretärs geriet er in die Schusslinie der Opposition - Rücktrittsforderung inklusive.
Die größte Kritik von
CDU und FDP erntet derzeit die grüne Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz. Grund sind die Ermittlungen gegen den ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy. CDU und FDP schreiben der Ministerin die Verantwortung für Ermittlungspannen zu und vermuten, auch ihr Haus sei an der Weitergabe von vertraulichen Informationen beteiligt. (dpa)