In dieser Einschätzung waren sich die geladenen Experten bei einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz am Montagnachmittag weitgehend einig. Durch eine Neuausrichtung der Förderung, den verstärkten Einsatz von landwirtschaftlichen Reststoffen für die Biogasgewinnung und die Nutzung von Brachflächen für den Anbau von Getreide für die Bioenergieproduktion könne die derzeitige Flächenkonkurrenz jedoch entschärft werden, so die Experten.
Die gesetzliche Bioenergieförderung habe massive Investitionen ausgelöst, sagte Bernhard Krüsken vom Verband Deutsche Tiernahrung. Gerade in "viehstarken Regionen" sei die Anzahl der Biogasanlagen sprunghaft angestiegen. Die Ressourcenkonkurrenz setze die Tierhaltung unter starken wirtschaftlichen Druck, da zum einen die Preise für Futtermittel steigen und zum anderen vermehrt Flächen für den Anbau von Bioenergie-Getreide genutzt würden, die damit für die Tierhaltung verloren gingen. Krüsken forderte, nach dem Grundsatz "Food comes first" zu fördern und die Anschubförderung des Bioenergiesektors zu beenden.
Udo Hemmerling vom Deutschen
Bauernverband machte den weltwirtschaftlichen Aufschwung für gestiegene
Lebensmittelpreise verantwortlich. Es sei ein "Rohstoffhunger" entstanden, der sich auch auf agrarische Produkte erstrecke. Man könne etwa für die Milchpreissteigerung nicht die Bioenergie verantwortlich machen. Dennoch, so Hemmerling, könnten Biogasproduktion und Tierhaltung ergänzend nebeneinander existieren. Professor Jürgen Zeddies von der Universität
Hohenheim forderte den Verzicht auf zusätzliche finanzielle Hilfen für Biogas. Dies könne die Flächenkonkurrenz entschärfen. Einen Verzicht auf Bioenergie, so Zeddies, könne sich Deutschland nicht leisten.
Während in Deutschland Bioenergie bisher vorrangig aus Klimaschutzgründen genutzt wurde, stehe weltweit die Energiegewinnung im Vordergrund und decke zehn Prozent des Energiebedarfs, sagte Professor Martin Kaltschmitt von der Technischen Universität Hamburg-Harburg. Angesichts anhaltend hoher Energiepreise werde auch in Europa die Energiegewinnung in den Vordergrund rücken, so Kaltschmitt.
Die Wertschöpfung bei Nahrungsmitteln sei für die Landwirte immer noch höher, als beim Anbau von Bioenergie-Getreide, sagte Professor Alois Heißenhuber von der Universität München. Aus Wettbewerbsgründen komme daher nur der Anbau auf freien Flächen in Frage. Das schaffe eine zusätzliche Wertschöpfung. Professor Harald von Witzke von der Humboldt Universität Berlin befürchtete angesichts steigender Preise bei der Lebensmittelerzeugung Probleme bei der weltweiten Nahrungsmittelversorgung.
Grund für die Steigerungen sei die Ressourcenkonkurrenz. Als ein Gegenmittel empfahl von Witzke, weniger Anbauflächen stillzulegen. Für dezentrale Strukturen und die vermehrte Nutzung von Reststoffen plädierte Rüdiger Graß von der Universität Kassel. Er warnte vor den ökologischen Auswirkungen eines expansiven Anbaus von energetischen Nutzpflanzen. Dies führe zur Abnahme der
Artenvielfalt, zur Zunahme von Erosion und Umweltgefährdungen durch Nitrotauswaschungen. (hib/Hau)