Dann habe es zwar die große Nässe im Februar mit Stressfolgen für Pflanzen gegeben. Aber auch wenn einige Flächen darunter gelitten hätten, sei die Ausgangslage insgesamt gut.
«Die meisten Bestände sehen ordentlich aus.» Der erste Dünger ist ausgebracht, die
Frühjahrsbestellung angelaufen; Landwirte sind mit Pflügen, Grubbern und der Aussaat von
Sommergetreide beschäftigt.
Ein normales Agrarjahr wird es trotzdem nicht, und das liegt auch an exorbitant hohen Düngerpreisen. Diese hatten schon im Herbst stark angezogen, weil Erdgas teurer wurde und die Preise für den wichtigen Stickstoff-Dünger daran gekoppelt sind. Nun treibt Russlands Krieg in der Ukraine die Preise noch weiter in die Höhe, auch weil beide Länder wichtige Lieferanten von Düngemitteln sind.
Da Landwirte die Preise nicht zahlen können oder wollen, haben Seidel zufolge viele Werke die Erzeugung von
Stickstoffdünger reduziert oder eingestellt, und das wirkte noch mal preistreibend. Jetzt laufe die Produktion wieder, aber sie werde nicht wirtschaftlich sein, weil die Gaspreise weiter extrem hoch sind.
Derzeit sind beim Handel einige Stickstoffdüngemittel kaum verfügbar. «Das dürfte dazu führen, dass Landwirte weniger auch bei Kulturen düngen, die Stickstoff besonders brauchen», sagte Seidel. «Damit verlieren wir Qualität, weil beim Weizen der Proteingehalt sinkt, und Ertrag.» Denn Stickstoffdünger sei in den meisten Kulturen der wichtigste Ertragsfaktor.
Auch bei Weizen sind Russland und Ukraine wichtige Exporteure. Da der Krieg Lieferketten unterbricht, müssen Länder in Nordafrika und Asien das Getreide anderswo kaufen. «Dadurch sind die Weizenpreise in Höhen geschossen, die es noch nie gab», sagte Seidel. So habe Brotweizen an der Börse vor einigen Tagen 380 Euro pro Tonne gekostet. Vor zwei Jahren seien es 17 bis 19 Euro gewesen.
Die größte Verschiebung bei Anbaufläche gab es bei
Winterraps, der nach jahrelangen Rückgängen von 100.000 auf 60.000 Hektar nun wieder bei 73.400 Hektar steht, 18 Prozent mehr als im Vorjahr.
Rapsöl ist knapp und bringt gute Preise. Winterweizen gab um vier Prozent auf 150.200 Hektar nach.
Wintergerste legte etwa auf 69.400 Hektar zu.
Landwirte können zwangsläufig nicht sofort auf Veränderungen am Markt reagieren. Zum einen sind die Winterformen, also die im Herbst ausgesäten, die ertragreichsten, weil ihre Vegetation länger ist als bei Sommerformen. Wer im Frühjahr nachsteuern will, - das ginge bis Mitte April - kann das nur begrenzt. Denn die
Fruchtfolge ist in der Regel durchgeplant
Standard: Raps-Weizen-Gerste, manchmal zweimal nacheinander Weizen. Letzteres erlauben ab 2023 EU-Vorgaben nicht mehr. Aber auch von sich aus wechseln seit Jahren viele
Bauern zu vielfältigeren Fruchtfolgen. Wegen der hohen Preise rechnet Seidel diesmal mit tendenziell mehr Sommerweizen. Relevante Flächenreserven sieht er nicht, da das Land eine «Gunstregion» mit besten Bedingungen für
Getreideanbau ist: Deshalb seien alle Flächen ausgereizt.