Doch Tierschützer prangern seit Jahren schlechte Lebensbedingungen mit ständigen Transporten in engen Käfigwagen und umstrittenen Dressuren an - und dringen auf ein Verbot exotischer Wildtiere unter den Zeltkuppeln. Jetzt kommt Bewegung in die lange verhärteten Fronten. An diesem Freitag will der
Bundesrat voraussichtlich über einen neuen Anlauf für ein Verbot abstimmen, und auch der Bund schließt dies nun nicht mehr aus.
Der Länderkammer liegt ein Vorstoß des SPD-regierten Hamburg vor, der die Bundesregierung zum Handeln auffordert. Sie soll eine Verordnung erlassen, die Affen, Elefanten, Bären, Giraffen, Nashörner und Flusspferde im Zirkus untersagt. Denn dort sei wegen der ständig wechselnden Gastspielorte eine artgerechte Haltung auch mit strengeren Auflagen «systemimmanent nicht möglich», heißt es in dem Antrag, den der Bundesrats-Agrarausschuss schon abgesegnet hat. Am Donnerstag appellierten Tierschützer an die Ministerpräsidenten, den Punkt nicht womöglich noch in letzter Minute zu vertagen.
Die Liste der Kritikpunkte ist lang. Bei den etwa 250 bundesweit aktiven Wanderzirkussen verbrächten Exoten einen Großteil ihres Lebens eingepfercht auf Reisen. Bis zu 50 Mal im Jahr gehe es in Transportern weiter zur nächsten Tourneestation, wobei die Tiere manchmal bis zu 20 Stunden lang in Wagen stehen müssten. Die in freier Wildbahn geselligen Elefanten würden teils allein gehalten, natürliche Einzelgänger wie Bären wiederum in Gruppen untergebracht. Nicht alle Zirkusse hätten beheizbaren Tierquartiere für den Winter.
In 13 EU-Ländern gebe es deswegen schon Verbote oder Beschränkungen. Tierschützer brandmarken solche Bedingungen als katastrophal und wollen mit einem großen Tierkäfig vor dem Bundesrat demonstrieren.
«Schluss mit dem Zirkus!» fordert die Organisation «Vier Pfoten» und mahnt, das Verbot sei überfällig. Ein erster Anlauf, den ebenfalls die Länderkammer 2003 unternommen hatte, verpuffte aber. Denn zum Einschreiten zwingen kann der Bundesrat die Bundesregierung nicht, die bisher stets auf verfassungsrechtliche Bedenken verwiesen hat: Ein Verbot berührte die Berufsfreiheit der Dompteure und auch die Eigentumsrechte der Zirkusunternehmen.
Doch nun sendet der Bund neue Signale. Die für die Überwachung der Tierschutzvorschriften zuständigen Länder sollten ihre Erkenntnisse übermitteln, heißt es im Bundeslandwirtschaftsministerium von Ilse
Aigner (CSU). Dafür solle das 2008 eingerichtete Zirkusregister mit Daten gespeist werden. Wenn sich dabei zeige, dass mit den bisherigen Mitteln eine tierschutzgerechte Haltung nicht abzusichern sei, werde man weitere Optionen prüfen. «Dazu kann in letzter Konsequenz auch ein Verbot bestimmter Wildtiere gehören», sagt ein Sprecher.
Die Länder argumentieren bereits, dass das Vorgehen über dieses Erfassungsregister als «milderes Mittel» vor einem kategorischen Verbot bisher «nicht zu spürbaren Verbesserungen» geführt habe. Im Vergleich zum Tierschutz, der 2002 als Staatsziel ins Grundgesetz aufgenommen wurde, seien die Beeinträchtigungen für Dompteure und die Betriebe zudem als «geringgradig» zu bewerten. Und auch als Kulturgut gingen Zirkusse nicht unter, wenn einige exotische Tierarten nicht mehr in die Manege dürften. Schließlich gebe es auch anderswo einen Wandel, etwa bei der Beendigung des Stierkampfes in Katalonien.
Die Zirkusbranche appelliert dennoch an die Politik, Wildtiere nicht zu verbannen. Bei Vorführungen seien schon aus einem einfachen Grund nur Bewegungen möglich, die in der Natur der Tiere angelegt seien: «Es geht gar nicht anders», erläutern der europäische Verband und der Verband der Tierlehrer. Und auch Christel Sembach-Krone, Direktorin des größten Anbieters Circus Krone, mahnte: «Ein Wildtierverbot würde wohl auf Dauer das Ende des klassischen Zirkus bedeuten, wie wir ihn lieben und mögen.» (dpa)