Vorsprung durch Wissen
Das Informationszentrum für die Landwirtschaft
01.04.2016 | 09:18 | Konzernaufspaltung 

Grüne RWE-Zukunftstochter startet

Essen - Viele Jahre stand RWE in der ersten Reihe der Kernkraft-Befürworter. Ex-Vorstandschef Jürgen Großmann kokettierte mit dem Etikett «Atom-Dino», und die klimaschädliche Verstromung von Braunkohle im Rheinischen Revier brachte den Essenern jedes Jahr satte Millionengewinne.

RWE
Äußerlich bleibt fast alles gleich, doch tatsächlich startet eine Revolution bei RWE: Der langjährige Kohle- und Atomkonzern setzt voll auf «grüne» Energie. Wie gut sind die Chancen dafür? (c) rwe
Unter dem Druck der Energiewende und der zerbröselnden Börsen-Strompreise ist diese Ära endgültig vorbei.

Am 1. April startet RWE seine Zukunftsgesellschaft - rund um die intern einst eher belächelte Ökostrom-Sparte. Eine Zeitenwende für den Konzern, auch wenn auf den ersten Blick alles weiterläuft wie gehabt. Die neue Gesellschaft wird keine Mini-Tochter für grüne Paradiesvögel mit ein paar hundert Mitarbeitern, sondern der neue Kern der RWE mit zwei Dritteln der rund 60.000 Konzern-Beschäftigten und dem bisherigen Gesamtkonzernchef Peter Terium an der Spitze.

Der einstige Stolz der Firma - die konventionellen Kraftwerke - bleibt zusammen mit dem Handel und zunehmend unsicheren Aussichten im Mutterkonzern. RWE fasst die erneuerbaren Energien dabei in der neuen Gesellschaft mit weiteren zukunftsträchtigen Sparten - dem Netzgeschäft und dem Vertrieb - zusammen.

An den RWE-Standorten ändert sich vorerst nichts. Größere Umzüge sind zunächst nicht geplant. «Jeder bleibt erst mal, wo er ist», sagt eine Sprecherin. Allerdings plant RWE angesichts des dramatisch niedrigen Börsenstrompreises den weiteren Abbau von etwa 2.000 Stellen bis Ende 2018. Wie sich das auf die neue und die alte Gesellschaft verteile, sich bisher nicht absehbar, sagte ein Sprecher.

Für den Übergang heißt die neue Firma «RWE International SE» - ein Platzhalter-Name. Den wird RWE wohl nicht auf Hochhausfassaden und Visitenkarten drucken, denn schon im Sommer kommt der neue, dauerhaft gültige Firmenname - möglicherweise auch mit einer Änderung der Marke RWE. Darüber beraten derzeit die Gremien des nach Eon zweitgrößten deutschen Versorgers.

Verschiedene Namen für die Zukunftsgesellschaft wurden bereits rechtlich geprüft. Darunter ist auch der bisherige Name der 2008 gegründeten Erneuerbaren-Tochter Innogy - eine aus Großbritannien importierte Mischung aus «Innovation» (Erneuerung) und «Energy» (Energie).

RWE hat die lukrativen Goldgräberzeiten der Energiewende verschlafen, wie auch Führungskräfte mittlerweile einräumen. Der Erneuerbaren-Anteil an der RWE-Erzeugungskapazität dümpelte lange Zeit bei unter fünf Prozent, während der Konkurrent Eon längst zweistellige Werte vorweisen konnte. Als der Fehler erkannt wurde, fehlten dem hoch verschuldeten Unternehmen Investitionsmittel.

Nur rund eine Milliarde Euro können die Essener derzeit verteilt über drei Jahre in die Öko-Energien pumpen - Eon drei Mal so viel. Genau an dieser Stelle soll die neue Gesellschaft Abhilfe schaffen.

RWE will Ende 2016 - je nach Börsenstimmung möglicherweise auch etwas später - zunächst rund 10 Prozent der Aktien der neuen Gesellschaft im Zuge einer Kapitalerhöhung an die Börse bringen. Weitere Schritte könnten später aus dem Aktienbestand - also ohne Aufstockungen - folgen, hat das Unternehmen angekündigt. Das soll RWE einen Sprung nach vorn beim Erneuerbaren-Ausbau ermöglichen.

Aktionärsvertreter wie Marc Tüngler von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) loben das Konzept. Denn anders als Eon bringe RWE nicht die «alte» Energie, sondern die Zukunftssparten an die Börse. Aktionäre könnten hier ihr Geld in neue Energie stecken ohne Sorge, dass sie damit am Ende nur Atom- oder Kohlealtlasten finanzieren.

Andererseits ist schon jetzt das Überangebot an erneuerbarer Energie zumindest auf dem deutschen Markt gewaltig. «Die Energiewende wartet schon lange nicht mehr auf RWE. Der Dinosaurier wird es schwer haben, Fuß zu fassen», sagt Greenpeace-Branchenexperte Tobias Austrup.

Die Essener werden zudem noch viele Jahre mit der teuren Abwicklung der Atomkraft und später der Kohle beschäftigt sein - aktuell etwa mit der Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Das drückt unter anderem auch aufs Image. Da die «alte» RWE AG angekündigt hat, dauerhaft eine Mehrheit am Zukunftsunternehmen zu halten, wird die «grüne» Tochter ihre «schwarzen» Eltern vorerst nicht los. Damit dürfte der neuen RWE-Gesellschaft der Wandel zum Öko-Konzern schwer fallen.
dpa
zurück
Seite:12
weiter
Kommentieren
weitere Artikel

Status:
Name / Pseudonym:
Kommentar:
Bitte Sicherheitsabfrage lösen:


  Weitere Artikel zum Thema

 Energiekonzern RWE schneidet besser ab als erwartet

 RWE rechnet mit Gewinnrückgang und macht Druck bei Kraftwerksstrategie

 Kooperationsvertrag zwischen Vodafone und RWE geschlossen

  Kommentierte Artikel

 Mehr Tote bei weniger Unfällen

 Union Schuld an schwerster Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten

 Bundesbeauftragte fordert Nachbesserungen bei Tierschutz in Ställen

 EU-Agrarsubventionen veröffentlicht - Das sind die Top-Empfänger 2023

 Geld wie Heu - Geht auf den Bauernhöfen wirklich die Post ab?

 Tote Ziegen im Schwarzwald gehen auf Rechnung eines Wolfs

 Gärtner verzweifeln über Superschnecke

 Bauerndemo in Brüssel für faire Preise

 Tierschutznovelle erntet Kritik von allen Seiten

 Online-Abstimmung über Verbrenner-Verbot manipuliert?