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27.01.2015 | 11:00 | Übernahme 

Milliarden-Deal mit Fragezeichen

München - Einen unglücklicheren Zeitpunkt für den größten Zukauf seit langem hätte Siemens-Chef Joe Kaeser kaum wählen können. Selbstbewusst verkündete er im September die Übernahme des US-Kompressorenherstellers Dresser-Rand, um vom Öl- und Gasboom durch das Fracking-Geschäft in den USA zu profitieren.

Siemens
Siemens-Chef Kaeser in Erklärungsnot: Kurz vor dem Ölprei-Absturz hat er den teuersten Zukauf seit langem für den Konzern eingefädelt - und das ausgerechnet im Öl- und Gasgeschäft. Das bringt ihm ein maues Zwischenzeugnis der Aktionäre ein. (c) siemens
Doch der Boom ist nach der Talfahrt des Ölpreises verpufft. Die Branche investiert weniger, die Zeichen stehen auf Stellenabbau statt Wachstum. Das brachte die Siemens-Aktionäre am Dienstag zur Hauptversammlung in der Münchner Olympiahalle gegen Kaeser auf. «Sind Ihre Wachstumsversprechen in der Energiesparte damit nur noch Schall und Rauch?», fragte Ingo Speich von Union Investment.

Was erwartet sich der Konzern von der Übernahme?

Siemens will von der Marke Dresser-Rand profitieren, die in der  Ölwelt einen guten Klang hat. Darüber wollen die Münchner neue Kunden auch für eigene Produkte finden. Außerdem locken hohe Gewinne im Servicegeschäft der Texaner. «Dresser Rand war das Ziel Nummer eins», so Kaeser mit Blick auf die Übernahmestrategie des Vorstands. Zwar sei der Preis hoch gewesen, räumte der Chef ein. «Aber der Preis, den man bezahlt, ist das eine. Der Wert, den man damit mittel- und langfristig generiert, ist das andere.» Das könne Siemens in dieser Branche wie kein zweites Unternehmen.

Wie sieht der Dresser-Rand-Deal genau aus?

Der Zulieferer für die Öl- und Gasindustrie stellt Kompressoren, Turbinen und Motoren her, 7,6 Milliarden US-Dollar (rund 6,8 Mrd Euro) lässt sich Siemens die Übernahme kosten. Das galt schon bei der Ankündigung nicht als Schnäppchen. Und da lagen die Ölpreise noch um 90 Dollar - mittlerweile haben sie sich halbiert, was die Bohrungen nach dem unkonventionellen Öl und Gas im unterirdischen Schiefergestein weniger rentabel macht. Und es dürfte noch teurer werden: Der Preis gilt nur, wenn das Geschäft vor dem 1. März unter Dach und Fach ist. Sonst steigt er um 43 Millionen Dollar je Monat. Immerhin könnte der Abschluss laut Kaeser mit der Genehmigung der Kartellbehörden noch vor dem Sommer erfolgen.

Glaubt Kaeser noch ans Öl- und Gasgeschäft?

Ja - er betont, dass in der Ausrüstung für Ölmultis viel Geld stecke.

«Wer ist beim Goldrausch wirklich reich geworden?

Die Goldsucher oder diejenigen, die die Schaufeln geliefert haben?», fragte der Niederbayer, der seit Sommer 2013 an der Siemens-Spitze steht, im Dezember. Der Verfall beim Ölpreis liege nicht an fehlender Nachfrage, sondern an einem zu hohen Angebot. Das sei ein Indiz dafür, dass das Preistief wieder vorübergehe und die Investitionen wieder steigen. Außerdem dürfte der Ölpreis die Konjunktur anderer Wirtschaftszweige ankurbeln - davon wolle der Elektrokonzern mit seiner breiten Aufstellung profitieren.

Gibt es noch andere Baustellen bei Siemens?

Der Dax-Konzern kämpft mit Wachstums- und Renditeschwäche, lief der Konkurrenz über Jahre hinterher. Kaeser schob deshalb den größten Umbau seit Jahren an. Mit neuer Struktur und dem Fokus auf Automatisierung, Digitalisierung und Elektrifizierung soll Siemens mit 343 000 Beschäftigten schneller vorankommen. Doch Besserungen erwartet Kaeser erst für 2016, noch ein Jahr dauert es, um die größten Früchte zu ernten. Gleichzeitig hakt das Tagesgeschäft: Die maue Nachfrage nach großen Gasturbinen und Qualitätsprobleme bei Windkraft-Anlagen kosten viel Geld.

Welche Sorgen haben die Beschäftigten?

Kaeser macht keinen Hehl daraus, dass der Umbau Einschnitte mit sich bringt. Wie viele Beschäftigte es trifft, ist unklar. Doch nächste Woche will der Konzernchef mit den Arbeitnehmervertretern das Thema diskutieren und danach auch Mitarbeiter und die Öffentlichkeit informieren. Arbeitnehmervertreter sehen die Einschnitte naturgemäß kritisch: «Ich habe es satt, dass immer wieder Personalabbau als alternativlose Lösung propagiert wird», sagte die Siemens-Gesamtbetriebsratschefin Birgit Steinborn in einem Zeitungsinterview. (dpa)

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