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26.04.2015 | 01:07

Druck auf Gabriel wegen Kohle-Abgabe wächst

Sigmar Gabriel
Der Streit um die Zukunft der Kohle treibt Befürworter wie Gegner auf die Straße. Sigmar Gabriel sieht sich wegen der geplanten Kohle-Abgabe Kritik auch aus der Union ausgesetzt. Der SPD-Chef wittert ein «leicht durchschaubares taktisches Spiel». (c) dt. bundestag

Frau Irving kämpft gegen das «Loch»



Garzweiler II ist für Gisela Irving nicht der Braunkohletagebau. Irving spricht nur vom «Loch». Man könnte Verachtung aus ihrem Tonfall hören. Im November wird die Frau 80.

Seit fast 30 Jahren ist sie im Widerstand gegen Garzweiler II, früher mit aller Kraft: «Wenn es um die Braunkohle ging, dann hörte alles Private auf und dann wurde sich gekümmert», erzählt sie am Küchentisch ihres Hauses in Holzweiler: Proteste, Flugblätter, Versammlungen, Gespräche - das ganze Programm.

In den ersten Jahren hatten die Menschen noch gehofft, zu verhindern. Jetzt hoffen sie, zu stoppen. Dafür wollen Tausende am Samstag mit einer Menschenkette eine Grenzlinie ziehen: Bis hierhin und nicht weiter. Irving ist eine Kämpferin der ersten Stunde.

Sie hat sich immer gewehrt, auch im Kleinen. Als NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft im vergangenen Jahr im WDR-Fernsehen von der «tollen Heimat» schwärmte, wurde Irving vor dem Fernseher sauer: «Uns wird die Heimat unter dem Hintern weggebaggert und sie erzählt, wie toll die Heimat ist», dachte sie sich und schrieb Kraft einen persönlichen Brief.

Monate danach dann wie aus heiterem Himmel die Entscheidung der NRW-Landesregierung: Garzweiler wird kleiner, Irvings Heimatort Holzweiler bleibt verschont. Sie erfuhr es von einem Reporter, der in den Ort gekommen war. Einen Moment lang schien alles so leicht, sie hätte tanzen können.

Irving war in den Widerstand gegangen, da war sie längst verheiratet mit ihrem Mann aus Schottland und hatte zwei Kinder. Bei einer Bürgerversammlung 1987 erfuhr sie, dass sie später mal von dem schönen Fleckchen weg müssten aus Holzweiler, wegen der Braunkohle. Es drohte die Umsiedlung. Für sie ist es ein «Verbrechen», das Land zu zerstören - die wertvollen Böden, die Dörfer, die uralten Höfe.

Sie wurde für kurze Zeit Vorsitzende der Vereinten Initiativen gegen Garzweiler II. «Weil es sonst niemand machen wollte.» Danach kämpfte sie mit unbequemen, klaren Worten. Menschen aus aller Welt wollten Garzweiler sehen. Irving brachte sie zu diesem gigantischen Loch.

Sie zeigte ihnen diese trostlosen Geisterdörfer, die zum Abriss freigegebenen Kirchen, die Friedhöfe, auf denen die Toten nicht ewig ruhen dürfen, sondern umgebettet werden. In den ersten Jahren hat sie vor Erschütterung und Erschöpfung geheult, wenn sie nach Hause kam.

In ihrem Garten wuchs schon Bio, als das noch belächelt wurde. Sie bezieht Ökostrom und hat eine Pelletheizung. Dass die rot-grüne Koalition in NRW Garzweiler damals nicht verhindert hat, trägt sie den Grünen nicht nach: «Das sind die Leute hier schuld, die den Grünen nicht ihre Stimme gegeben haben. Mit zehn Prozent kann man nichts bewegen», sagt sie.

Ex-Umweltministerin Bärbel Höhn (Grüne) habe trotzdem sehr viel getan. «Und (Ex-Fraktionsvorsitzender der Grünen) Reiner Priggen war ein aufrichtiger Kämpfer für unser Problem.» Irving hadert eher mit der katholischen Kirche, die sich zuerst wehrte, sich dann aber widerstandslos von Grundstücken im geplanten Tagebau enteignen ließ. Mit Zustimmung des damaligen SPD-Wirtschaftsministers Wolfgang Clement erteilte das Bergamt Düren 1997 die Abbaugenehmigung für Garzweiler. Es folgte eine schwere Regierungskrise. 

Irvings Heimatort Holzweiler bleibt verschont. Manchmal, wenn sie mit ihrem Hund Tobi draußen ist, hört sie die Bagger aus dem Tagebau. Sie rücken näher und mit ihnen der Lärm, der Dreck, das Licht in der Nacht. «Wir müssen das aushalten. Das Aushalten-Müssen wird sehr schwer sein.»
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