Die E10-Gegner wollten wohl lieber weiter Öl aus Diktaturen einführen als stärker auf die Beimischung von Ethanol aus Biostoffen setzen, kritisiert Elmar Baumann, Geschäftsführer des Verbandes der Biokraftstoffindustrie. Gemeinsam haben Libyen und E10, dass beides direkt und indirekt zu höheren Preisen an der Tankstelle führt.
Der Grünen-Politiker Hans-Josef Fell, einer der Väter des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes in Deutschland, betont: «Die Erde ist an der Kante». Wenn bereits durch eine Krise in einem eher kleinen Ölförderland wie Libyen der
Ölpreis binnen kurzem um 15 US-Dollar steige, zeige dies wie sehr die Ressourcen sich dem Ende zuneigen. Deshalb gebe es zu mehr Biosprit gar keine Alternative. Statt auf ferne Träume wie die Nabucco-Pipeline (Gaspipeline, die Europa unabhängig von russischen Lieferungen machen soll) und unsichere Öl-Kantonisten zu setzen, müsse der Umbau der
Energieversorgung jetzt beginnen.
EU-Energiekommissar Günther Oettinger (
CDU) hält nichts von Panikmache wegen des Gaddafi-Dramas. Er rechnet damit, dass sich die Preise an der Tankstelle in Kürze wieder entspannen werden. «Entscheidend, ist das wir keine Versorgungsengpässe haben», sagt Oettinger. Zwar hat Libyens Öl einen Anteil von 10 Prozent an den EU-Rohölimporten, aber allein Deutschlands Ölvorräte reichen für 90 Tage. Und die anderen Staaten liefern weiter verlässlich. So ist Russland mit 33,9 Millionen Tonnen Öl pro Jahr wichtigster Partner.
Energieexperten betonen, dass das Hochschnellen des Ölpreises auf 120 US-Dollar mit der Nervosität an den Märkten zu tun habe - in den nächsten Tagen könnte der Preis wieder zurückpendeln. An einzelnen Tankstellen wurden in den vergangenen Tagen Rekordpreise wie im Sommer 2008 von 1,59 Euro für einen Liter Superbenzin erreicht.
Dem Grünen-Energieexperten Fell hingegen schwant nichts Gutes: «Ich fürchte, die Weltwirtschaft kann wie 2008 wieder crashen, wenn es so weiter geht mit dem Ölpreis.» Die fortgesetzte Konzentration auf fossile Rohstoffe sei falsch. Auch die Bundeswehr schlägt in einer Studie Alarm: Das Ölzeitalter werde sich dem Ende zuneigen. Deshalb seien sicherheitspolitische Konflikte vorhersehbar.
Der Großteil der auf Deutschland zukommenden Herausforderungen liege im Dunkeln, betont die Bundeswehr. «Die absehbar bedeutendste sicherheitspolitisch relevante Veränderung für Deutschland wird die Aufwertung des Nahen Ostens, Afrikas und des Kaspischen Raumes für die deutsche Ressourcensicherheit sein.» Die aktuellen Umwälzungen zeigen, wie hoch die Risiken einer Abhängigkeit von dieser Region sind. Im Nahen und Mittleren Osten lagern nach Daten des Ölmultis
BP mehr als 60 Prozent der weltweiten Ölreserven.
Auch die Bundeswehr sieht einen möglichen Ausweg im Umbau der Energiewirtschaft. Doch ob etwa Biosprit wirklich etwas bringt, darüber herrscht Streit. Bis 2020 soll EU-weit zehn Prozent des Energieverbrauchs im Straßenverkehr mit Öko-Energien abgedeckt werden.
Zwar wird E10 - Libyen-Krise hin oder her - günstiger angeboten als andere Spritsorten, da die Regierung wegen der Ausweitung des Biokraftstoffanteils auf möglichst viel verkauften Biosprit drängt. Da die Konzerne bestimmten Quoten erfüllen müssen, sind diese auch daran interessiert, dass E10 an den Tankstellen ein Renner wird.
Das neue Benzin mit einem Ethanolanteil von zehn Prozent bringt aber zwei Nachteile mit sich. Es hat weniger Energie als herkömmlicher Sprit, man braucht mehr Sprit für den gleichen Weg. Und für die Fahrer der rund drei Millionen Fahrzeuge, die E10 nicht vertragen, wird das Tanken um bis zu acht Cent pro Liter teurer.
Denn die Mineralölunternehmen wollen aus Kapazitätsgründen das bisherige Superbenzin mit 5 Prozent Ethanol (E5) und 95 Oktan vom Markt nehmen. Autos mit einer E10-Unverträglichkeit müssen deshalb auf teureres Benzin mit 98 Oktan umsteigen.
Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) kann zwar nichts gegen Ölpreisschocks durch Gaddafi machen, will aber zumindest eine indirekte Preiserhöhung durch E10 nicht akzeptieren. In der «ADAC Motorwelt» betonte Röttgen, wenn die Konzerne nur noch E5 mit 98 Oktan führen, «können und müssen sie es billiger machen». (dpa)