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05.05.2012 | 22:12 | Fukushima-Konsequenzen 

Japan ohne Atomenergie

Tokio - Als Folge der Fukushima-Katastrophe muss Japan erstmals seit 42 Jahren komplett ohne Atomstrom auskommen.

Atomkraftwerk
(c) proplanta
Am Wochenende ging in der weltweit drittgrößten Industrienation der letzte von 54 Atomreaktoren zu Wartungsarbeiten vom Netz. Der Betreiber des Atomkraftwerks Tomari auf der nördlichsten Hauptinsel Hokkaido fuhr in der Nacht zum Sonntag den Reaktor 3 herunter.

Seit der Katastrophe von Fukushima im März 2011 machen die Regionen von ihrem Recht Gebrauch, die Wiederinbetriebnahme von gewarteten Meilern zu verhindern. Die Energiekonzerne haben als Ersatz für die Atomkraftwerke stillgelegte Thermalkraftwerke wieder angefahren.

Umweltschützer sehen in dem erzwungenen Atom-Stopp eine Chance für eine grundlegende Wende in der Energiepolitik des rohstoffarmen Inselreiches. In der Hauptstadt Tokio gingen am Samstag, einem nationalen Feiertag zu Ehren der Kinder, 5.500 Menschen für eine atomfreie Gesellschaft auf die Straße, wie lokale Medien meldeten.

«Hunderttausende Menschen leiden unter den Folgen der Katastrophe von Fukushima. Einem weiteren nuklearen Risiko darf die japanische Bevölkerung nicht ausgesetzt werden», sagte Junichi Sato von Greenpeace Japan. «Auch ohne ein einziges AKW ist die Stromversorgung gesichert. Die Spitzennachfrage in diesem Sommer kann durch Energieeffizienz, gute Netzauslastung und Stromspeichertechniken aufgefangen werden», so Hisayo Takada, Energieexpertin bei Greenpeace.

Führende Vertreter der Wirtschaft fordern dagegen ein zügiges Wiederanfahren der Meiler. «Die japanische Wirtschaft könnte zusammenbrechen», warnte der Vorsitzende des mächtigen Wirtschaftsdachverbandes Keidanren, Hiromasa Yonekura. Angesichts des absehbaren Strommangels und steigender Energiepreise befürchten manche eine beschleunigte Abwanderung der Produktion aus Japan ins Ausland.

Trotz der dramatischen Auswirkungen des GAUs von Fukushima ist die Stromknappheit in Japan weniger schlimm als befürchtet. Experten führen dies auf den Erfolg einer Kampagne zum Energiesparen, auf gezielte zeitweise Stromabschaltungen und eine geringere Industrieproduktion zurück.

Eine besondere Bedeutung erhalten nach dem GAU Gaskraftwerke. Japan, ohnehin schon der weltweit größte Importeur von Flüssigerdgas (LNG), verzeichnete in 2011 Rekordeinfuhren - was dazu beitrug, dass das Land erstmals seit 30 Jahren ein Handelsbilanzdefizit hatte.

Die erhöhten Rohstoffeinfuhren verursachen den Betreiberkonzernen gewaltige Zusatzkosten, wodurch fast alle in die roten Zahlen rutschten. Kritiker des erzwungenen Atomstromausfalls weisen auch auf den drohenden CO2-Anstieg in Folge der verstärkten Verbrennung von Öl, Gas und Kohle hin. Doch Umweltschützer halten dagegen: Japan könne seine Klimaschutzziele bis 2020 auch ohne Atomstrom erreichen, und zwar durch den zügigen Ausbau der Erneuerbaren Energien, Energieeffizienz und intelligente Netze.

Einiges deutet darauf hin, dass es nach der Fukushima-Krise ein «weiter so» nicht mehr geben wird. Allerdings sollte nach Einschätzung von Beobachtern die Macht der Atomlobby und auch die Interessenverwicklung zwischen Wirtschaft, Politik und Medien nicht unterschätzt werden. Kritiker beklagen, dass gut ein Jahr nach dem GAU in Fukushima vielerorts weiter Strom verschwendet wird wie eh und je.

Andererseits hat die Katastrophe von Fukushima das jahrzehntelange Vertrauen der Bürger in die Sicherheit der AKW schwer erschüttert. In Umfragen spricht sich die Mehrheit der Bevölkerung jetzt gegen ein Wiederanfahren der Atomkraftwerke aus. Die Regierung hat sich bislang vergeblich darum bemüht, zwei Reaktoren im AKW Oi in der Provinz Fukui nach bestandenem Stresstest wieder hochzufahren.

In den schwülheißen Sommermonaten laufen vor allem die Klimaanlagen im ganzen Land auf Hochtouren. Die Regierung bereitet sich daher schon auf kontrollierte Stromabschaltungen und Verbrauchsbeschränkungen vor, während Industriekonzerne wie Komatsu und Toray eigene Generatoren aufstellen, um die absehbare Versorgungslücke zu schließen. Wann und ob die Atomreaktoren wieder angefahren werden, ist noch völlig unklar.

Bis zum GAU in Fukushima deckten die Anlagen rund 30 Prozent des Strombedarfs ab. Sie werden in Japan alle 13 Monate für eine Wartung heruntergefahren. Ans Netz kommen die Reaktoren erst wieder, wenn die lokalen Regierungen zugestimmt haben. Seit dem GAU in Fukushima ist dies jedoch wegen der inzwischen beträchtlichen Sorgen der Bevölkerung über die Sicherheit der Atomkraftwerke nicht mehr geschehen.

Die Regierung arbeitet nun daran, ein neues Energiekonzept zu erarbeiten. In den Blick rückt die dezentrale Energiegewinnung durch erneuerbare Energieträger wie Sonne, Wind, Wasser oder Biogas. (dpa)
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