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18.12.2013 | 18:17 | Energiepolitik 

Ökostrom-Rabatte - Brüssel auf Konfrontationskurs zu Berlin

Brüssel/Berlin - Die Industrie in Deutschland bekommt milliardenschwere Rabatte bei der Ökostrom-Umlage - das zahlen die Bürger. Die EU-Kommission prüft, ob das rechtens ist. Die Industrie warnt vor dem Verlust vieler Jobs. Auch die alte und neue Kanzlerin ist besorgt.

Ökostrom-Rabatte 2014
(c) electriceye - fotolia.com
Die schwarz-rote Bundesregierung bekommt gleich zum Amtsantritt wegen der milliardenschweren Industrierabatte bei der Energiewende mächtig Ärger mit Brüssel. Die EU-Kommission stellte am Mittwoch die Nachlässe bei der Förderung erneuerbarer Energien für die Industrie infrage.

Damit könnten im schlimmsten Fall auf Unternehmen mit hohem Stromverbrauch existenzgefährdende Rückzahlungen zukommen. Nach Ansicht der Behörde verstoßen die Rabatte wahrscheinlich gegen die Grundprinzipien fairen Wettbewerbs in Europa. Die Behörde hat daher am Mittwoch gegen Deutschland ein Verfahren wegen des Verdachts auf unzulässige Beihilfen eröffnet.

In einer Regierungserklärung im Bundestag warnte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eindringlich vor zu harten Einschnitten. Das Beihilfeverfahren gefährde Arbeitsplätze. Diesen Punkt werde sie beim EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag in Brüssel deutlich machen. «Deutschland möchte ein starker Industriestandort bleiben - wir brauchen wettbewerbsfähige Unternehmen», sagte Merkel. Solange der Industriestrom in anderen EU-Staaten billiger sei als in Deutschland, könne sie nicht einsehen, dass das Erneuerbare-Energien-Gesetzes eine Wettbewerbsverzerrung darstelle.

Der neue Energieminister Sigmar Gabriel (SPD) geht fest davon aus, dass die Industrie von Rückzahlungen verschont bleibt. «Es wird keine Nachzahlungen geben, nach meiner festen Überzeugung.» Er warf der EU-Kommission vor, sich über den Umweg des Wettbewerbsrechts in nationale Energiepolitik einzumischen. Den Gang bis zum Europäischen Gerichtshof schloss Gabriel zwar grundsätzlich nicht aus. Sein Ziel sei es aber, mit der Kommission ins Gespräch zu kommen.

Brüssel beanstandet, dass stromintensive Betriebe weitgehend von der Finanzierung des Ausbaus von Solar-, Wind- und Biomasse-Anlagen befreit sind. Dies könnte ein «selektiver Vorteil» sein. Die Kommission werde prüfen, ob die Teilbefreiungen von der sogenannten EEG-Umlage «gerechtfertigt sind, ob sie verhältnismäßig sind und ob sie den Wettbewerbs möglicherweise in ungebührender Weise verfälschen», schreiben die obersten Wettbewerbshüter Europas.

Es scheine, dass die Rabatte aus staatlichen Mitteln finanziert würden. Dann würde es sich um eine Beihilfe handeln - diese muss von Brüssel genehmigt werden. Allerdings zahlt nicht der Staat die Rabatte, sondern die Stromverbraucher über eine höhere Umlage. Auch Gabriel verwies darauf, dass 23 Milliarden Euro von den Bürgern «gewälzt» würden.

Für kommendes Jahr wird mit einem Rabatt-Volumen von rund fünf Milliarden Euro gerechnet, in diesem Jahr sind knapp 1.800 Firmen begünstigt, 2014 werden es noch mehr sein. Die Ökostrom-Rabatte für energieintensive Unternehmen gelten trotz des Verfahrens zunächst unverändert weiter.

EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia verteidigte sein Vorgehen. Es seien viele Beschwerden gegen die Ausnahmen für die deutsche stromintensive Industrie in Brüssel eingegangen. «Diese müssen wir mit der deutschen Regierung erörtern», sagte Almunia. Es gebe «begründete Zweifel» daran, dass die Rabatte mit EU-Recht vereinbar seien. Verbraucherschützer bemängeln, dass die Bürger die ausgeweiteten Rabatte mit höheren Strompreisen bezahlen.

Die Industrie warnte die Kommission vor überzogenen Schritten: «Ein Wegfall der Entlastungen für energieintensive Unternehmen wäre für viele Unternehmen und Tausende Arbeitsplätze das sofortige Aus», sagte der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Ulrich Grillo.

EU-Energiekommissar Günther Oettinger machte deutlich, dass es zwar eine Reform geben müsse, ein generelles Aus müsse aber nicht befürchtet werden. «Es wird nicht dazu kommen, dass alle Ausnahmen komplett gestrichen werden. Wir müssen nur weg vom Gießkannenprinzip.»

Das Verfahren dürfte etwa ein Jahr dauern. Am Ende könnte Brüssel eine Änderung fordern und gewährte Vorteile bei der EEG-Umlage von der Industrie zurückverlangen. Berlin hat nach dem Eingang des Schreibens nun einen Monat Zeit, um auf die Vorwürfe einzugehen. Ohnehin war im Koalitionsvertrag wegen des drohenden Ärgers aus Brüssel vereinbart worden, die Rabatte zu überprüfen. Frühere Vorschläge von Union und SPD, etwa Branchen aus dem Kreis der Begünstigten herauszunehmen oder Mindestumlagen zu erhöhen, kamen auf ein Einsparvolumen zwischen 500 und 700 Millionen Euro.


Die Ökostrom-Förderung in Deutschland



Die EEG-Umlage ist ein Politikum in Deutschland. Im Erneuerbare-Energien-Gesetz werden für jede Kilowattstunde Strom aus Solar-, Wind- und Biomasseanlagen auf 20 Jahre garantierte Vergütungen festgelegt. Die Höhe ist abhängig vom Anschlussdatum.

Die Differenz zwischen dem am Markt für den Strom erzielten Preis und der festen Vergütung bildet die EEG-(Ökostrom)-Umlage. Auch weil über die Umlage umfassende Industrierabatte zu zahlen sind, treibt dies die Strompreise. Wurden 2009 erst 5,27 Milliarden Euro über die Umlage auf die Strompreise aufgeschlagen, sind es nun 20,3 Milliarden Euro.

Davon tragen laut Branchenverband BDEW Haushalte 7,2 Milliarden, die Industrie 6,1 Milliarden Euro, den Rest entfällt auf öffentliche Einrichtungen, Handel, Verkehr und auf das Dienstleistungsgewerbe. 2014 wird der Umlagebetrag auf 23,5 Milliarden Euro steigen - je Kilowattstunde werden 6,24 Cent für Haushalte und kleine Unternehmen fällig. Unternehmen mit einem besonders hohen Verbrauch zahlen weit weniger, die Mindestumlage beträgt 0,05 Cent je Kilowattstunde. Die gesamten Nachlässen können 2014 rund fünf Milliarden Euro betragen.

Das umstrittene Grünstrom-Privileg



Seit Jahren ist das sogenannte Grünstrom-Privileg umstritten. Union und SPD haben im Koalitionsvertrag versprochen, es zu streichen. Wohlwissend, dass es auch der EU-Kommission ein Dorn im Auge ist. Stromanbieter waren bis 2011 ganz von der Ökostrom-Umlage befreit, wenn sie mindestens 50 Prozent grünen Strom anbieten.

Noch unter Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) wurde die Befreiung auf zwei Cent je Kilowattstunde beschränkt. Für 2014 werden die Kosten durch das Privileg auf 119,54 Millionen Euro geschätzt - eine im Vergleich zu den teuren Industrie-Rabatten bei Ökostrom eher geringe Summe, die von den übrigen Verbrauchern zu tragen ist.

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