SPD und Grüne äußerten am Dienstag erhebliche Sicherheitsbedenken. Hintergrund sind Überlegungen, längere Atomlaufzeiten nicht zuzuteilen, sondern in einer Auktion an die Stromkonzerne zu versteigern. «Das ist ein interessanter Vorschlag, der eine ernsthafte Prüfung verdient», sagte Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) der «Financial Times Deutschland». Nach diesem Modell müsste der Betreiber eines Atomkraftwerks Lizenzen für jede Terawattstunde ersteigern, die er zusätzlich zu den bisher schon vereinbarten Reststrommengen produzieren möchte.
Vorbild ist die Auktion der UMTS-Lizenzen für den Mobilfunk, die dem Staat im Jahr 2000 mehr als 50 Milliarden Euro einbrachte. Offen ist, ob eine Versteigerung die geplante Brennelementesteuer ersetzen würde, die dem Staat 2,3 Milliarden Euro pro Jahr und 9,2 Milliarden bis 2014 bringen soll.
Denkbar wäre die Auktion auch als Zusatzmaßnahme zur Abschöpfung der Milliardengewinne, die den Konzernen bei längeren Laufzeiten winken. Aus dem Umweltministerium gab es zunächst keine Stellungnahme. Eine Entscheidung dürfte spätestens am 28. September fallen, wenn das Kabinett die Eckpunkte seines Energiekonzepts beschließt. Der Unions-Energieexperte Thomas Bareiß sagte der Nachrichtenagentur dpa: «Ich halte es für nicht realistisch, dass über die vorgeschlagenen 2,3 Milliarden Euro pro Jahr hinaus noch zusätzlich etwas Geld abgeschöpft werden kann.»
Bei der Opposition stieß der Auktions-Vorschlag auf massiven Widerstand. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sprach von «russischem Roulette». Nur ein «akuter Sonnenstich» könne erklären, was sich die Regierung für die Kernkraftwerke ausdenke. «Bei Atomlaufzeiten geht es um Sicherheit, nicht um das Staatssäckel.» Ähnlich äußerten sich die Grünen: «Die uralten Pannenmeiler sind keine Zockermasse für schwarz- gelbe Haushaltspolitik», sagte die Parteivorsitzende Claudia Roth.
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin warf Röttgen vor, die Sicherheit der Bürger zu versteigern. Auch Umweltorganisationen wandten sich gegen den Vorschlag. «Die durch Alt-Atomkraftwerke bedrohte Sicherheit der Menschen soll an den Meistbietenden verramscht werden», beklagte Greenpeace-Atomexperte Tobias Münchmeyer. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) sprach von einem «unanständiges Geschäft mit der Sicherheit». Habe der Staat erst einmal Geld für eine Laufzeitverlängerung kassiert, steige der Druck auf die Behörden, die Reaktoren auch bei Sicherheitsmängeln weiter laufen zu lassen, warnte DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake.
Sympathien für eine Auktion äußerte hingegen der Energie- Koordinator der FDP-Bundestagsfraktion, Horst Meierhofer. «Das ist eine gute Idee, weil sie eine wettbewerbliche Lösung ermöglicht», sagte er der «FTD». Der Vorteil sei, dass nicht Politiker entscheiden müssten, wieviel längere Laufzeiten für welches Kraftwerk wert seien. Auch der energiepolitische Sprecher der Unionsfraktion, Thomas Bareiß (CDU), sprach sich für eine Auktion aus: «Die Idee hat viel Charme», sagte er der Nachrichtenagentur dpa.
Die Auktions-Idee geht auf eine Studie zurück, die das Rheinisch- Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) bereits im März veröffentlicht hatte. Darin heißt es, die Lizenzen zum Weiterbetrieb könnten so versteigert werden, «dass die Zusatzgewinne der Stromerzeuger so weit wie möglich abgeschöpft und die Einnahmen der öffentlichen Hand dadurch maximiert werden». Bei einer Laufzeitverlängerung um acht Jahre und einer jährlichen Strommenge von 140 Terawattstunden ergebe sich eine Summe von derzeit etwa 56 Milliarden Euro. Der tatsächliche Wert dürfte nach Ansicht der Forscher sogar noch deutlich höher liegen. (dpa)
Hintergrund:
Atomlizenz-Auktion: Vorbild UMTS und Emissionshandel
Vorbild für die angedachte Versteigerung längerer Laufzeiten deutscher Atomkraftwerke an die Stromkonzerne sind die Auktion der UMTS-Lizenzen für den Mobilfunk und der Emissionshandel mit CO2-Zertifikaten.
Im Jahr 2000 spülte die Versteigerung der begehrten UMTS-Frequenzen rund 50 Milliarden Euro in die Staatskasse. Für die sechs Mobilfunk-Unternehmen, die die Summe aufbrachten, zahlte sich die Auktion allerdings nicht aus. An der Börse kam es zu gewaltigen Kurseinbrüchen bei Telekom- und Internetwerten. Allein die UMTS-Bieter Mobilcom (France Telecom) und Quam (Sonera/Telefónica) setzten
15 Milliarden Euro in den Sand. Andere mussten ebenfalls Milliarden-Beträge abschreiben.
Im vergangenen April versteigerte die Bundesnetzagentur freigewordene Rundfunk-Frequenzbereiche. In dem am 20. Mai beendeten Wettstreit wurden insgesamt 4,38 Milliarden Euro geboten - etwa die Hälfte des von Analysten erwarteten Betrags.
Der Handel mit Verschmutzungsrechten ist ein Instrument für den Klimaschutz. Unternehmen oder Branchen, die mehr des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) ausstoßen als zugeteilt, kaufen anderen Firmen, die sauberer produzieren, solche Verschmutzungsrechte ab. Damit können sie Kosten verringern und Strafzahlungen vermeiden.
Unternehmen erhalten dabei Emissions-Zertifikate, die sie zum CO2-Ausstoß berechtigen. Nicht benötigte Papiere können zum Marktpreis weiterverkauft werden - wie an der Energiebörse European Energy Exchange (EEX) in Leipzig.