Biodiesel ist seit der Besteuerung keine wirkliche Alternative mehr, nicht zuletzt auch wegen des angekratzten Images im Zusammenhang mit der weltweiten Nahrungsmittelkrise. Die Autoindustrie reagiert und schickt Elektroautos auf den Markt. Die Forschung geht einen neuen Weg, der ein wenig nach Science-Fiction klingt: Aachener Wissenschaftler arbeiten an maßgeschneiderten Kraftstoffen aus Biomasse. Seine Vorteile: Niedriger Verbrauch und weniger Schadstoffe.
Anders als beim Biodiesel werden dazu keine Pflanzenfrüchte wie Raps verwendet, sondern
Biomasse wie etwa Holz, Stroh, Gras oder Blattwerk. Durch chemische Verfahren wollen die Forscher einen neuen Kraftstoff mit optimalen Eigenschaften entwickeln. Sie arbeiten schon an der dritten Generation von Biokraftstoffen, während die zweite noch gar nicht auf dem Markt ist.
Diese dritte Generation wird zwischen 2020 und 2025 auf den Markt kommen, meinen die Wissenschaftler. Die Autofahrer werden auch dann wie gewohnt zur Tankstelle fahren und den Zapfrüssel in die Tanköffnung stecken. Wie tief sie dafür in die Tasche greifen müssen, ist völlig offen.
80 Wissenschafter arbeiten im neuen Spitzenforschungszentrum der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH), dem Exzellenzcluster, an den maßgeschneiderten Kraftstoffen. Mit dem Cluster hatte sich die RWTH Aachen im staatlichen
Förderprogramm Exzellenzinitiative beworben und 2008 durchgesetzt. In den nächsten fünf Jahren bekommt die Hochschule dafür 35 Millionen Euro Förderung.
Der stetige Anstieg des Energiebedarfs und der Kohlendioxidausstoß bei beschränkter Verfügbarkeit fossiler Energiereserven werden als eine der größten gesellschaftlichen Herausforderungen verstanden. In der Europäischen Union hat der Verkehr einen Anteil am Gesamtenergieverbrauch von 30 Prozent.
Überall auf der Welt wird fieberhaft nach Alternativen zu fossilen Energiequellen geforscht. Die Aachener sehen sich in einer Sonderstellung. «Wir versuchen nicht, die Eigenschaften von Diesel- und Ottokraftstoffen nachzubauen. Wir wollen einen Kraftstoff und ein Brennverfahren entwickeln, die optimal aufeinander abgestimmt sind», erläutert der Geschäftsführer des Exzellenzclusters, Martin Müther. Diese Koppelung von Kraftstoff und Motorentechnik sei in der Forschungslandschaft einzigartig. Ziel ist eine effektive und damit saubere Verbrennung.
19 Institute arbeiten an dem Aachener Forschungsschwerpunkt. Als das Projekt vor zwei Jahren auf die Beine gestellt wurde, war mit dem Biodiesel noch alles in Ordnung. Image und gesellschaftliche Akzeptanz waren gut. Dann kamen die ersten Meldungen, dass sich in den armen Ländern mit Palm- und Rapsöl für Biokraftstoff mehr Geld verdienen lässt als mit dem Anbau von Lebensmitteln. Der Raubbau an Natur und Mensch wurde deutlich. «Die Rohstofffrage ist mehr in den Fokus gerutscht als wir uns das vorgestellt haben», beschreibt Verfahrenstechniker und Projektmitarbeiter Sven Kossack die Auswirkungen auf das Vorhaben.
Allerdings war schon immer klar, dass die Forscher mit dem neuen Kraftstoff auf keinen Fall mit der Nahrungskette kollidieren dürfen. Der erforschte Prozess werde deshalb mit einer breiten Auswahl von Rohstoffen funktionieren müssen.
Ein großes Reservoir bieten nach Einschätzung der Wissenschaftler Abfallstoffe. Sogar an die Verwendung von Algen wird gedacht. Wo die Rohstoffe herkommen sollen, ist noch völlig offen. Das Öko-Institut Darmstadt ist eine Art ökologischer und sozialer Wächter in dem Prozess. Es soll die ökologischen und sozialen Randbedingungen der neuen Entwicklungen bewerten.
Die Autoindustrie sei interessiert. Aus dem Cluster hat sich ein Netzwerk mit «industriellen Beratern» entwickelt, in dem auch die Automobilindustrie vertreten ist. «Es gibt ein hohes Interesse mit vielen Anfragen von vielen Seiten», sagt Müther. Für die unter den hohen Spritpreisen leidenden Autofahrer ist das allerdings noch Zukunftsmusik.
Die Forscher rechnen damit, dass die zweite Generation von Biokraftstoffen 2012 auf den Mark kommt. Sie soll nicht mehr in Konkurrenz zu der Nahrungskette stehen. Die maßgeschneiderten Kraftstoffe der dritten Generation aus Aachen sollen im Vergleich zur zweiten Generation noch wirtschaftlicher in Herstellung und Verbrennung werden. (dpa)