Die Folgen eines Atomunfalls seien nicht zu versichern, zudem seien die langfristigen Umweltschäden durch fossile Energieträger wie Öl und Kohle viel teurer als ein Umstieg auf Öko-Energien, betont der Wissenschaftliche Beirat Globale Umweltveränderungen (WBGU) in einem am Donnerstag vorgestellten Bericht. «Wir sind der Meinung, dass es darum geht, für das 21. Jahrhundert einen neuen Gesellschaftsvertrag auszuhandeln», sagte der WBGU-Vorsitzende Hans Joachim Schellnhuber. Die Bürger müssten bei der Energiewende mitgenommen werden, nötig sei ein gemeinsamer Kraftakt.
Widerspruch kam von Ökonomen. «Man muss sich ganz klar sein, dass kurzfristig damit Produktionspotenzial wegfällt. Das heißt, der Wohlstand, den wir haben, wird teurer», sagte Kai Carstensen vom Münchner ifo-Institut bei der Vorstellung des Frühjahrsgutachtens in Berlin. Wenn billiger Atomstrom wegfalle, erhöhe das die Energiekosten für die Industrie. Der Preisanstieg könne durch Stromimporte oder mehr erneuerbare Energien etwas gedämpft werden. Grundsätzlich müsse man sich aber fragen, ob stromintensive Branchen künftig in Deutschland noch wettbewerbsfähig seien.
Die Umwelt-Regierungsberater betonten hingegen die ökonomischen Chancen einer Ökoenergiewende. Schon heute arbeiten rund 370.000 Menschen in diesem Bereich. Mit Blick auf einen Atomausstieg warnte Schellnhuber vor Schwarzmalerei. «Dann werden die Lichter nicht ausgehen.»
Die CSU verlangt eine «nationale Kraftanstrengung» und schnelle Signale für den Umbau der Energieversorgung. «Ich denke da an mehrere Milliarden Euro, alles andere bringt nicht genügend Fortschritte», sagte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt der «Süddeutschen Zeitung». Es müssten «für kommende Haushalte von Bund und Ländern klare finanzielle Zielvorgaben für Investitionen beschlossen werden». Die Menschen müssten «erkennen, dass wir finanziell und baurechtlich klare Prioritäten setzen.»
Die
CDU streitet derweil über die AKW-Abschaltungen. Fraktionsvize Michael Fuchs (CDU) sagte der «Leipziger Volkszeitung»: «Ich hoffe, dass wir die als sicher erkannten Meiler nach der Denkphase wieder anschalten.» In der Fraktionsspitze hieß es daraufhin, die Fraktionsmitglieder sollten «am Prozess der Beratungen über ein neues Energiekonzept teilnehmen. Öffentliche Aussagen helfen da jetzt wenig.»
Derzeit stehen 8 der 17 Akw wegen des Atom-Moratoriums still. Aufgrund einer planmäßigen Revision liefert zudem die Anlage im bayerischen Grafenrheinfeld für einige Wochen keinen Strom. Bis Mitte Juni entscheidet die Regierung, welche Meiler für immer vom Netz müssen und wie lange die anderen noch laufen dürfen.
Wegen der abgeschalteten Kraftwerke wird verstärkt Atomstrom aus Frankreich importiert. Energieversorger warnen, dass dies zu einem Dauerzustand werden könnte, falls man überstürzt aus der Atomkraft aussteige. Die vermehrten Importe haben aber nichts mit Stromknappheit in Deutschland zu tun - sondern damit, dass dieser Strom zu gewissen Tageszeiten für die Stromhändler günstiger ist.
Rund 70 Prozent der Deutschen lehnen den raschen Ausstieg aus der Kernkraft ab, wenn dann Atomstrom importiert werden muss. Dies ergab eine repräsentative
Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der dpa. Allerdings sind die Bürger ansonsten zu Opfern bereit, wenn ein Ausstieg ohne Importe geschafft wird. Eine Mehrheit von 64 Prozent ist dafür, angesichts der Katastrophe von Fukushima noch vor dem Jahr 2020 komplett aus der Atomkraft auszusteigen.
Dafür sind die Bürger bereit, Stromtrassen und höhere Preise in Kauf zu nehmen: 66 Prozent würden es akzeptieren dass in der Nähe der eigenen vier Wände eine Stromautobahn errichtet wird. Fast die Hälfte der Befragten bereit, bis zu 40 Euro mehr pro Jahr für Strom zu bezahlen, wenn dadurch die Energiewende beschleunigt wird.
Die Umweltschutzorganisation
Greenpeace hält Deutschlands Ausstieg aus der
Atomenergie bis 2015 ohne Probleme für möglich. Eine Berechnung auf der Basis aktueller Kraftwerksplanungen habe gezeigt, dass die Ausfälle durch bestehende Überkapazitäten und die 51 im Bau oder in Planung befindlichen Kraftwerke ausgeglichen werden könnten. (dpa)