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23.03.2011 | 12:53 | Trinkwasser in Japan 

Trinkwasser in Tokio belastet - Neues Problem in Fukushima

Tokio - Belastetes Trinkwasser in Tokio, Probleme am Atomkraftwerk Fukushima und Nachbeben: In Japan ist knapp zwei Wochen nach der Erdbebenkatastrophe keine Entspannung in Sicht.

Trinkwasser

Auch in der Hauptstadt Tokio ist nun das Trinkwasser stärker radioaktiv belastet. Babys sollen deshalb kein Leitungswasser mehr trinken. Immer mehr Gemüse darf nicht mehr gegessen werden. Am Atom-Wrack Fukushima Eins mussten die Arbeiten am Mittwoch erneut unterbrochen werden. Es stieg schwarzer Rauch von Meiler 3 auf.


Trinkwasser in Tokio

In einer Wasseraufbereitungsanlage der Millionenstadt seien erhöhte Werte an radioaktivem Jod 131 festgestellt worden, sagte ein Sprecher der Hauptstadtpräfektur. Der Wert habe 210 Becquerel pro Liter betragen. Der Grenzwert des japanischen Gesundheitsministeriums liegt für Babys bei 100 Becquerel pro Kilogramm - das entspricht einem Liter Wasser. Für Erwachsene und ältere Kinder beträgt der Grenzwert in Japan 300 Becquerel pro Kilo.

Regierungssprecher Yukio Edano betonte, dass die Grenzwerte sehr streng seien. In Deutschland dürfen Milch und Säuglingsnahrung zum Beispiel mit mehr als 370 Becquerel pro Liter nicht mehr in den Handel.

Kinder unter einem Jahr sollen in allen zentralen Bezirken in Tokio und in mehreren westlich gelegenen Städten kein Leitungswasser mehr trinken. Auch damit zubereitetes Milchpulver ist tabu. Der Gouverneur der Hauptstadtpräfektur Tokio, Shintaro Ishihara, rief die Bevölkerung zur Ruhe auf. Es bestehe keine unmittelbare Gefahr für die Gesundheit. Die Warnung sei eine Vorsichtsmaßnahme, da sich das radioaktive Jod über die Zeit in der Schilddrüse konzentrieren könne. Regierungssprecher Edano warnte vor Panikkäufen von abgefülltem Wasser.

Schon zuvor war im Trinkwasser in fünf Orten der Präfektur Fukushima ein für Babys zu hoher Wert an radioaktivem Jod gemessen worden. Auch in Tokio war nach dem Erdbeben und dem Atomunfall vom 11. März schon einmal erhöhte Radioaktivität im Wasser registriert worden - jedoch gab es damals keine Warnung der Behörden. Das Atomkraftwerk Fukushima steht mehr als 200 Kilometer nordöstlich von Tokio.


Kampf am Atomkraftwerk

Eigentlich wollten die Arbeiter am Mittwoch versuchen, den Strom in den Problemmeilern wieder herzustellen. Damit soll das kaputte Kühlsystem angeworfen werden, um so eine drohende Kernschmelze aufzuhalten. Doch neuer Rauch über Block 3 verhinderte das. Die Helfer mussten von dem Gelände, berichtete der Sender NHK. Der Reaktor konnte daher auch nicht wie geplant mit Wasser besprüht werden, meldete die Nachrichtenagentur Kyodo. Zudem bestehen Sorgen, weil die Temperaturen in Reaktor 1 und 3 stiegen, meldete die Agentur. Das Erdbeben und der Tsunami hatten das Kraftwerk Fukushima Eins teilweise zerstört. Seitdem entweichen immer wieder radioaktive Stoffe.


Strahlung außerhalb der Sicherheitszone

Auch außerhalb der 30-Kilometer-Sicherheitszone um das AKW könnte stark erhöhte radioaktive Strahlung auftreten, schätzt nun sogar die japanische Regierung. An manchen Orten außerhalb der Sicherheitszone könne die Strahlung laut Computersimulation zeitweise bei mehr als 100 Millisievert liegen. Die natürliche Hintergrundstrahlung liegt bei etwa 2 Millisievert pro Jahr. Die 20-Kilometer-Evakuierungszone soll dennoch nicht erweitert werden.

Später konkretisierte Haruki Madarame von der Atomsicherheitskommission: Die Zahl beziehe sich auf die Dosis, die ein einjähriges Kind seit der ersten Reaktorexplosion am vorvergangenen Samstag in seiner Schilddrüse aufgenommen haben könnte, berichtete die Nachrichtenagentur Kyodo am Donnerstag. Dafür müsste sich das Kind zudem jeden Tag draußen aufhalten. Für ältere Kinder und Erwachsene sowie im Haus sei die mögliche Dosis deutlich geringer.


Belastung im Essen

Die Regierung riet den Menschen, keinen Spinat oder Kohl aus Fukushima zu essen. Für immer mehr Gemüse aus der Gegend um das Krisen-Kraftwerk gilt ein Lieferstopp. Das Gesundheitsministerium veröffentlichte dazu eine Liste mit elf Gemüsearten, bei denen eine teils drastisch erhöhte Radioaktivität festgestellt wurde. Darunter sind Spinat, Broccoli, Kohl und das japanische Blattgemüse Komatsuna.

Die USA verschärften die Einfuhrbestimmungen für Gemüse und Milch aus Japan. Auch Deutschland verstärkte die Vorsichtsmaßnahmen. Vor allem bei Fisch und Fischerzeugnissen solle die Strahlenbelastung überprüft werden, teilte Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner mit.

Hongkong verbot den Import von mehreren Nahrungsmitteln aus Japan.

In der EU sind bei Kontrollen von Lebensmitteln aus Japan bislang keine erhöhten Strahlenbelastungen aufgefallen. Das sagte der Sprecher von EU-Gesundheits- und Verbraucherkommissar John Dalli.


Opferzahlen und Nachbeben

Die offizielle Zahl der Toten nach der Naturkatastrophe stieg auf etwa 9500. Mehr als 15.000 Menschen werden noch vermisst. Etwa 260.000 Menschen müssen nach Angaben von Kyodo noch in Notunterkünften hausen. Dort fehlt es oft an Wasser, Nahrung und Heizmaterial.

Am Mittwoch (Ortszeit) erschütterten mehr als 25 Nachbeben der Stärke 4,4 oder mehr die Katastrophenregion. Der stärkste Erdstoß kam um kurz nach Mitternacht mit einer Stärke von 6,1, berichtete die US-Erdbebenwarte USGS. Demnach lag das Epizentrum dieses Bebens etwa 165 Kilometer östlich von Tokio.


Kosten

Das Erdbeben und der Tsunami dürften als teuerste Naturkatastrophe aller Zeiten in die Geschichte eingehen: Auf bis zu 25 Billionen Yen oder rund 220 Milliarden Euro bezifferte die Regierung in Tokio die Schäden in einer aktuellen Schätzung, wie Kyodo berichtete. (dpa)

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