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30.01.2015 | 07:00 | Von wegen Flaute 

Windrad-Boom in Deutschland

Berlin - Selbst im kleinsten Bundesland Bremen haben sie sechs Windräder aufgestellt. Nur zwei weniger als im großen und von einem grünen Ministerpräsidenten regierten Baden-Württemberg.

Windräder
Die Lobbyisten liefen Sturm: Mit seiner Kosten-Reform bremse Wirtschaftsminister Gabriel die Energiewende aus, hieß es 2014. Nun ist aber bei der Windkraft das Gegenteil passiert - ein zwölf Jahre alter Rekord wurde pulverisiert. Auch wegen Horst Seehofer. (c) proplanta
Und sogar im zugebauten Berlin wurde 2014 ein Windrad errichtet. «Wir sprechen von außerordentlich guten Zahlen», meint der Präsident des Bundesverbands Windenergie, Hermann Albers, als er am Donnerstag in Berlin Rekordergebnisse vorlegen darf. Allen Steuerungsversuchen zum Trotz hat es vergangenes Jahr einen neuen Windkraft-Rekord gegeben. Statt der von der Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) anvisierten rund 2.500 Megawatt wurden 1766 Windräder mit 4.750 Megawatt (MW) neu installiert - der alte Rekord von 2002 (3240 MW) wurde pulverisiert. Damit gibt es nun an Land 24.867 Windräder mit einer Leistung von 38.115 Megawatt.

Weil Gabriels Ausbaukorridor massiv überschritten wurde, sank automatisch die Förderung, die Bürger und Wirtschaft über ihren Strompreis zahlen. Ein Grund für den Rekord sind großzügigere Flächenzuweisungen, Albers spricht mit Blick auf den Atomausstieg «von einem Fukushima-Effekt», der die Behörden toleranter macht.

Auf Platz eins landete Schleswig-Holstein, vor Niedersachsen (hier stehen die meisten Anlagen), gefolgt von Brandenburg und Rheinland-Pfalz. Die Anlagen werden immer höher, der Durchschnitt betrug 116 Meter Nabenhöhe und 99 Meter Rotordurchmesser, die Leistung 2,7 Megawatt. In Zukunft sollen verstärkt an bestehenden Standorten alte durch leistungsstärkere Anlagen ersetzt werden.

Zudem führte Gabriels Ökostrom-Reform, die im August in Kraft getreten ist, zu einer Zunahme an Bauanträgen, um noch von der alten, höheren Förderung zu profitieren. Aber auch wenn Windstrom rund die Hälfte des produzierten Ökostroms ausmacht, verursacht er nur 20 Prozent der Förderkosten von zuletzt 23 Milliarden Euro im Jahr, die per Umlage auf die Strompreise abgewälzt werden.

4,4 Milliarden Euro wurden 2014 für die Windkraft abgewälzt, über zehn Milliarden Euro hingegen für Solarstrom. Daher ist auch der Rekord wohl kaum spürbar bei den Stromkosten - der Windstrom trug im Gegenzug zudem zu geringeren Strom-Einkaufspreisen bei. Viele Versorger haben die Strompreise im Januar daher leicht gesenkt.

Überraschend: Auch das bisher störrische Bayern legte deutlich zu, mit 154 Windmühlen (410 MW Leistung) landete der Freistaat auf Platz 5 der Länder-Wertung. Dabei hatte Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) betont: «Das macht mir Angst, ein Windrad nach dem anderen.» Aber: Er ist genau genommen an dem Zuwachs Schuld. Weil er eine Mindestabstandsregelung von bis zwei Kilometern zwischen Wohngebiet und Windrad einführte, wurden vorher noch rasch Anträge eingebaut - nun droht hier aber eher eine Flaute.

Während die teurere Solarenergie und Biomasse eingebrochen sind, sieht es bei der kostengünstigsten Ökoenergie-Form gut aus. Albers spricht von einem Gesamt-Investment von 6,2 Milliarden Euro 2014, rund 120.000 Arbeitsplätze hingen an der Branche.

Aber die «Verspargelung» der Landschaft ist umstritten - zudem kommt der Leitungsbau nicht hinterher. Immerhin gibt es nun grünes Licht für die letzten Abschnitte der «Thüringer Strombrücke», die Windstrom aus dem Osten nach Bayern bringen soll, wo bald das Atomkraftwerk Grafenrheinfeld vom Netz geht.

Die «Super-Leitung» soll der 800 Kilometer lange SuedLink werden, von Schleswig-Holstein bis nach Bayern und Baden-Württemberg. Ein Teilabschnitt soll als Erdkabel verlegt werden - umstritten ist, dass ein Stück durch Gabriels Wahlkreis verlegt werden könnte.

Er setzt darauf, dass der Wind-Ausbau besser gesteuert wird - und will eine baldige Abkehr vom üppigen Fördersystem mit auf bis zu 20 Jahre garantierten Geldern. Wie sehr der viele Windstrom die Netzbetreiber ins Schwitzen bringt, zeigte sich Anfang Januar - beim Orkan «Elon» wurden zeitweise 30.700 Megawatt eingespeist.

Die Windräder lieferten rechnerisch so viel Strom wie mehr als 20 Atomkraftwerke. Allein die Netzeingriffe des Betreibers Tennet kosteten rund sechs Millionen Euro - das wird auf die Strompreise umgeschlagen.

Aber diese Wetterkapriolen sind fast Kleinkram gegen den 20. März, der die Netzbetreiber umtreibt. Wenn es an dem Tag nicht bewölkt ist, drohen durch eine Sonnenfinsternis Turbulenzen. Dann könnten plötzlich bundesweit riesige Mengen Solarstrom wegfallen. (dpa)
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