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06.02.2010 | 11:45 | Alkoholforschung 

Prävention durch moderaten Alkoholkonsum?

Bonn - Karneval steht vor der Tür und damit die Zeit der Kostümpartys, Karnevalsfeiern und -umzüge. An diesen tollen Tagen essen wir nicht nur mehr und anders als sonst.

Prävention durch moderaten Alkoholkonsum?
Ob an Weiberfastnacht oder nach dem Rosenmontagsumzug: Bier, Sekt und Schnaps gehören in der fünften Jahreszeit für viele einfach dazu und es fließt mehr Alkohol als sonst. Zwar ist der Alkoholverbrauch laut Ernährungsbericht 2008 der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) bei Bier um 1,9 l pro Kopf und Jahr und bei Schaumwein und Spirituosen um 0,06 l gesunken. Dennoch überschreiten knapp 27 % der Männer und 16 % der Frauen nach der Nationalen Verzehrsstudie II die nach den D-A-CH-Referenzwerten akzeptable Menge an Alkohol von 10 g/Tag für gesunde Frauen und 20 g/Tag für gesunde Männer.

Und auch wenn die Medien jüngst gerne die präventiven Eigenschaften eines moderaten Alkoholkonsums hervorheben: „Chronischer, übermäßiger Alkoholkonsum schädigt fast jedes Organ und jedes Gewebe des menschlichen Körpers. Alkohol hat das größte krebsfördernde Potenzial. So erhöht er mit überzeugender Evidenz das Risiko für Tumore in Mund, Rachen, Kehlkopf, Speiseröhre, Dickdarm, Mastdarm, Brust und Leber“ führt Prof. Dr. Helmut Karl Seitz vom Alkoholforschungszentrum an der Universität Heidelberg auf dem Journalistenseminar der DGE im November 2009 in Hamburg aus. Die beste Krebsprävention ist daher der komplette Verzicht auf alkoholhaltige Getränke. Das unterstreichen sowohl die Daten aus dem DGE-Ernährungsbericht 2008, als auch der in 2007 veröffentlichte WCRF-Report (World Cancer Research Fund). Die in den letzten Jahren immer wieder angeführte protektive Wirkung von Alkohol auf Herz-Kreislauf-Krankheiten bei älteren Personen erfordert eine differenzierte Bewertung. Alkohol zeigt zwar günstige, andererseits aber auch ungünstige Effekte auf kardiovaskuläre Parameter.

Während der Schwangerschaft und Stillzeit sollten Frauen Alkohol am besten meiden, um ihr Kind keinen Risiken, z. B. einer alkoholbedingten Fetopathie (Schädigung des Ungeborenen ab dem Beginn des 4. Monats bis zur Geburt), auszusetzen. Kinder, Jugendliche, Suchtgefährdete und Personen, die Arzneimittel einnehmen müssen, sollten keinen Alkohol trinken - auch nicht ausnahmsweise an den närrischen Tagen.


Hintergrundinformation:

Außer den akuten Wirkungen von Alkohol sind bei chronischem Alkoholkonsum vor allem Langzeitwirkungen zu beachten. An erster Stelle stehen Krebserkrankungen sowie das Suchtpotenzial. Chronischer Alkoholkonsum kann zu Fettleber und später zu Leberzirrhose führen, wobei Frauen sehr viel gefährdeter sind als Männer. Hinzu kommen Schäden an weiteren Organen wie Bauchspeicheldrüse und Herzmuskel. „Jährlich sterben etwa 20 000 Menschen an alkoholischen Lebererkrankungen, im Durchschnitt sterben Menschen mit alkoholbedingten Krankheiten 20 Jahre früher“ fasst Seitz die epidemiologischen Zahlen zusammen. Alkoholkonsum erhöht weiterhin das Risiko für die Entstehung von Mundhöhlen-, Rachen-, Speiseröhren-, Brust- und Dickdarmkrebs bei Menschen mittleren und höheren Alters.

Aufgrund der Ergebnisse von epidemiologischen Studien wurde in Bezug auf das Koronarrisiko des älteren Mannes moderater Alkoholkonsum als gesundheitlich zuträglich angesehen. Die postulierte kardioprotektive Wirkung von Alkohol ist durch einen Anstieg des HDL-Cholesterols im Blut, eine verminderte Blutplättchenaggregation, eine Senkung des Fibrinogens und eine gesteigerte Fibrinolyse erklärbar. Dennoch lässt sich eine Empfehlung von Alkoholkonsum zum Schutz vor Herzinfarkt nicht ohne Vorbehalt vertreten, da die negativen Effekte überwiegen. Zur Prävention koronarer Herzkrankheiten gibt es andere primärpräventive Maßnahmen. Dazu gehört die Vermeidung von Übergewicht, Nikotinabstinenz und regelmäßige körperliche Bewegung. „Die herzschützende Wirkung des Alkohols durch den Konsum alkoholischer Getränke trifft nur auf Personen zu, die bereits einen Herzinfarkt oder einen ischämischen Hirninfarkt durchgemacht haben oder auf ältere Patienten mit mehr als einem Risikofaktor für die koronare Herzkrankheit“ fasst Seitz zusammen. Bluthochdruck müsse dabei ausgeschlossen werden, da Alkohol diesen begünstige.

Ein Schwellenwert für die Zufuhr, ab dem schädliche Wirkungen von Alkohol mögliche positive Effekte übertreffen, kann nicht angegeben werden, da immer auch mit individuell unterschiedlichen Risiken zu rechnen ist. „Die Dosis, die jeder Mensch an Alkohol verträgt, ist individuell unterschiedlich“, sagte Seitz. Gründe hierfür seien die Gene und andere Erkrankungen, die durch Alkohol auch in kleinen Dosen verstärkt würden. Als akzeptable Alkoholmenge werden laut D-A-CH-Referenzwerten zurzeit 10 g/Tag für gesunde Frauen und 20 g/Tag für gesunde Männer angesehen. Dabei darf die Angabe in g/Tag nicht als Empfehlung verstanden werden, jeden Tag Alkohol zu trinken. 20 g Alkohol entsprechen ca. 0,5 l Bier oder 0,25 l Wein bzw. Sekt oder 0,06 l Weinbrand.

„Gesunde Menschen müssen Alkohol nicht total aus ihrem Leben verbannen. Es spricht nichts dagegen, ein Gläschen Wein zum Abendessen in geselliger Runde zu genießen. Allerdings sollten Sie mindestens zwei alkoholfreie Tage pro Woche einlegen“ lautete das Fazit des Alkoholexperten zum Umgang mit Alkohol auf dem DGE-Journalistenseminar.

Nicht zuletzt ist ernährungsphysiologisch die hohe Energiedichte von Alkohol von Bedeutung. Mit 7 kcal/g ist der Energiegehalt von Alkohol fast so hoch wie der von Fett (9 kcal/g). Zudem wirkt Alkohol appetitsteigernd und kann somit zur Entstehung von Übergewicht beitragen. Auch das Bier oder das Gläschen Sekt auf der Karnevalsfeier muss also in die Energiebilanz einbezogen werden. (dge)
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