Angesichts dessen müsse der Staat eingreifen und gesündere Lebensbedingungen schaffen, forderte der Präsident der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG), Prof. Martin Wabitsch, am Donnerstag auf der DAG-Jahrestagung in Berlin.
Fettsucht sei nicht etwa die Folge eines Fehlverhaltens Einzelner: «Adipositas ist eine Krankheit des Gehirns», betonte er. Gerade die junge Generation sei gefährdet, da sie inmitten Betroffener aufwachse, so der Ulmer Kinder- und Jugendarzt.
Mehr Ausdauersport in der Schule, mehr Fahrradwege oder etwa eine veränderte Preispolitik bei Lebensmitteln halten die Fachleute für ratsam. «Vollkornbrot müsste billiger sein als Toast, der Apfel günstiger als der Schokoriegel», forderte die Pharmakologin Prof. Annette Schürmann vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) in Potsdam. Sie sieht das «kontinuierliche Essen» als Knackpunkt: Um Fettreserven abzubauen, müssten Übergewichtige Snacks zwischen den Hauptmahlzeiten reduzieren oder zwei Fastentage pro Woche einlegen.
Anders bei Adipositas: Auf der Berliner Tagung waren sich die Experten einig, dass auch Verhaltens- und Bewegungstherapie die Pfunde nicht langfristig purzeln lassen. Mit einem strengen Lebensstil könnten Betroffene lediglich ihr Gewicht kontrollieren. «Wer einmal in der Fettfalle steckt, hat kaum Chancen, das zu bekämpfen», sagte der Chirurg Jürgen Ordemann von der Berliner Charité.
Operationen hingegen hätten sich bewährt, sagte er. Die Eingriffe verändern demnach je nach Methode Magen und Verdauungstrakt so, dass auch die für Hunger und Sättigung zuständigen Hormone positiv beeinflusst werden. Letztlich sinke das Risiko für Folgeerkrankungen wie etwa
Diabetes, die das Gesundheitssystem belasten. Doch noch werde in Deutschland zu spät und im Vergleich mit anderen Ländern Europas zu selten eingegriffen.
«Der Zugang zur OP und die Zusammenarbeit mit den Krankenkassen ist enorm schwierig», sagte Ordemann. Angesichts des Leidensdrucks und der hohen Nachfrage von Betroffenen sei das «frustrierend».
Der Bundestagsabgeordnete Dietrich Monstadt betonte, verlockende Angebote für Kinder und Jugendliche wie Schokolade an der Supermarktkasse, Fast-Food-Läden neben Schulen oder riesige Limo-Becher im Kino müssten nicht sein.
Der CDU-Politiker ist selbst von Adipositas betroffen und befürwortet eine nationale Strategie - obwohl natürlich «jeder sein eigener Gesundheitsmanager» sei. Da aber immer mehr Menschen damit Probleme hätten, drohe auch bei der Zahl der Diabetiker ein «Tsunami». Über Adipositas beraten noch bis zum 17. Oktober rund 500 Experten in Berlin. (dpa)