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28.06.2009 | 19:25 | Alkoholkonsum 

Hunderttausende Wodka-Tote in Russland

Moskau - Wodka-Leichen auf den Straßen, Trunkenheit am Steuer und zuweilen sogar sturzbetrunkene Polizisten, die Menschen erschießen - der extreme Konsum von Alkohol in Russland hat immer häufiger tödliche Folgen.

Wodka-Tote Russland
(c) proplanta
Eine 28-Jährige gab ihrem fünf Monate alten Sohn Anfang April in der sibirischen Kleinstadt Sretensk die Brust, nachdem sie einen halben Liter Wodka getrunken hatte. Das Baby starb an der vergifteten Muttermilch.

Zwischen 500.000 und 700.000 Russen sterben jedes Jahr an den Folgen des Alkoholkonsums. Wodka, das oft auch schwarz gebrannte Nationalgetränk, gilt als Hauptgrund für die im Vergleich zu Deutschland geringe Lebenserwartung in Russland. Schon der Ex- Sowjetpräsident und Friedensnobelpreisträger Michail Gorbatschow konnte mit seinem Alkoholverbot in den 1980ern das Problem nicht beseitigen.

Zwar hat auch die russische Führung angesichts der dramatischen demografischen Probleme im größten Land der Erde die Katastrophe erkannt. Doch die starke russische Alkohollobby erschwert den Kampf. Weil vor allem viele Männer an den Folgen des Wodka-Konsums frühzeitig sterben, liegt die durchschnittliche Lebenserwartung bei ihnen laut Moskaus Gesundheitsministerium bei knapp 62 Jahren. Frauen werden demnach im Schnitt etwa 74 Jahre alt. Zum Vergleich: In Deutschland werden die Menschen mehr als zehn Jahre älter. Die Russen kommen pro Jahr und Kopf auf rund 14 Liter reinen Alkohol. Aber auch die Deutschen sind mit rund 10 Litern alles andere als abstinent.

Ein Zusammenhang zwischen der hohen Sterblichkeit in Russland und dem Alkohol ist seit langem wissenschaftlich belegt. Mehr als die Hälfte der Todesfälle bei Russen im Alter zwischen 15 und 54 Jahren sind auf übermäßigen Alkoholkonsum zurückzuführen. Das berichtet das Fachjournal «Lancet» in seiner neuen Ausgabe (an diesem Samstag). Russische und ausländische Wissenschaftler haben für ihre Studie mehr als 60.000 Todesfälle in drei russischen Provinzstädten untersucht. Sie fanden eine auffällig hohe Zahl an tödlichen Leberkrankheiten.

Wegen des Alkohols, heißt es in dem Untersuchungsbericht, sei die Sterberate in der Altersgruppe bei russischen Männern mehr als fünfmal, bei Frauen mehr als dreimal so hoch wie in Westeuropa. In einem Kommentar fordern die Experten die russische Führung zum Handeln auf. Immerhin hat Gesundheitsministerin Tatjana Golikowa gerade ein Dekret über die Förderung einer gesünderen Lebensweise unterzeichnet. Laut dem Papier ist vorgesehen, medizinisches Personal besser zu schulen für den Umgang mit Alkoholkranken, eine Aufklärungskampagne zu starten und neue Diagnosetechnik anzuschaffen.

Experten fordern aber vor allem ein härteres Durchgreifen gegen die Alkoholmafia und korrupte Beamte, die illegale Produktionsstätten decken. Erschwerend zum Alkohol kommen andere «gesundheitsschädliche Umstände» hinzu wie der exzessive Tabakkonsum auch in Gaststätten oder die starke Umweltverschmutzung, wie die Regierungszeitung «Rossijskaja Gaseta» feststellt. Auch die russisch-orthodoxe Kirche schlägt Alarm, weil immer mehr junge Menschen dem «Teufel» Alkohol verfallen. Heute seien schon viele 13-Jährige Trinker.

Offizielle Statistiken geben die Zahl der Abhängigen in Russland mit 2,3 Millionen an. Doch schätzen andere Quellen die Zahl auf mehr als das Doppelte. Die Gesellschaftskammer, ein weitgehend machtloses Experten-Gremium zur Lösung nationaler Probleme, beziffert den wirtschaftlichen Schaden durch den Alkoholrausch auf umgerechnet rund 39 Milliarden Euro pro Jahr - etwa für die kostspielige Behandlung von Alkoholkranken. Die Kammer fordert unter anderem, den bisher rund um die Uhr möglichen Einkauf von Spirituosen wie zu Sowjetzeiten einzuschränken und die Preise zu erhöhen.

In der derzeitigen Finanzkrise, so berichten Medien, griffen immer mehr Menschen in Russland zu billigem Alkohol, um ihre Probleme im Rausch zu vergessen. Außerdem befürchten Ärzte, dass die Russen sich im Fall höherer Preise wieder vermehrt mit Industrie-Alkohol, Frostschutzmitteln oder anderen Ersatzstoffen betrinken. (dpa)
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