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14.06.2012 | 07:43 | Gemeinsame Fischereipolitik 

EU-Länder gehen Fischereireform halbherzig an

Luxemburg - Europas Meere sind überfischt. Das wird vorerst auch so bleiben, fürchten Umweltverbände: Denn die EU-Länder haben sie sich zwar auf mehr Schutz für Fische geeinigt. Doch der greift erst in einigen Jahren.

Fischereipolitik
(c) proplanta
Die EU-Länder haben sich auf die Grundzüge einer Reform der gemeinsamen Fischereipolitik geeinigt - schieben die Umsetzung allerdings auf die lange Bank. Nach achtzehnstündigen Verhandlungen lag am Mittwoch ein Kompromiss auf dem Tisch. Die europäischen Fischbestände sollen auf Dauer mit langfristigen Bewirtschaftungsplänen schonender befischt werden. Das umstrittene Verbot, Beifang zurück ins Meer zu werfen, wird nach und nach eingeführt. Umweltverbänden reicht das nicht.

Zwar einigten sich die Minister prinzipiell darauf, spätestens 2020 die Bestände auf einem langfristig ertragreichen Niveau zu bewirtschaften («höchstmöglicher Dauerertrag»). Dafür müssten jedoch erst Daten zum Zustand der Fischbestände vorliegen.

Zwar gebe es tatsächlich «erhebliche Datenlücken», erklärte Karoline Schacht von der Umweltorganisation WWF. «Aber das weiß man schon lange.» Die Fischereiexpertin wirft der EU vor, mit einem Scheinargument ihre Tatenlosigkeit zu rechtfertigen.

Eigentlich sollte ein nachhaltiges Fischereiniveau bis 2015 erreicht werden. Dazu hatte sich die EU beim Umweltgipfel 2002 in Johannesburg verpflichtet. «Statt sich an die selbst gestellten Hausaufgaben zu machen, schneiden die Minister Hintertürchen in die Reform», kritisierte der WWF.

Den jetzigen Kompromiss als Erfolg zu verkaufen, sei schlichtweg unverschämt, sagte die fischereipolitische Referentin von Greenpeace in Brüssel, Saskia Richartz. «Er ermöglicht die Überfischung für weitere acht Jahre.» Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im EU-Parlament, Rebecca Harms, attestierte den Ministern «völlige Kurzsichtigkeit» und eine Verwässerung der Reform.

Auch das von EU-Fischereikommissarin Maria Damanaki vorgeschlagene Verbot, gefangenen Fisch zurück ins Meer zu werfen, wird nur schrittweise umgesetzt, voraussichtlich bis 2018 oder 2019. Die Minister hätten vor einer grundlegenden Verbotsregel zuerst eine Serie von Ausnahmen vereinbart, kritisierte WWF-Expertin Schacht.

Derzeit landet Fisch, der über die Fangquote hinaus gefangen wird, oft tot oder verletzt wieder im Meer. So halten die Fischer zwar ihre Fangquoten ein, die Tiere sterben aber trotzdem. Durch ein sogenanntes Rückwurfverbot sollen diese Beifänge nach dem Plan der EU-Kommission an Land gebracht werden.

Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) zeigte sich teilweise zufrieden: «Auch wenn ich mir noch weitergehende Schritte zum Schutz der Meeresressourcen gewünscht hätte, haben wir dennoch viel erreicht.» EU-Kommissarin Damanaki, die leidenschaftlich für die Reform gekämpft hatte, äußerte sich nach dem Treffen ähnlich: «Dies ist ein Erfolg, weil wir mit so vielen verschiedenen Meinungen umgehen mussten ... [Es] ist ein Kompromiss, aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung.» Greenpeace sieht das anders: «Es ist nur der kleinste gemeinsame Nenner», sagte Richartz.

Die Einigung stand bis zuletzt auf der Kippe. Der französische Ressortchef Frédéric Cuvillier habe noch kurz vor Ende der Verhandlungen mit Präsident François Hollande telefoniert, um sich grünes Licht für den Kompromiss geben zu lassen, sagte ein Diplomat. Frankreich begrüßte den Aufschub des Rückwurfverbots.

Mit der erreichten Einigung gehen die EU-Länder nun in Verhandlungen mit dem EU-Parlament. (dpa)
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