So auch bei der Bilanz zu dem vor einem Jahr verhängten russischen Importverbot für
Agrarprodukte aus der EU. Doch ehe Sawicki am Freitag auf Exportzahlen zu sprechen kam, dankte er erst einmal seinen Landsleuten, die vor einem Jahr binnen kürzester Zeit dem polnischen Apfel zu weltweiter Aufmerksamkeit verholfen hätten.
Über soziale Netzwerke wurde der Verzehr von Äpfeln damals unter dem Hashtag #eatapples kurzerhand zum Aufbegehren gegen den russischen Präsidenten Wladimir
Putin proklamiert. «An apple a day keeps Putin away» («Ein Apfel am Tag hält Putin fern») twitterten nicht nur Tausende Polen. Ein Jahr später liegen weiterhin an vielen Hotelrezeptionen, Kundenzentren von Banken oder Versicherungen Schalen mit Äpfeln aus, Restaurants haben verstärkt Apfelwein auf die Speisekarte genommen, in Supermärkten füllen Cidre-Flaschen die Regale.
Der polnische Apfel wurde zum Symbol des Embargos: Während in Polen bisher 600.000 Äpfel verspeist wurden, wurden vor dem Einfuhrverbot jährlich 677.000 Tonnen Äpfel nach Russland exportiert. Verstärkter Konsum im Land allein war jedoch nicht genug, um die befürchteten Einnahmeverluste für polnische Bauern und Produzenten aufzufangen.
Auch außerhalb Europas gebe es Alternativen, argumentiert Artur Gradziuk in einer Analyse des Polnischen Instituts für Internationale Angelegenheiten. Er verweist auf Saudi-Arabien, Ägypten oder Indien. Käse könne in Japan und Südkorea, aber auch im Nahen Osten neue Abnehmer finden und China oder Südafrika sollten als aussichtsreiche Märkte für polnisches Schweinefleisch umworben werden.
Allein bis Ende Mai verdreifachte sich der Handel mit Agrarprodukten nach Ägypten auf 112 Millionen Euro. Der Verkauf von Weizen nach Saudi-Arabien stieg um 47 Prozent und der Export nach Israel um 44 Prozent. Die Exporte nach Kenia stiegen um das neunfache, nach Tansania um das 28-fache. «Es scheint immer wahrscheinlicher, das wir in diesem Jahr Lebensmittel im Rekordniveau von 25 Milliarden Euro verkaufen», sagte Sawicki nun.
«Die Folgen des Embargos für den Bereich landwirtschaftliche Produkte sind nicht so einschneidend, wie anfangs befürchtet», sagte Bartosz Urbaniak von der Bank BGZ BNP Paribas. Zwar habe das Embargo die Konkurrenz innerhalb der EU deutlich verschärft. Aber gleichzeitig habe die Suche nach neuen Exportmärkten außerhalb der EU an Dynamik gewonnen. In einigen Bereichen sei die Folge des Verlustes des russischen Marktes völlig aufgefangen worden - etwa durch den Verkauf von Milchpulver nach Algerien und Pilzen nach Weißrussland.
Auch im Baltikum, ähnlich wie Polen von Landwirtschaft geprägt und mit engen Handelsbeziehungen nach Russland, wurden die Geschäftspläne überarbeitet, um die Folgen des russischen Embargos aufzufangen. «Die Sanktionen haben einen großen Einfluss auf den estnischen Nahrungsmittelsektor gehabt, aber wir haben es geschafft, in angemessener Weise darauf zu reagieren», meinte Agrarminister Ivari Padar in Tallinn.
Die Regierungen in Tallinn, Riga und Vilnius setzten ähnlich wie Polen auf neue Absatzmärkte, griffen Unternehmen mit Bürgschaften und Exporthilfen unter die Arme. Lettland gewährte sogar Steueraufschub. Hinzu kamen Finanzhilfen aus den Brüsseler EU-Töpfen.
Dennoch machen in der Fleisch- und Milchbranche deutlich sinkende Preise auf den Erzeugermärkten Landwirten und Verarbeitungsbetrieben zunehmend zu schaffen. Vor allem Milchbauern klagen, dass die Preise oftmals nicht mehr die Betriebskosten deckten. In allen drei baltischen Staaten haben Agrarbetriebe ihren Viehbestand reduziert, die Produktion gedrosselt und Beschäftigte entlassen.
Zudem fällt es den baltischen Staaten im Vergleich zu Polen schwer, mit ihren relativ geringen Erntemengen Fuß auf dem Weltmarkt zu fassen. Die Exporte in neue Märkte in Asien, Nordafrika und die arabische Welt sind zudem geringer als die bisherigen Lieferungen nach Russland. Immer mehr Erzeuger flüchten sich deshalb in die Nische und setzen auf ökologischen Landbau und Bioprodukte. (dpa)