Das Flugzeug kam aus Budapest, doch eigentlich stammt die Fracht aus Deutschland. Schwarz-weiße Holstein-Kühe, mit denen das Emirat vor allem ein Ziel verfolgt: Es will in der Krise am Golf seinen Kontrahenten trotzen.
Innerhalb von nur wenigen Monaten soll mitten in der Wüste eine
Milchproduktion mit 4.000 Tieren entstehen.
Auf dem Gelände der Firma Baladna im Ort Al-Chaur knapp 45 Autominuten nördlich von
Doha entstehen derzeit klimatisierte Ställe für die Tiere. Kurz nach Beginn der Arbeiten, Ende Juni, stand Baladna-Vizepräsident Ramis Al Chajat dort und beobachtete, wie sieben Bagger unaufhörlich den harten Boden aufmeißeln. Tack, tack, tack. Der Lärm der Maschinen schmerzt in den Ohren.
Die Arme vor der Brust verschränkt, aufrechte Haltung, Bauhelm auf dem Kopf - in seinem langen weißen Gewand, dem katarischen Thub, sieht Ramis Al Chajat in diesem Moment wie ein Feldheer aus, der seine Truppen inspiziert. Das Thermometer ist auf 45 Grad gestiegen, auch an diesem Tag weht ein Wüstenwind über Katar, der wie ein riesiger Föhn den Sand in die Augen treibt.
Es ist ein ehrgeiziges Vorhaben, das Al Chajat mit zu verantworten hat. Schon jetzt hält das Unternehmen in Al-Chaur mehr als 20.000 Schafe und
Ziegen, aus deren Milch es
Molkereiprodukte herstellt, eine gepflegte Anlage. Insgesamt sollen 1.000 der 4.000 Kühe aus Deutschland eingeflogen werden, die restlichen aus den USA und Australien. «Wir arbeiten sieben Tage die Woche», sagt Al Chajat.
Seine Worte klingen fast trotzig, doch solche Reaktionen sind immer wieder in Katar zu hören. Anfang Juni haben die Golfnachbarn Saudi-Arabien, Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) alle Kontakte zu dem Emirat abgebrochen und die Grenzen geschlossen. Aus Ärger über Katars angebliche Unterstützung für Terrorgruppen und seine guten Kontakte zum schiitischen Iran.
Diese Blockade setzt Katars Wirtschaft unter Druck. Milchprodukte sind dafür ein gutes Beispiel, von denen das Emirat bisher rund 80 Prozent vom großen Nachbarn Saudi-Arabien importierte. Vor allem der Konzern Al-Marai versorgte die katarischen Supermärkte mit Milch, Joghurt und Käse.
Das Logo der Firma ist zwar immer noch als Werbung in Kühlregalen zu sehen - doch seit Saudi-Arabien jeden Export nach Katar untersagt, haben vorerst türkische Milchprodukte die Lücken geschlossen.
Geht es nach Al Chajat, soll aber auch das nur eine vorübergehende Lösung bleiben. «In neun Monaten», prophezeit der Geschäftsmann, «kann sich Katar autark versorgen.» Schon jetzt werben Händler in Doha für einheimische Waren: «Ja zu katarischen Produkten», steht an den Eingangstüren vieler Geschäfte in der Hauptstadt.
Aber selbst wenn Al Chajats Vorhersage eintreten sollte, wäre nur eines der Probleme gelöst, die Katars Wirtschaft drohen. Das Emirat gilt als reichstes Land auf der Erde. Das größte Gasfeld der Welt vor der Küste, das sich Katar mit dem Iran teilt, beschert Einheimischen ein Durchschnittseinkommen von fast 130.000 US-Dollar im Jahr.
Doch Katar, von der Fläche halb so groß wie Hessen, ist deshalb auch verwundbar. Von den Einnahmen aus dem Verkauf des Flüssiggases hängt in dem Land so ziemlich alles ab. Der Wohlstand, der Etat, die Fußball-Weltmeisterschaft 2022, die Katar ausrichten wird.
Rund zwei Drittel seines Flüssiggases liefert Katar mit Tankern nach Asien. Abgefüllt wurde es bisher vor allem im emiratischen Hafen Fudschaira. Die Blockade könnte Katar in Verhandlungen mit seinen Abnehmern in eine schwächere Position bringen, die Einnahmen drücken und seinen Anteil auf dem
Weltmarkt gefährden. Wegen des niedrigen Gaspreises war das Land schon in den vergangenen Jahren gezwungen, einige ambitionierte Infrastruktur-Projekte zurückzufahren.
Auch ansonsten ist Katar vom Ausland abhängig, nicht nur wegen der fast zwei Millionen Arbeiter und Angestellten aus aller Welt, die dort neben den nur rund 300.000 Einheimischen ihr Geld verdienen. Die Handelsketten der Region etwa laufen vor allem über die benachbarten VAE - was Katars Import und Export in der Krise deutlich erschwert.
Ramis Al Chajat aber gibt sich kämpferisch und sagt der Konkurrenz aus der Region den Kampf an. Er will Baladnas Milchprodukte künftig auch exportieren. Die Saudis, stöhnt er, hätten bis zur Blockade den Markt mit billigen Produkten überschwemmt: «Aber was sie verloren haben, werden sie nicht wieder zurückgewinnen.»