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27.04.2009 | 08:46 | Agrarberufe 

Höllerer: "Selbstbewusste Bäuerinnen stärken ländlichen Raum"

Bregenz - Rund 40 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe in Österreich werden mittlerweile von Frauen geführt.

Bäuerin
(c) proplanta
Gerade die jungen Frauen in der Landwirtschaft sind bestens ausgebildet, arbeiten in der Landwirtschaft oder in anderen Berufen. Allerdings wollen viele Frauen erst einmal die Familienplanung abgeschlossen haben, bevor sie bereit sind, Funktionen im öffentlichen Leben zu übernehmen. Schließlich wissen sie um die Verantwortung und den Zeitaufwand, der mit solchen Funktionen verbunden ist. "Agrarwirtschaftliche Belange sind leider immer noch eine Männerdomäne, aber wir arbeiten an der Trendwende und werden Frauen aus dem ländlichen Raum, die das nötige Talent und großes politisches Interesse haben, jedenfalls fördern und unterstützen", erklärte Anna Höllerer, Vorsitzende der ARGE Bäuerinnen in der LK Österreich , anlässlich des Bundesbäuerinnentages 2009 in Bregenz.

"Bäuerinnen überschreiten Grenzen" lautet demnach auch das Motto dieser großen Festveranstaltung mit über 800 Bäuerinnen aus allen Bundesländern. Der Bundesbäuerinnentag wird von der ARGE Bäuerinnen alle zwei Jahre organisiert und findet heuer erstmals in Vorarlberg, auf einem Schiff am Bodensee, statt, wo auch Berufskolleginnen aus den Nachbarländern vertreten sind.
Unter dem Titel "Frauen agrarwirtschaftlich motivieren" (FAM) wurde ein bundesweites Projekt ausgearbeitet. Ziel ist es, dass künftig mehr Bäuerinnen in die Landwirtschaftspolitik hineinwachsen und ihre Interessen wahrnehmen und gewisse Grenzen durchstoßen. Mit diesem Projekt will die ARGE Bäuerinnen allen Frauen in der Landwirtschaft nicht nur verstärkt politische und agrarwirtschaftliche sondern auch Persönlichkeitsbildung vermitteln. "Jede Frau muss wissen, wie sie auftritt und wie sie ihre Anliegen transportiert und daher wollen wir mit dem neuen FAM-Projekt Frauen in ihrem Selbstbewusstsein und vor allem in ihrer Selbstdarstellung stärken, damit sie sich auch selber agrarpolitisch vertreten können und zwar sowohl in der Interessenvertretung als auch in der Gemeinde, im Land und im Bund", unterstrich Höllerer.


Berufsbild und Selbstverständnis der Bäuerin im Wandel

Dass sich das Selbstverständnis der Frauen in der Landwirtschaft in den letzten zehn bis 15 Jahren verändert hat, zeige auch die jüngste Bäuerinnenbefragung des Österreichischen Institutes für Familienforschung der Universität Wien. Laut dieser im Auftrag der ARGE Bäuerinnen alle zehn Jahre durchgeführten Studie sei die wachsende Betriebsverantwortung ein zentrales Ergebnis. Befragt wurden 1.166 Bäuerinnen zwischen 23 und 83 Jahren aus allen Bundesländern. Neben der wachsenden Betriebsverantwortung habe sich zudem der Anteil jener Frauen verdoppelt, die allein für Entscheidungen im Betrieb verantwortlich sind und auch die alleinige Zeichnungsberechtigung für das Betriebskonto besitzen. Die Verantwortung der Bäuerin werde hier sozusagen auch nach außen hin sichtbar. Die Bäuerin erlebe heute zwar eine deutliche Kompetenzerweiterung, jedoch innerhalb der Familie sind nach wie vor die Frauen für alle Arbeiten mit "emotional-fürsorglichen Charakter" verantwortlich. 

 
Gelebte Partnerschaft - wesentliche Voraussetzung für Betriebserfolg

Ganz wesentlich und zwar im Hinblick auf die vielfältigen Aufgabenbereiche der Bäuerinnen im Betrieb, Haushalt und Familie und der damit verbundenen Arbeitsbelastung ist die partnerschaftliche Arbeit im Betrieb und im familiären Bereich. "Eine funktionierende Partnerschaft ist Voraussetzung für eine Arbeitsentlastung. Hinzu kommt da natürlich auch die Bereitschaft und Einsicht, dass man sich bei Bedarf auch fremde Hilfe von außen holt, wenn es nötig ist", verwies Höllerer einmal mehr auf den großen Handlungsbedarf, der auch hier in den Ergebnissen der Bäuerinnenbefragung deutlich zum Ausdruck kommt.

Demnach haben die befragten Bäuerinnen in ihrer eigenen Prozentschätzung angegeben, dass sie 88% der anfallenden Haushaltstätigkeiten übernehmen, der Partner nur 4 % bzw. eine andere Person (8%). Die Kinderbetreuung liege zu 77% in ihrer Hand und schließlich auch zu 78 % die Pflege kranker und alter Familienangehöriger. Auch in den meisten anderen Bereichen würden Bäuerinnen den größten Teil der anfallenden Arbeit erledigen und zwar meistens deutlich mehr als die Hälfte. Nur im Bereich der Feld- und Außenarbeit leiste der Partner mit 57 % den Großteil der Arbeit und dies gelte für junge wie für alte Bauernpaare. Auf eine ähnliche Frage, nämlich wer für jeden dieser Bereiche "hauptsächlich zuständig" sei, hätten die Bäuerinnen oft angegeben, "ich gemeinsam mit Partner": Die Bäuerinnen würden demnach eine partnerschaftliche Verantwortung auch dort sehen, wo sie de facto mehr arbeiten.

Im bäuerlichen Alltag bedeute dies, dass die Frauen in vielen Betrieben den Großteil der Arbeit übernehmen, dies gelte nicht nur für traditionell "typisch weibliche Haushalts- und Familienarbeiten" sondern auch für alle administrativen Tätigkeiten und schließlich für die Pflege kranker und/oder alter Familienangehöriger.


Balance zwischen Betriebswirtschaft und Lebensqualität

Neben guter Ausbildung und laufender Weiterbildung ist vor allem auch die soziale Kompetenz eine notwendige Voraussetzung für den Erfolg eines bäuerlichen Familienbetriebes.

"Nur eine gute Balance zwischen Betriebswirtschaft und Lebensqualität sichert den Betriebserfolg und daher arbeiten wir an Programmen, die zum Bewusstwerden dieser Notwendigkeit beitragen können, denn schließlich erfordert die erfolgreiche Führung eines bäuerlichen Unternehmens auch ein gutes Maß an sozialer Kompetenz", ergänzte Höllerer. Durch diese Vielfalt an Aufgaben, die Bäuerinnen tagtäglich zu bewältigen haben, beurteilten 66 % ihren Gesundheitszustand weniger positiv als die die "Durchschnitts-Österreicherin" und rund 39 % haben angegeben, dass sie noch nie mindestens eine Woche im Jahr auf Urlaub waren.

Wie die Befragung vor Augen geführt hat, zeige sich große Unzufriedenheit nicht ausschließlich im Zusammenhang mit der hohen Arbeitsbelastung der Bäuerinnen oder in der Beschaffenheit der Arbeit selbst, sondern vor allem in einer mangelnden Be- und Entlohnung für die geleistete Arbeit, als auch in der gebührenden gesellschaftlichen Anerkennung ihrer Arbeit. Zudem komme sehr deutlich zum Ausdruck, dass das Zusammenleben von jung und alt in Haus und Hof für viele Bäuerinnen nach wie vor eine große Belastung darstellt: 40 % leben mit mindestens einem Schwiegerelternteil und 28 % mit einem Elternteil zusammen. Besonders präsent ist die Schwiegermutter, sie lebt bei 35 % am selben Hof und gerade dieses Zusammenleben mit den Schwiegereltern werde von 59 % der befragten Bäuerinnen als belastend empfunden.


Gutes Miteinander am Bauernhof entscheidend

Alle Menschen haben individuelle Bedürfnisse - das gilt natürlich auch für alle Bäuerinnen. Es ist daher notwendig, dass sich eine Bäuerin von der Arbeit am Hof und im Haushalt etwas freispielen kann. Ein bisschen "weg vom Bauernhof" eröffnet neue Perspektiven und fördert die Zufriedenheit mit dem Beruf. So gesehen ist das bundesweit durchgeführte Projekt ´Lebensqualität am Bauernhof´ also keine leere Worthülse, sondern eine Werthaltung, die für den Fortbestand des Betriebes ausschlaggebend ist. Gerade am Bauernhof ist ein positives Betriebsklima besonders wichtig, weil hier eben das Familienleben und der Alltag ineinander übergehen und somit den menschlichen Beziehungen ein besonders hoher Stellenwert zukomme.
 
"Ein gutes Miteinander ist nun einmal auch eine wichtige Voraussetzung, um Körper und Seele gesund zu erhalten. In vielen Fällen tut ein wenig Abstand vom Bauernhof gut und ein Blick von außen kann helfen, die Werte des eigenen Betriebes und des Miteinanders am Bauernhof besser zu erkennen. Ziel muss es sein, dann man mit bedrückenden Gefühlen eben so umzugehen lernt, dass sie die Freude im Alltag nicht beeinträchtigen können. Schließlich ist in vielen bäuerlichen Familien das lebendige Miteinander sowohl für den Betriebserfolg als auch für den Fortbestand des Hofes ausschlaggebend", verweist die Bundesbäuerin auf die entsprechenden Angebote der Arbeitsgemeinschaft Österreichische Bäuerinnen im Rahmen des Projektes "Lebensqualität am Bauernhof". (lk at)
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