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03.07.2013 | 05:09 | Klimapolitik 

Neuer Anlauf für Reform des CO2-Handels

Straßburg - Zweiter Versuch, letzte Chance: Die Reform des schwächelnden CO2-Handels steht erneut zur Abstimmung im EU-Parlament. Die Chancen der Befürworter sind gut, doch Reformgegner wollen nicht aufgeben. Nach dem Votum müsste die Bundesregierung wohl Farbe bekennen.

CO2-Handel
(c) Vitaly Krivosheev - fotolia.com
Was für eine schwierige Geburt: Seit einem Jahr streiten Brüsseler EU-Politiker nun über eine Reform des kriselnden CO2-Handels. Ja oder Nein zu mehr Klimaschutz durch teurere Verschmutzungsrechte? Nein, sagte das Europaparlament im April mit knapper Mehrheit. An diesem Mittwoch soll das Straßburger Plenum doch noch Ja sagen, wenn es im zweiten Anlauf über den Reformschritt von EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard abstimmt. Die Zeichen stehen günstig: Einige Christdemokraten sind vom Reformgegner zum Befürworter umgeschwenkt, nachdem sie einen Kompromiss mit Sozialdemokraten und Liberalen gefunden haben.

Der Reformschritt heißt Backloading - ein abstraktes Wort, das für Zündstoff sorgt. Hierbei soll die Ausgabe von 900 Millionen CO2-Verschmutzungsrechten um Jahre nach hinten verschoben werden - daher das englische Wort Backloading. Durch die verspätete Ausgabe und das verknappte Marktangebot soll der CO2-Preis anziehen - womit sich Investitionen in klimaschonende Technik wieder lohnen könnten, so das Kalkül der EU-Kommission. Beim Emissionshandel muss Europas Industrie Rechte zum Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) für ihre 12.000 Fabriken vorlegen.

Derzeit dümpelt der Preis bei etwa 4 Euro pro Tonne CO2 herum. Angedacht hatte die EU-Kommission einst 30 Euro. So ein knackiger Preis hätte Firmen praktisch dazu gezwungen, in klimaschonende Technik zu investieren. Doch diese Lenkungswirkung blieb aus - in der Krise fuhr Europas Industrie seine Produktion zurück, der Preis für CO2-Rechte brach ein. Und so kam es, dass Energiekonzerne wie RWE mit  klimaschädlichen Kohlekraftwerken weiter gute Geschäfte machten. Anstatt teure Investitionen zu tätigen, kauften sie lieber billige Verschmutzungsrechte.

Der Europaparlamentarier Matthias Groote (SPD) will diese Misere beenden. Groote gilt in der Klimaschutz-Debatte als Mann der Mitte, über den sowohl Umweltschützer als auch Industrievertreter warme Worte finden. Der Deutsche ist Berichterstatter des Parlaments und damit zentraler Ansprechpartner zum Backloading. Doch sein Bericht scheiterte im April überraschend im Plenum. Anstatt wie gewünscht Verhandlungen mit Vertretern von EU-Staaten anzufangen, musste Groote nachsitzen. Im Umweltausschuss suchte er einen neuen Kompromiss.

Dieser Kompromiss liegt nun zum Votum vor. Laut Papier gibt das EU-Parlament zwar grünes Licht für Backloading, schwächt es zugleich aber ab. Die zurückgehaltenen CO2-Rechte sollen nicht erst 2019 und 2020 freigegeben werden, sondern wohl schon von 2016 an. Damit fiele die Verknappung schwächer aus als gedacht. Im Juni votierte der Umweltausschuss dafür und machte damit die Bahn frei für das zweite Plenarvotum. «Der Emissionshandel lebt», sagte Groote erleichtert.

Ganz sicher ist aber noch nicht, ob das Reformvorhaben das Straßburger Plenum «lebend» passiert oder doch den Todesstoß versetzt bekommt. Altgediente Reformgegner machen sich bereit für den rhetorischen Angriff. Das zweite Plenarvotum sei «idiotisch», schimpft der CDU/CSU-Chef im Parlament, Herbert Reul, im Gespräch mit dpa Insight EU. Der CO2-Handel sei ein Marktinstrument, in dem die Politik nicht willkürlich herumpfuschen dürfe.

Der geplante EU-Klimafonds, der sich laut Parlamentspapier aus Teilerlösen des Emissionshandels speisen soll, sei unrealistisch. Schließlich könnten Finanzminister dann nicht mehr frei über die Einnahmen aus dem Emissionshandel verfügen. «Da macht doch kein Mitgliedstaat mit», sagt Reul.

Noch heftiger ist das Kopfschütteln bei Reuls finnischer Fraktionskollegin Eija-Riitta Korhola. Kompromisse seien bei dem Thema unmöglich, sagt die Reformgegnerin. «Backloading ist wie Schwangersein - entweder ja oder nein. Jein geht halt nicht.»

Die Bundesregierung dürfte das Backloading-Votum aufmerksam verfolgen. Denn danach müsste Schwarz-Gelb wohl Farbe bekennen, wenn der Rat als Organ der Mitgliedstaaten zustimmen muss. Das Kohleland Polen bekundet unverdrossen Ablehnung, Frankreich ist dafür. Deutschland ist noch ohne Position. Während Umweltminister Peter Altmaier (CDU) im Sinne des Klimaschutzes dafür ist, ist Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) aus Sorge um Ballast für die Industrie dagegen.

Aus dessen Ministerium sind trotzige Töne zu vernehmen, wonach gegen Backloading «gekämpft» werden solle. Soll wohl heißen: Selbst wenn Straßburg grünes Licht gibt, ist für Reformgegner die Schlacht zum Backloading noch nicht verloren. (dpa)
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