Vorsprung durch Wissen
schließen x
Suchbegriff
Rubrik
 Suchen
Das Informationszentrum für die Landwirtschaft
01.06.2016 | 02:29 | Fleischwarenfirma 
Diskutiere mit... 
   1   2

Nach Listerien-Fund: Fleischfirma klagt gegen Produktionsverbot

Geretsried - Die Fleischwarenfirma Sieber geht nach dem Fund gesundheitsgefährdender Bakterien in Wurstwaren gerichtlich gegen das behördlich angeordnete Produktionsverbot vor.

Belastete Wurstwaren?
Hunderte Tonnen Wurstwaren müssen vernichtet werden, weil in Produkten der Firma Sieber gesundheitsgefährdende Bakterien gefunden wurden. Der Inhaber erhebt nun Vorwürfe gegen die Behörden. (c) proplanta
Es sei Klage gegen den Freistaat Bayern eingereicht worden, sagte der Inhaber Dietmar Schach am Dienstag am Firmenstandort im oberbayerischen Geretsried. Zuvor waren in Proben gesundheitsgefährdende Listerien gefunden worden.

Der Rückruf sämtlicher Waren und die Werksschließung seien politisch motiviert. Es werde der Versuch unternommen, «an einem Betrieb ein Exempel zu statuieren», um von behördlichen Versäumnissen abzulenken, kritisierte der 51-Jährige. Er bezifferte den täglichen Schaden für sein Unternehmen auf 100.000 Euro.

Insgesamt mehrere Hundert Tonnen Ware müssten vernichtet werden. Die Staatsanwaltschaft München II leitete unterdessen Vorermittlungen gegen die Firma ein. «Wir prüfen den Sachverhalt», sagte Oberstaatsanwalt Ken Heidenreich.

Das Landratsamt in Bad Tölz hatte am Freitag angeordnet, dass sämtliche Sieber-Produkte in Deutschland und dem benachbarten Ausland aus den Ladentheken sowie in Flughäfen und Großkantinen zurückgerufen und vernichtet werden müssen. Das Unternehmen beliefert nach seinen Angaben die Ketten Lidl, Norma, Rewe und Penny, nicht jedoch Aldi. Außerdem verhängte die Behörde ein Betriebs- und Vertriebsverbot für die Großmetzgerei mit 120 Beschäftigten.

Eine Ansteckung mit Listerien kann bei Kleinkindern und Menschen mit einem geschwächten Immunsystem zu starkem Durchfall und Fieber führen. Bei Gesunden verläuft die Listeriose genannte Krankheit meist harmlos.

Firmeninhaber Schach äußerte den Verdacht, dass sein Unternehmen durch die staatlich angeordneten Sanktionen dafür missbraucht werde, politisch vorzeigbare Erfolge im Kampf gegen Lebensmittelskandale zu erzielen. Er nannte auf Nachfrage die Versäumnisse bei Bayern-Ei.

Das bayerische Verbraucherschutzministerium wies die Vorwürfe zurück: «Die zuständigen Behörden handeln konsequent zum Schutz der Verbraucher», erklärte ein Sprecher. «Auch für Betriebe einschneidende Maßnahmen werden zum Schutz der Verbraucher ergriffen, wenn sie rechtlich zulässig und erforderlich sind.» Die Behörden hätten die erforderlichen Maßnahmen ergriffen, betonte der Sprecher und ergänzte: «Der Rückruf wird amtlich überwacht. Außerdem wurden weitere Proben genommen, die noch ausgewertet werden. Die weitere Aufklärung der Lieferwege läuft.»

Seit Montag wurden nach Schachs Worten auf einer Unternehmens-Hotline an die 1.000 Anrufe mit Fragen vor allem zu Gesundheitsgefahren und der Erstattung bereits gekaufter Produkte beantwortet. «Wir setzen alles daran, die Dinge im Interesse aller Kunden umzusetzen», sagte der Firmenchef. Er entschuldigte sich bei seinen Handelspartnern und den Verbrauchern für Unannehmlichkeiten der Rückrufaktion und mögliche Ängste, «die sie nach dem Verzehr unserer Waren hatten».

Er verwies darauf, dass rund 45 im Unternehmen genommene Proben frei von gesundheitsgefährdenden Listerien seien. «Es gibt bis jetzt keine gesicherten Erkenntnisse, wann und wo Keime in unser Unternehmen hineingetragen wurden», sagte Schach. Allerdings wurden vor Ostern in einem Schweinefleisch-Produkt von Sieber im Nürnberger Land Listerien nachgewiesen. Der Grenzwert wurde dabei um das Zehnfache überschritten.

Bei daraufhin veranlassten verstärkten Proben in Kaufhausregalen waren fünf Produkte mit Listerien belastet. Nach Schachs Worten wurden dabei die behördlich vorgeschriebenen Grenzwerte eingehalten.

«Dass auf dieser Tatsachenbasis das gesamte Produktsortiment zurückgerufen werden muss, ist einmalig», kritisierte der Firmenchef. Zur Zukunft seines Unternehmens sagte er: «Ich weiß es nicht.» Er arbeite an einem Konzept zur Rettung der Firma.

Nach Angaben des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) in Erlangen wurden seit 2012 in Deutschland Listeriosen mit einem bestimmten Muster beobachtet. Diesem Ausbruch könnten möglicherweise bis zu 80 Erkrankungsfälle mit dem Schwerpunkt Baden-Württemberg und 22 Fälle in Bayern zugeordnet werden. Acht der erkrankten Personen starben, bei vier von ihnen wird die Listeriose als hauptsächliche Todesursache angesehen. Ob die Todesfälle auf Sieber-Produkte zurückgehen, ist unklar.

Das Robert-Koch-Institut (RKI) vermutet, dass das Sieber-Produkt «Original Bayerisches Wammerl» in Zusammenhang mit dem Listeriose-Ausbruch in Süddeutschland von 2012 an bis heute steht. So kam es erst zur Verzehrwarnung durch das bayerische Verbraucherschutzministerium und schließlich zum Rückruf der Ware.

Die vier Toten aus Bayern waren alle deutlich über 50 Jahre alt. Der jüngste war mit 59 Jahren ein Mann aus Schwaben, die älteste eine 88-Jährige aus Schwaben. Sie ist nach den LGL-Angaben auch die einzige, die tatsächlich an den Folgen Listeriose-Erkrankung starb. Die weiteren Opfer sind eine 83 Jahre alte Frau aus Niederbayern und ein 69 Jahre alter Mann aus Oberbayern. Sie und der 59-Jährige starben aufgrund anderer Ursachen. Im Fall der 83-Jährigen sei die Todesursache «nicht ermittelbar», so das LGL.
dpa
zurück
Seite:123
weiter
Kommentieren Kommentare lesen ( 1 )
weitere Artikel

Status:
Name / Pseudonym:
Kommentar:
Bitte Sicherheitsabfrage lösen:


Kommentare 
cource schrieb am 01.06.2016 07:43 Uhrzustimmen(190) widersprechen(174)
listerin in der wurst und im käse, salmonellen in den eiern als neue sterbehilfeinstrument
  Weitere Artikel zum Thema

 Aldi Süd: Auch Rindfleisch nur noch aus höheren Haltungsformen

  Kommentierte Artikel

 Erleichterungen bei GAP-Anträgen und Hanfanbau

 In der Corona-Pandemie wurden zu oft Antibiotika verschrieben

 Jäger sehen dringenden Handlungsbedarf bei Umgang mit Wölfen

 Söder setzt sich gegen Verbrenner-Aus ab 2035 ein

 2023 war Jahr der Wetterextreme in Europa

 Wind- und Freiflächen-Solaranlagen: Niedersachsen führt Abgabe ein

 Keine Reduzierung beim Fleischkonsum durch Aufklärung

 Größter Solarpark von Rheinland-Pfalz eröffnet

 Gipfelerklärung der EU setzt auf Lockerungen für Landwirte

 Grundwasser in Bayern wird weniger