"Es sind die schlimmsten Befürchtungen eingetreten", sagte der Geschäftsführer der Landesvereinigung der Milchwirtschaft Nordrhein-Westfalen, Reinhard Pauw, in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa. Zurzeit bekämen die Landwirte in seinem Bundesland für ihre Milch im Schnitt rund 25 Cent netto je kg. In Norddeutschland bewegten sich die Preise, die die Molkereien zahlen, schon Richtung 20 Cent. Damit sei das Niveau der Erlöse derzeit um ungefähr ein Drittel niedriger als vor den Bauernprotesten vom Frühsommer 2008.
Bei den wochenlangen Bauernprotesten im Mai und Juni 2008 lieferte ein Teil der Landwirte keine Milch mehr an die Molkereien. Vereinzelt kam es auch zu Blockaden von Molkereien. Große Handelskonzerne hoben auf Druck der Bauern die Milchpreise an. Die nachgebesserten Verträge der Molkereien mit den Handelsriesen liefen aber schon nach wenigen Monaten wieder aus. Im November 2008 begannen Handelskonzerne mit umfangreichen Preissenkungen bei Milchprodukten. Neben Milch, Butter und Schlagobers wurde inzwischen auch Käse für die Verbraucher billiger. "Für die Konsumenten in Deutschland ist Butter derzeit so billig wie im Jahr 1948", verdeutlichte Pauw den Preissturz.
Der Preisverfall sei existenzgefährdend. "25 Cent je kg reichen nicht einmal, um die Produktionskosten zu decken. Davon kann man nicht leben und erst recht nicht investieren", gab Pauw zu bedenken. Wenn der Auszahlungspreis der Molkereien nicht bald steige, könnten sich viele Landwirte so in ihrer Existenz bedroht sehen, dass sie sich zur Aufgabe der Milcherzeugung entscheiden.
Die angespannte wirtschaftliche Situation der Milchbauern ergebe sich aus vielen Negativfaktoren. "Der
Milchmarkt ist übervoll. An dieser Situation hat sich seit dem Jahreswechsel nichts geändert", erläuterte der Geschäftsführer. Die Exporte der deutschen Milchwirtschaft liefen schlecht, weil auf dem Weltmarkt für Milchprodukte große Konkurrenten auf dem Vormarsch seien. "Die USA exportieren mehr als jemals zuvor", schilderte Pauw. Hinzu komme in Deutschland der Konkurrenzkampf der Handelskonzerne, die das Überangebot an Milch für Preissenkungen nutzten. Zu den größeren Mengen am Markt trage auch noch der saisonale Anstieg der
Milchproduktion bei.
Sonnleitner: Molkereien müssen sich besser aufstellenDer Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Gerd
Sonnleitner, erklärte am Wochenende in einem Interview, man sollte sich realistischerweise darauf einstellen, dass die
Milchquote im Jahr 2015 in Europa weg sein werde. "Deshalb müssen wir die Zeit jetzt nutzen, um im klassischen Wettbewerb zurecht zu kommen. Dazu müssen sich auch unsere Molkereien besser aufstellen", sagte Sonnleitner. Ebenso seien benachteiligte Regionen in ihrer Wettbewerbskraft durch flankierende Maßnahmen wie zum Beispiel die Ausgleichszahlungen zu stärken. (aiz)