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29.01.2023 | 06:24 | Tierhaltungslogo 

Milchbranche sieht staatliche Tierhaltungskennzeichnung mit Skepsis

Berlin - Nach der geplanten Einführung bei Schweinen soll die staatliche Tierhaltungskennzeichnung und der Umbau der Tierhaltung auf weitere Tierarten ausgeweitet werden.

Tierhaltungskennzeichnung
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Rukwied und Schmal fordern verlässliches Gesamtkonzept nach dem Borchert-Plan - Laut Nick führt an mehr Nachhaltigkeit und Tierschutz kein Weg vorbei. (c) proplanta
Dies löst auf Seiten der Milchwirtschaft wegen der Schwächen des staatlichen Zeichens mehrheitlich Besorgnis aus. Dies wurde beim Fachforum Milch des Deutschen Bauernverbandes (DBV) zum Thema Tierwohl auf der Internationalen Grünen Woche (IGW) in Berlin am Montag (23.1.) deutlich. DBV-Präsident Joachim Rukwied betonte dabei, dass die Milchviehhalter schon viel für die Nachhaltigkeit und das Tierwohl getan hätten und die Entwicklung nicht stehen bleibe.

„Unsere Milchviehhalter sind bereit diesen Weg zu gehen, er muss sich aber auch ökonomisch gehen lassen“, so der DBV-Präsident. Milchpräsident Karsten Schmal betonte, die Landwirte stünden zu den Ergebnissen der Borchert-Kommission, befürworteten also den angestrebten Umbau der Tierhaltung. Dies gelte aber nur, wenn alle Elemente der Vorschläge als stimmiges Gesamtkonzept umgesetzt würden. Nur dann sei gewährleistet, dass den Tierhaltern die notwendige Verlässlichkeit geboten werde. Vor allem eine ausreichende und langfristige finanzielle Ausstattung sei von elementarer Bedeutung, so Schmal.

Bei der Tierschutztransport-Verordnung und dem Tierarzneimittelgesetz müssten aktuell die Tierhalter und auch die Tierärzte mit sehr kurzfristigen und zum Teil widersprüchlichen Vorgaben umgehen, die auf zeitlich überhasteten Gesetzgebungsprozessen beruhten. „Der noch wesentlich komplexere Umbau der Tierhaltung muss sauber ausgearbeitet werden, wenn er nicht zum Misserfolg werden soll“, mahnte Schmal. Dafür seien deutliche Nachbesserungen beim Tierhaltungskennzeichnungsgesetz, bei der Änderung des Baugesetzbuches sowie beim Bundesförderprogramm notwendig.

Weniger Tiere mit besserer Haltung

Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium, Dr. Ophelia Nick, erklärte, dass das Berliner Agrarressort angetreten sei, um „Bedingungen für eine nachhaltigere Land- und Ernährungswirtschaft zu schaffen“. Hierzu gehöre auch, dass „weniger Tiere besser gehalten“ werden müssten, damit man langfristig Mensch, Tier, Natur und Klima gerecht werde.

Für die Transformation der Tierhaltung sei ein Gesamtkonzept vorgelegt worden, mit dem „die Änderungsbereitschaft der Landwirte wirkungsvoll unterstützt“ und über langfristige Finanzierungshilfen Planungssicherheit gegeben werde. „Wir wollen die Tierhaltung zukunftsfest aufstellen und dass die Landwirte ihre Betriebe wirtschaftlich erfolgreich führen können“, so Nick. Die Tierhaltungskennzeichnung sei dabei ein wichtiger Baustein, um die von den Verbrauchern gewünschte Transparenz zu gewährleisten. Wann diese bei Rindern komme, stehe jedoch noch nicht fest, da es für Rinder noch keine detaillierten Regeln für die Haltung gebe.

Fehler nicht wiederholen

Geht es nach dem Leiter des Milcheinkaufs der Molkerei Zott, Christian Schramm, sollte die staatliche Haltungskennzeichnung am besten gar nicht kommen. Der Gesetzentwurf habe in den Unternehmen „Ärger ausgelöst“, berichtete der Zott-Manager. Es müssten nämlich von den heimischen Betrieben höhere Anforderungen geschultert werden, die ausländische Wettbewerber wegen fehlender Kennzeichnungspflicht nicht leisten müssten.

Das bekannte und erfolgreiche private Haltungskennzeichnungssystem drohe nun durch die staatlichen Aktivitäten verdrängt zu werden. Die hohe Kontrolldichte im In- und Ausland bei Teilnehmern der von der Wirtschaft getragenen Haltungskennzeichnung könne das staatliche Label nicht leisten. Schramm bemängelte zudem, dass ein „Downgrading“ nicht möglich sei, also Ware aus einer „besseren“ Haltungsstufe in einer „geringeren“ zu verkaufen. „Die Konstruktionsfehler bei Schweinen dürfen sich bei der Milch nicht wiederholen“, warnte der Manager.

Klimaschonende Milcherzeugung

Der Milcherzeuger Markus Driehsen vom Niederrhein befürchtet durch die neue Haltungskennzeichnung vor allem mehr Bürokratie, Dokumentation und Kosten. Als Direktvermarkter, bei dem die Kunden über den Produktionsprozess informiert seien, brauche er die staatliche Kennzeichnung nicht. Das würden auch seine Berufskollegen so sehen, berichtete Driehsen. Der Milcherzeuger kritisierte zudem das Bestreben des Ministeriums, Tierbestände in Deutschland aus Nachhaltigkeits- und Klimaschutzgründen abzubauen.

Ihm zufolge ist der Fußabdruck der Milcherzeugung hierzulande aber mit 1,15 kg CO2-Äquivalent nicht einmal halb so hoch wie der weltweite Durchschnitt von 2,5 kg. Es sei absolut unverständlich, die Milchkuhbestände an unserem Gunststandort abzubauen, damit sie an Standorten mit höherer Klimabelastung aufgebaut würden. Laut Driehsen haben sich auch das Tierwohl der Rinder und der Kuhkomfort auf den Höfen spürbar verbessert, wobei moderne Technik geholfen hat.

Förderung wichtiger als Kennzeichnung

Der Leiter des Fachgebiets Internationaler Agrarhandel und Entwicklung der Berliner Humboldt-Universität, Prof. Harald Grethe, sprach sich für eine „Koexistenz“ mit der von der Wirtschaft organisierten Tierhaltungskennzeichnung aus. Die staatliche Kennzeichnung könne durch gesetzliche Vorgaben auf Marktsegmente wie Verarbeitungsware und den Außer-Haus-Bereich ausgeweitet werden, was der Haltungsformkennzeichnung bisher nicht richtig gelungen sei. Der Staat brauche die Wirtschaft hingegen für die Umsetzung der Kennzeichnung, da diese bei den Kontrollen - insbesondere im Ausland, aber auch bei Kriterien wie der Tiergesundheit - überlegen sei.

Die Haltungskennzeichnung, so Grethe, sei zudem nur ein Baustein des Tierwohlumbaus, um bei etwa 20 % bis 30 % der Konsumenten die Zahlungsbereitschaft an der Kasse einzusammeln. Wichtiger für den Erfolg der Transformation sei eine langfristige Förderung der Umstellungsbetriebe, die so ausgestaltet sein müsse, dass hinreichend Umbauanreize gesetzt würden. Dem dürften deshalb zu geringe Bestandsobergrenzen bei der Förderung nicht entgegenstehen.
AgE
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