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04.03.2012 | 20:04 | Tag des Artenschutzes 

NABU-Atlas zeigt beschämendes Bild des Arten- und Naturschutzes

Berlin - Zum Internationalen Tag des Artenschutzes hat der NABU eine aktuelle Analyse des Zustandes des Natur- und Artenschutzes in Deutschland veröffentlicht.

Artenvielfalt
(c) proplanta
Erstmals zeigt ein Atlas das bundesweite Bild des Artenschutzes und macht besonders schützenswerte Vogelarten und seltene Lebensräume sichtbar.

„Das Ergebnis ist beschämend. Die Untersuchung zeigt, dass das Vorzeigeland Deutschland in Sachen Artenschutz den eigenen vollmundigen Bekundungen oft hinterher hinkt.

Tatsache ist: Allein durch Gesetze und die Ausweisung von Schutzgebieten werden keine Arten und Lebensräume gerettet. Es braucht vor allem die Finanzierung der Arbeit für den Erhalt der biologischen Vielfalt, sonst ist das akute Artensterben nicht zu stoppen", sagte NABU-Präsident Olaf Tschimpke.

In keinem Bundesland stehen die Ampeln für einen erfolgreichen Arten- und Biotopschutz auf Grün, das hatte schon eine Analyse der Umweltverbände BUND und NABU im Jahr 2010 ergeben. Auch 20 Jahre, nachdem sich die EU-Mitgliedstaaten mit der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie zu mehr Anstrengungen im Naturschutz verpflichtet haben, gibt es nur in Einzelfällen beeindruckende Erfolge, etwa bei Otter, Biber, Uhu, Kranich oder Wolf.

Die Gesamtschau zeigt dagegen, dass der Zustand vieler Sorgenkinder der Artenvielfalt immer noch besorgniserregend ist", erklärte Tschimpke. So drohen der Große Brachvogel, der Kiebitz und das Rebhuhn zu verschwinden.

„Der Natur- und Artenschutz muss viele Versäumnisse der Vergangenheit reparieren. Umso dringender ist es, dass wir heute nicht noch weitere Fehler machen", betonte Tschimpke.

So fordert der NABU von Bund und Ländern auch konkrete Maßnahmen zum Schutz von Arten und Lebensräumen, die noch nicht akut bedroht sind. Doch für zahlreiche Arten veröffentlichen die Bundesländer ihre Untersuchungen nicht und erschweren so zusätzlich effektiven Arten- und Biotopschutz, wie die NABU-Analyse auf der Basis der öffentlich erhältlichen Daten und Expertenbefragungen zeigt.

Bereits 2007 hatte die Bundesregierung mit der Nationalen Strategie zur Biologischen Vielfalt ein Paket mit 330 Zielen und rund 430 Maßnahmen verabschiedet. Doch immer noch gibt es in den meisten Bundesländern keine konkreten Handlungsanleitungen zum Schutz der Vielfalt an Arten, Lebensräumen und genetischem Erbe der Natur. Lediglich in Berlin und Thüringen wurden Strategien verabschiedet und sind für 2012 in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen geplant.

Zwar sieht die Entwicklung des europäischen Schutzgebietsnetzwerks Natura 2000 zunächst vielversprechend aus: In 20 Jahren hat Europa auf fast 20 Prozent seiner Flächen dem Natur- und Artenschutz besondere Bedeutung eingeräumt, Deutschland allein im europäischen Schutzgebietsnetzwerk Natura 2000 immerhin 15,4 Prozent der Landfläche.

„Eine große Leistung, die ohne die Arbeit der Bundesländer unmöglich gewesen wäre", lobte der NABU-Präsident. Auch die Aufstellung von Managementplänen für die Gebiete mache Fortschritte. „Doch der Teufel liegt im Detail und bei der konkreten Umsetzung", kritisierte Tschimpke. So würden beispielsweise im Waldnaturschutz oft nur die bestehenden Bewirtschaftungsplanungen der Forstbetriebe fortgeschrieben und als EU-konformes Management deklariert.

„Das heißt Defizite wie fehlendes Totholz, ungenügender Schutz alter Baumbestände und fehlende Vernetzung von Lebensräumen bleiben unangetastet und bekommen nur ein grünes Mäntelchen."

Es fehlt vor allem an der Finanzierung, um Natura 2000 für den effektiven Schutz von Arten und Biotopen einzusetzen, analysierte der NABU. Bislang wird nur ein Bruchteil der dafür EU-weit nötigen sechs Milliarden Euro jährlich aufgebracht, in Deutschland würden jährlich rund 620 Millionen Euro gebraucht. Besonders peinlich: Bislang legt kein Bundesland die für den Arten- und Naturschutz verwendeten Mittel transparent offen.

„Mit dieser Geheimhaltung macht sich Deutschland lächerlich. Denn von den Entwicklungsländern fordern wir als Bedingung für weitere Mittel, dass sie klar und transparent beziffern, wie viel Geld sie für den Schutz ihrer biologischen Vielfalt ausgegeben - aber zuhause sind Bund und Länder dazu selbst nicht bereit", kritisierte Tschimpke.

Mit der mangelnden Finanzierung würden auch große wirtschaftliche Chancen vertan. „Mit einer Reform der EU-Subventionen könnte Natura 2000 kurzfristig 130.000 neue Jobs in Europa schaffen. Es sollte doch möglich sein, drei Prozent des EU-Budgets für den Natur- und Artenschutz zu reservieren - und nicht immer weiter mehr als das Zehnfache davon für Agrarsubventionen zu verpulvern, die unsere Natur belasten und deren Produkte immer mehr Verbraucher ablehnen", appellierte Tschimpke an die Bundesregierung ihren Einfluss in Brüssel geltend zu machen. (nabu)
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