In den Kellern reift der Wein, in den Weinbergen laufen erste Vorbereitungen für den Rebschnitt. Dagegen gärt ein weinbaupolitisches Thema munter weiter: Die geplante Reform der EU- Weinmarktordnung. Hieß es zunächst, der Gesetzentwurf liege Ende Januar in Brüssel auf dem Tisch, sieht es nun laut Experten eher danach aus, dass die Vorlage nicht mehr während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft fertig wird. Die EU-Kommission will die Förderung für den Sektor rigoros umkrempeln und so europäischen Wein im Wettbewerb mit Übersee-Produkten konkurrenzfähiger machen.
Rund 1,4 Milliarden Euro fließen nach den Worten der konservativen Europaabgeordneten und Agrarexpertin Elisabeth Jeggle (EVP ED/CDU) bislang pro Jahr in den Sektor - davon werden allein 600 Millionen Euro für die Destillation von Überproduktionen ausgegeben. «Wir haben keinen Milchsee mehr und keinen Butterberg. Dies müssen wir nun auch beim Wein schaffen.» Eine Abstimmung im Agrarausschuss des Europäischen Parlaments über die EU-Weinmarktreform im Januar sei jedoch eher «durchwachsen» verlaufen.
«Mit der EU-Kommissarin Fischer Boel sind wir uns einig, dass wir eine tief greifende Reform des geltenden Rechtsrahmen benötigen», sagt der Generalsekretär des Deutschen Weinbauverbandes, Rudolf Nickenig, in Bonn. «Wir brauchen eine erheblich vernünftigere Verwendung des EU-Budgets für Wein, das bisher für die Destillation von überschüssigen Tafelweinen in Südeuropa verschwendet wurde.» Für die deutschen Winzer ist Überproduktion kein Thema - im Gegenteil: Bei der vergangenen Ernte hätte es auch gern noch etwas mehr sein können.
Nach dem Willen der deutschen Weinwirtschaft sollten mit dem Geld eher Qualität, Produktionsstrukturen und das Marketing verbessert werden, sagt Nickenig. Dazu zähle unter anderem eine Förderung des traditionellen Steillagenweinbaus an der Mosel und der besondere Schutz des Mittelrheintals als Weltkulturerbe. Zudem plädiert Nickenig dafür, mehr Geld in Verbraucherinformationen für gesundheitsbewussten Weingenuss zu investieren.
Den deutschen Winzern brennt zudem das Thema der Zucker-Anreicherung besonders unter den Nägeln - ein in Deutschland traditionelles Verfahren, um den Alkoholgehalt der Weine zu erhöhen. Die EU-Kommission empfiehlt dagegen in ihrem bisherigen Vorschlag «ein Verbot des Zuckerzusatzes und eine strenge Regulierung des Einsatzes von konzentriertem Most». In Deutschland ist die Anreicherung allerdings von großer Bedeutung, um in eher kühleren Anbauregionen und bei schlechteren Jahrgängen die nötigen Alkoholvolumenprozente zu erzielen.
«Ich halte nichts davon, dieses Verfahren zu verbieten. In den vergangenen guten Jahrgängen war es kein großes Thema, aber für schlechtere Ernten ist es wichtig», sagt Andreas Wagner vom Weingut Wagner in Essenheim bei Mainz. Mit der deutschen Klassifizierung von Weinen sei zudem klar geregelt, bis zu welcher Qualitätsstufe dieses önologische Verfahren zugelassen ist - und daher auch für den Verbraucher gut nachvollziehbar. Der Winzer Joachim Heger vom badischen Kaiserstuhl pflichtet dem bei: «Ich kenne niemandem, der da eine Änderung möchte.» Im besonders sonnen-verwöhnten Baden sei allerdings die Anreicherung eh kein großes Thema.
«Wir sollten großen Wert darauf legen, dass die Individualität etwa der deutschen Weißweintypen nicht verwischt wird», mahnt Weinexperte Otto Schätzel vom Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) in Oppenheim. «Es ist nicht nur ein Appell an die EU, sondern auch an die Winzer, sich auf ihre unverwechselbaren Weinstile zu konzentrieren.» Als Hochlohnland habe Deutschland auf dem internationalen Weinmarkt nur eine Chance im Premiumbereich.
Nach den Informationen von Weinbau-Generalsekretär Nickenig wird die Vorlage für die Reform derzeit rege im Europäischen Parlament diskutiert. «Es sind rund 600 Änderungsanträge eingegangen», sagt er. Im Februar wolle das Parlament dann über den Entwurf abstimmen -und mit diesem Ergebnis arbeitet dann die EU-Kommission weiter. In den rheinhessischen Weinbergen von Andreas Wagner ist dagegen von den Debatten in Brüssel wenig zu spüren. «Das ist weit weg», sagt er. Im Gespräch mit anderen Winzern sei EU-Politik quasi nie ein Thema.
Quelle: dpa 31.01.2007
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