Die Rebstöcke stehen prächtig. «Selbst die Jungpflanzen vom Vorjahr», sagt Jacqueline Bülow in Lodmannshagen bei Wolgast (Vorpommern-Greifswald). Die Pfahlwurzeln reichen metertief zu Wasseradern im Boden.
«Die Färbung des Weins hat schon eingesetzt, in knapp zwei Wochen ist er komplett blau», schätzt sie. Dann erkennen die Stare die
Beeren zwischen den grünen Blättern. Bülow hüllt die Rebstöcke in Netze, um ihre Ernte zu schützen. Und die wird wieder gut ausfallen, ist sie sicher. Sie hat schon neue Fässer bestellt.
Auch im Weingut Schloß Rattey (Mecklenburgische Seenplatte) liegen Vogelschutznetze, Soundmaschinen mit Schreien und Drachen in Form von Greifvögeln bereit. «Sobald die Stare etwas Rotes sehen, sind sie alarmiert», sagt Leiter Stefan Schmidt. Er rechnet mit einer normalen Ernte guter Qualität, die er nicht den Vögeln überlassen will.
Anfang Mai glaubte er die Ernte schon verloren. Frost von minus 4,5 Grad hatte Blätter und Triebe fast komplett erfrieren lassen. Doch die Reben haben im Laufe der Evolution die Fähigkeit erlangt, neue Triebe hervorzubringen, wie Schmidt sagt.
Von den vier Hektar, auf denen ab etwa Mitte September geerntet wird, erwartet er einen Ertrag von knapp über 20.000 Litern. Im Vorjahr waren es 25.000 Liter. Aber 2018 war ein seltenes Rekordjahr. Dem Statistischen Bundesamt zufolge stieg die Weinerzeugung bundesweit um 38 Prozent im Vergleich zu 2017.
Trotz Sonnenscheins erzielen die
Winzer im Norden nicht den Zucker- und Alkoholgehalt wie in Süddeutschland. Dort komme der Wein schon mal auf 15 Prozent, sagt Schmidt. Doch der Markt verlangt leichte Weine. «Wir haben noch relativ säurereiche Weine», erläutert er.
Im Supersommer 2018 habe man in Rattey mit einer etwas vorgezogenen Lese Säurewerte und Alkoholgehalt reguliert. Jacqueline Bülow dagegen versucht, jede Sonnenstunde mitzunehmen: Sie mag die Weine milder.
Trotz Klimawandels lässt sich der Weinanbau mit denselben Sorten nicht einfach nach Norden verschieben, meint Schmidt. «Es gibt Rebsorten wie den
Riesling, die brauchen 100 Tage von der Blüte bis zur Reife.» Das wäre in Rattey Ende Oktober.
«Da haben wir garantiert schon den ersten Frost.» Gut seien für den Norden Sorten, die in 85 oder 90 Tagen reifen. Ein Vorteil ist laut Bülow, dass der Norden noch frei von Krankheiten ist. Entsprechend wenig müsse gespritzt werden, sagt die Landwirtin, die seit 2002 Wein anbaut.
Rattey mit 4,75 Hektar Rebfläche, Burg Stargard mit 0,25 und Pasenow mit 0,6 Hektar bilden zusammen das größte Weinbaugebiet im deutschen Nordosten, das Stargarder Land. Lodmannshagen ist mit einem Hektar das zweitgrößte der fünf anerkannten Weinbaugebiete Mecklenburg-Vorpommerns, die ihre Weine in den Handel bringen dürfen.