Das laut der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung ab 2024 in Kraft tretende Anwendungsverbot für glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel ist unionsrechtswidrig. Das stellte das Verwaltungsgericht Aachen in einem Eilverfahren fest. (c) Oleg Golovnev - fotolia.com
Das berichtete am selben Tag die Anwaltskanzlei Koof & Kollegen, die sich unter anderem auf das Pflanzenschutzmittelrecht spezialisiert hat. Sie erklärte, dass der Eilantrag zwar in formeller Hinsicht vom Verwaltungsgericht abgelehnt worden sei. In der Sache habe es aber die Rechtsauffassung derAntragsteller bestätigt. Der Eilantrag war von zwei Landwirten im Rheinland eingereicht worden.
Das Gericht wies laut der Kanzlei in der Begründung auf die Erneuerung der Genehmigung des Wirkstoffs Glyphosat gemäß der EU-Durchführungsverordnung 2023/2660 hin. Diese sei in allen ihren Teilen verbindlich und gelte unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Im Rahmen des Eilverfahrens habe die Kammer des Gerichts das zuständige Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) kontaktiert. Auf Anfrage habe das BMEL mit Schreiben vom 30. November gegenüber dem Verwaltungsgericht erklärt, dass derzeit der Erlass einer Eilrechtsverordnung zur Anpassung der geltenden Regelungen der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung an die neuen unionsrechtlichen Vorgaben geprüft werde; die Verordnung könne noch vor dem Jahreswechsel in Kraft treten.
Durchsetzung eines Verbots „fernliegend“
Vor dem Hintergrund der Erneuerung der Glyphosat-Genehmigung durch die EU und der Ankündigung des BMEL bewertete es das Gericht nach Angaben der Rechtsanwaltskanzlei explizit „als fernliegend, dass das Verbot der Anwendung glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel ab dem 1. Januar 2024, wie bisher in der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung vorgesehen, gegenüber den Antragstellern noch durchgesetzt werden könnte“.
Das Gericht habe zudem bestätigt, dass eine Vorschrift, die die Anwendung glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel unter Strafe verbiete, mit der dies gerade erlaubenden EU-Durchführungsverordnung nicht in Einklang gebracht werden könne, mithin spätestens ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Verbots unionsrechtswidrig sei. Dies - so die Kammer ausdrücklich - sei „mit Händen zu greifen“. In dieser Konstellation sei nach Auffassung des Gerichts auch eine Bestrafung nicht mehr vorstellbar. Dies gelte ebenso mit Blick auf die mögliche Kürzung landwirtschaftlicher Prämien.
Schon vorher Zweifel an Rechtmäßigkeit
Bereits im Juni dieses Jahres hatte Rechtsanwalt Peter Koof in einer Mitteilung die Auffassung vertreten, dass allein aufgrund der letztjährigen Verlängerung der Genehmigung desWirkstoffs Glyphosat bis zum 15. Dezember 2023 die Bundesregierung verpflichtet sei, das Anwendungsverbot für glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel ab 2024 zeitnah aufzuheben. Gemäß der Verwaltungspraxis des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) würden Produktzulassungen von Pflanzenschutzmitteln mit einer Gültigkeit Wirkstoffgenehmigungsende - hier 15. Dezember 2023 - plus ein Jahr erteilt, also bis zum 15. Dezember 2024.
In Deutschland seien bereits glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel mit dem Gültigkeitsende 31. Dezember 2026 zugelassen. Das Anwendungsverbot ab dem 1. Januar 2024 sei erst recht aufzuheben, wenn die Genehmigung desWirkstoffs Glyphosat von der EU-Kommission über den 15. Dezember 2023 hinaus verlängert werde, so damals Koof. Solange der Wirkstoff Glyphosat in der EU genehmigt sei, sei es der Bundesregierung nicht möglich, seinen Einsatz durch ein Anwendungsverbot komplett zu verhindern.
Auch kein Verbot in Österreich und Frankreich
Deutschland ist nicht der erste Mitgliedstaat, der sich in Sachen Glyphosat dem europäischen Recht beugen muss. So war es zu dem in Österreich zum 1. Januar 2020 vorgesehenen Anwendungsverbot ebenfalls nicht gekommen. Das Vorhaben war damals wenige Wochen zuvor aus „formaljuristischen“ Gründen gestoppt worden. Die EU-Kommission hatte zwar keine inhaltliche Stellungnahme zu dem Gesetzesbeschluss für ein Glyphosat-Verbot abgegeben, Österreich aber davor gewarnt, dass systematische Richtlinienverstöße auch zu einem Vertragsverletzungsverfahren führen könnten.
In Frankreich hatte Staatspräsident Emmanuel Macron im Januar 2018 erklärt, Absicht der Regierung sei es, in drei Jahren ein Anwendungsverbot für Glyphosat zu erlassen. Dazu kam es aber ebenfalls nicht. Bei der jüngsten Abstimmungsrunde der Mitgliedstaaten in Brüssel über die Wiederzulassung des umstrittenen Herbizidwirkstoffs hatten sich bekanntlich Deutschland und Frankreich enthalten, während Österreich dagegen stimmte.