Denn wenn ein Großbauer immer mehr Tiere im Stall stehen hat, ohne dass die von ihm bewirtschafteten Flächen entsprechend wachsen, landet oft zu viel Nitrat in Wasser und Böden. Wer zu viel Nährstoffe im Betrieb hat, bemüht sich, die überschüssige
Gülle loszuwerden.
Das geht nicht immer gut. Allein 2015 registrierte das Statistische Bundesamt 96 Unfälle mit Lastwagen, aus denen Gülle, Jauche und Silagesickersaft in den Boden eindrang. Ein weiteres Problem ist der Import von Gülle aus Nachbarländern wie den Niederlanden, wo die Düngehöchstgrenzen strenger sind als hierzulande.
Das alles hat weitreichende Folgen für die Umwelt und für die Gesundheit: Das Trinkwasser wird teurer, weil Grundwasser mit hohem Nitratgehalt entweder behandelt oder mit Wasser aus anderen Quellen verdünnt werden muss. Pflanzen, die den Nährstoffüberschuss mögen, verdrängen andere Pflanzen, die nur auf mageren Böden gedeihen.
Ein ähnlicher Prozess ist unter Wasser zu beobachten. In den Küstenstreifen von Nordsee und Ostsee breiten sich bestimmte Algenarten stark aus. Durch die Zersetzung von abgestorbenem Phytoplankton entstehen sauerstoffarme Zonen.
Was kann man dagegen tun? Darauf zu warten, dass die Zahl der Vegetarier und Veganer steigt, reicht nicht aus - vor allem da hiesige Bauern auch den Fleischhunger von Konsumenten im Ausland stillen. Aus Sicht der Umweltpolitiker ist der wichtigste Hebel die Düngerechtsnovelle, über der die Bundesregierung schon seit zwei Jahren brütet. Wann die Reform das Licht der Welt erblicken wird, ist unklar.
Aus dem Landwirtschaftsministerium heißt es, man bemühe sich, «einen angemessenen Ausgleich zwischen Umweltinteressen einerseits und praktikablen Lösungen für die Landwirtschaft andererseits zu schaffen».
Das Ministerium habe einen Entwurf der Novelle «in einer für die Landwirtschaft schwierigen Phase» abgeschlossen und der
EU-Kommission Ende 2015 zur Notifizierung zugeleitet. Die Kommission habe der Bundesregierung im August dann Anmerkungen zu einzelnen Punkten geschickt. Diese würden derzeit geprüft.
«Nitrat im Grundwasser ist eines der größten Umweltprobleme unserer Zeit», sagt Katrin Wenz, Agrarpolitik-Expertin beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Der Verband fordert eine Absenkung der Obergrenze für Nitrat von jährlich 170 Kilo pro Hektar auf 140 Kilo.
Wer viel mehr Dünger auf seinem Grund und Boden verteilt als die Pflanzen aufnehmen können, soll ein Bußgeld zahlen. Landwirte müssten beim Ausbringen von Dünger außerdem einen Abstand von mindestens fünf Metern zu Gewässern halten. Außerdem soll eine Transportdatenbank eingerichtet werden, wo festgehalten wird, wer seine Gülle wohin transportiert.
Bislang hat wohl niemand einen kompletten Überblick darüber, wie viel Mist und Gülle jährlich aus dem Ausland nach Deutschland gekarrt wird - auch weil es in den Bundesländern unterschiedliche Genehmigungsverfahren gibt. So muss beispielsweise in Nordrhein-Westfalen jeder, der unbehandelte Exkremente von Geflügel aus dem EU-Ausland einführen will, eine Genehmigung einholen - abhängig vom Nährstoffkontingent im jeweiligen Kreis. Für «verarbeitete Gülle von Klauen- und Pelztieren» gilt das aber nicht. In Niedersachsen hat der Grüne-Landwirtschaftsminister Christian Meyer die Gülle-Importe aus den Niederlanden im vergangenen März bereits durch einen Erlass erschwert.
«Das ist Ländersache, es gibt keine bundesweite Statistik», erklärt eine Sprecherin des Bundeslandwirtschaftsministeriums. Die einzigen Hinweise sind Daten aus den Niederlanden. Im «kritischen
Agrarbericht 2015» des
BUND heißt es, aus dieser Datenbank für organische Nährstoffe sei ersichtlich, «dass im vergangenen Jahr neben zahlreichen Inlandstransporten auch rund 60.000 LKWs mit Gülle aus den Niederlanden nach Deutschland transportiert wurden». Da es hierzulande keine flächendeckende Aufzeichnungspflicht gebe, sei der Verbleib dieser Güllemengen allerdings ungewiss.
Das Statistische Bundesamt hat zwar Daten über die Einfuhr von Dünger. Gülle wird darin aber nicht separat aufgeführt. Erfasst werden vielmehr alle Düngemittel, die ins Land kommen, egal ob sie tierischen oder pflanzlichen Ursprungs, untereinander gemischt oder chemisch behandelt sind. Was in einer Übersicht der Jahre 2008 bis 2015 allerdings auffällt: Das Gewicht der Einfuhren schwankt oft von Jahr zu Jahr erheblich, ohne dass sich die Tierbestände im gleichen Maße verändert hätten.
Der «Gülletourismus» ist aus Sicht vieler Umweltschützer nur einer von vielen Auswüchsen der Billigfleisch-Produktion. Denn es ist nicht nur das Streben nach Profit, dass die Besitzer der Mastbetriebe dazu treibt, immer größere Ställe zu bauen. Es sind auch die niedrigen Schlachtpreise für Fleisch aus Massentierhaltung, die Landwirte in diesen Kreislauf von steigenden Viehzahlen, Futtermittelimport und Gülleüberschuss hineinzwingen.
Die Vorsitzende des Umweltausschusses des Bundestages, Bärbel Höhn, schlägt vor, Gülle-Überschüsse sollten künftig als Abfall behandelt werden. Denn den darf man nicht beliebig in die Landschaft kippen, ohne Sanktionen befürchten zu müssen.