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03.10.2016 | 13:56 | Nitratbelastung 
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Zu viel Nitrat - Gülle reist quer durch Europa

Berlin - Gülle riecht zwar nicht gut, ist aber ein perfekter natürlicher Dünger. Doch weil die Tiermastbetriebe in einigen Regionen Deutschlands immer weiter wachsen, werden die Ausscheidungen von Huhn, Schwein und Rind zunehmend zum Umweltproblem.

Gülleausbringung
Umweltschützer schlagen Alarm. An immer mehr Orten in Deutschland ist die Nitratbelastung zu hoch. Das liegt auch am «Gülletourismus». (c) proplanta
Denn wenn ein Großbauer immer mehr Tiere im Stall stehen hat, ohne dass die von ihm bewirtschafteten Flächen entsprechend wachsen, landet oft zu viel Nitrat in Wasser und Böden. Wer zu viel Nährstoffe im Betrieb hat, bemüht sich, die überschüssige Gülle loszuwerden.

Das geht nicht immer gut. Allein 2015 registrierte das Statistische Bundesamt 96 Unfälle mit Lastwagen, aus denen Gülle, Jauche und Silagesickersaft in den Boden eindrang. Ein weiteres Problem ist der Import von Gülle aus Nachbarländern wie den Niederlanden, wo die Düngehöchstgrenzen strenger sind als hierzulande.

Das alles hat weitreichende Folgen für die Umwelt und für die Gesundheit: Das Trinkwasser wird teurer, weil Grundwasser mit hohem Nitratgehalt entweder behandelt oder mit Wasser aus anderen Quellen verdünnt werden muss. Pflanzen, die den Nährstoffüberschuss mögen, verdrängen andere Pflanzen, die nur auf mageren Böden gedeihen.

Ein ähnlicher Prozess ist unter Wasser zu beobachten. In den Küstenstreifen von Nordsee und Ostsee breiten sich bestimmte Algenarten stark aus. Durch die Zersetzung von abgestorbenem Phytoplankton entstehen sauerstoffarme Zonen.

Was kann man dagegen tun? Darauf zu warten, dass die Zahl der Vegetarier und Veganer steigt, reicht nicht aus - vor allem da hiesige Bauern auch den Fleischhunger von Konsumenten im Ausland stillen. Aus Sicht der Umweltpolitiker ist der wichtigste Hebel die Düngerechtsnovelle, über der die Bundesregierung schon seit zwei Jahren brütet. Wann die Reform das Licht der Welt erblicken wird, ist unklar.

Aus dem Landwirtschaftsministerium heißt es, man bemühe sich, «einen angemessenen Ausgleich zwischen Umweltinteressen einerseits und praktikablen Lösungen für die Landwirtschaft andererseits zu schaffen».

Das Ministerium habe einen Entwurf der Novelle «in einer für die Landwirtschaft schwierigen Phase» abgeschlossen und der EU-Kommission Ende 2015 zur Notifizierung zugeleitet. Die Kommission habe der Bundesregierung im August dann Anmerkungen zu einzelnen Punkten geschickt. Diese würden derzeit geprüft.

«Nitrat im Grundwasser ist eines der größten Umweltprobleme unserer Zeit», sagt Katrin Wenz, Agrarpolitik-Expertin beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Der Verband fordert eine Absenkung der Obergrenze für Nitrat von jährlich 170 Kilo pro Hektar auf 140 Kilo.

Wer viel mehr Dünger auf seinem Grund und Boden verteilt als die Pflanzen aufnehmen können, soll ein Bußgeld zahlen. Landwirte müssten beim Ausbringen von Dünger außerdem einen Abstand von mindestens fünf Metern zu Gewässern halten. Außerdem soll eine Transportdatenbank eingerichtet werden, wo festgehalten wird, wer seine Gülle wohin transportiert.

Bislang hat wohl niemand einen kompletten Überblick darüber, wie viel Mist und Gülle jährlich aus dem Ausland nach Deutschland gekarrt wird - auch weil es in den Bundesländern unterschiedliche Genehmigungsverfahren gibt. So muss beispielsweise in Nordrhein-Westfalen jeder, der unbehandelte Exkremente von Geflügel aus dem EU-Ausland einführen will, eine Genehmigung einholen - abhängig vom Nährstoffkontingent im jeweiligen Kreis. Für «verarbeitete Gülle von Klauen- und Pelztieren» gilt das aber nicht. In Niedersachsen hat der Grüne-Landwirtschaftsminister Christian Meyer die Gülle-Importe aus den Niederlanden im vergangenen März bereits durch einen Erlass erschwert.

«Das ist Ländersache, es gibt keine bundesweite Statistik», erklärt eine Sprecherin des Bundeslandwirtschaftsministeriums. Die einzigen Hinweise sind Daten aus den Niederlanden. Im «kritischen Agrarbericht 2015» des BUND heißt es, aus dieser Datenbank für organische Nährstoffe sei ersichtlich, «dass im vergangenen Jahr neben zahlreichen Inlandstransporten auch rund 60.000 LKWs mit Gülle aus den Niederlanden nach Deutschland transportiert wurden». Da es hierzulande keine flächendeckende Aufzeichnungspflicht gebe, sei der Verbleib dieser Güllemengen allerdings ungewiss.

Das Statistische Bundesamt hat zwar Daten über die Einfuhr von Dünger. Gülle wird darin aber nicht separat aufgeführt. Erfasst werden vielmehr alle Düngemittel, die ins Land kommen, egal ob sie tierischen oder pflanzlichen Ursprungs, untereinander gemischt oder chemisch behandelt sind. Was in einer Übersicht der Jahre 2008 bis 2015 allerdings auffällt: Das Gewicht der Einfuhren schwankt oft von Jahr zu Jahr erheblich, ohne dass sich die Tierbestände im gleichen Maße verändert hätten.

Der «Gülletourismus» ist aus Sicht vieler Umweltschützer nur einer von vielen Auswüchsen der Billigfleisch-Produktion. Denn es ist nicht nur das Streben nach Profit, dass die Besitzer der Mastbetriebe dazu treibt, immer größere Ställe zu bauen. Es sind auch die niedrigen Schlachtpreise für Fleisch aus Massentierhaltung, die Landwirte in diesen Kreislauf von steigenden Viehzahlen, Futtermittelimport und Gülleüberschuss hineinzwingen.

Die Vorsitzende des Umweltausschusses des Bundestages, Bärbel Höhn, schlägt vor, Gülle-Überschüsse sollten künftig als Abfall behandelt werden. Denn den darf man nicht beliebig in die Landschaft kippen, ohne Sanktionen befürchten zu müssen.
dpa
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Kommentare 
cource schrieb am 08.10.2016 08:20 Uhrzustimmen(79) widersprechen(69)
deutschland versucht verzweifelt seine angebliche vormachtstellung in europa und der welt zu erzwingen und greift deshalb zu solchen niederträchtigen methoden indem es boden-, wasser- und luftvergiftungen und betrug in der autoindustrie siehe VW usw. gezielt fördert/subventioniert
H. Huber schrieb am 07.10.2016 10:38 Uhrzustimmen(102) widersprechen(101)
@ R. Schaubitzer Selbstverständlich ist die „normale Gülle“ das Problem. In dem Artikel wird vor allem das Anwachsen der Tierbestände und der im Verhältnis dazu fehlenden, bewirtschafteten Flächen thematisiert. Es ist zwar richtig, dass hinten nur raus kommen kann, was vorher von den Tieren gefuttert wurde, aber es ist doch längst so, dass die Futtermittel gar nicht mehr von den Höfen bzw. Massentierhaltungsbetrieben, sondern überwiegend aus importiertem Soja und Mais stammen. Deshalb kommt es bei den Rindern auch immer häufiger zu Problemen, weil Mais für deren Verdauungssystem nicht gedacht ist. Maisanbau ist meist nur noch subventionierter Energiemais, der nicht zum Verfüttern an Tiere sondern an Biogasanlagen bestimmt ist. Der Futtermais wird aus Südamerika, Ukraine usw. importiert und ist billiger als Eigenanbau. Da bauen die Landwirte lieber Energiemais an. Das bringt richtig Geld. Schadet zwar Boden und Wasser – aber das wird klein geredet. Sehen Sie sich mal das Wachstum in der Tierhaltung/Massentierhaltung im Verhältnis zur Fläche der Betriebe an. Dank gesetzlich erlaubter Pervertierung in der Massentierqualhaltung in Deutschland wird längst mehr Gülle produziert als Boden und Wasser vertragen können. Vor allem: an Boden überhaupt zur Verfügung steht, um die Gülle drauf zu kippen. „Eigentlich“ müssten Düngegesetz/Düngemittelverordnung/Trinkwasserverordnung regulierend eingreifen. Dazu existieren diese und vor allem die Landwirtschaftskammern als Aufsichtsbehörden. Es ist deshalb umso erstaunlicher, dass Deutschland nun sogar durch die EU wg. zu hoher Nitratgehalte im Wasser abgemahnt wird. Wie passt allein das zusammen? Werden die Gesetze und Verordnungen nicht entsprechend berücksichtigt und befolgt? Wie ebenfalls im Artikel beschrieben landet auch noch Gülle aus den Niederlanden (nicht nur) auf deutschen Böden. Leider nicht immer mit Genehmigung. Es geht hier um ein lukratives Geschäft, denn die Entsorgung von Gülle ist bei unseren Nachbarn, wie bereits in meinem Kommentar erwähnt, seit langem sehr teuer. „Künstliche Gülle, die in Biogasanlagen erzeugt wird“, wie Sie es ausrücken – damit meinen Sie sicher die Gärreste. Diese bestehen aus Gülle und meist Maissilage. Wobei die Gülle in den allermeisten Biogasanlagen den geringsten Anteil hat. Allerdings müssen die Gärreste ebenfalls ausgebracht werden. Normalerweise werden diese an die den Energiemais produzierenden Landwirte anteilsmäßig im Verhältnis zur Lieferung verteilt. Sie sprechen sehr richtig ein schon seit Jahren diskutiertes Problem an, nämlich die Belastung der Gärreste mit unerwünschten Bakterien, Keimen und hartnäckigen Sporen. Besonders umstritten ist das Clostridium botulinum und Botulinumtoxin. Botulismus hat schon viele Tiere das Leben gekostet (ein qualvoller Tod!) und damit die Existenz der Landwirte zerstört. Biogasanlagen werden ganz klar im großen Stil als Möglichkeit genutzt Geld zu verdienen. Ohne Subventionen, die bis zu 20 Jahre zugesagt werden, wären diese nicht rentabel. Aus Landwirten werden dann Energiewirte und die Anlagen haben rein gar nichts mehr mit dem Märchen von der Erneuerbaren Energie zu tun. Wirklich sinnvoll sind nur Anlagen, in denen reine Abfallstoffe verarbeitet werden. Richtig ist auch, dass privilegierte Anlagen, also kleinere, die Energie aus Gülle und Abfällen vom eigenen Hof für den Eigenbedarf produzieren, sinnvoll sind. Beide erwähnten Varianten brauchen keine Subventionen, da sie sinnvoll und durch Selbstverbrauch bzw. Weitergabe von Stromüberschüssen profitabel sind. Alles andere ist nur Abgreifen von Steuervorteilen, Subventionen und Bonifizierungen, die gerade bei Biogasanlagen für alles und jedes gegeben werden. Nicht umsonst gibt es auch in Bezug auf den Bau und Betreiben von Biogasanlagen längst entsprechende Interessenverbände und dazu gehörenden Lobbyisten. Nicht alles, was grün angestrichen präsentiert wird ist auch grün und umweltfreundlich.
R.Schaubitzer schrieb am 04.10.2016 21:16 Uhrzustimmen(130) widersprechen(63)
Die Normale Gülle ist wohl nicht des Problem den was die Viecher Rauskaken müssen sie ja vorher Gefressen haben ist ja also ein Kreislauf . Aber Gülle wird ja in Biogasanlagen auch künstlich erzeugt und ich kann mir nicht vorstellen das die Umweltfreundlicher ist als das Original . Das ist zwar am ende auch ein Kreislauf konzentriert sich aber an wenigen stellen . Ich meine damit nicht die kleinen Anlagen wo die Bauern aus Reststoffen ihren eigenen Energiebedarf decken .
H. Huber schrieb am 03.10.2016 20:56 Uhrzustimmen(108) widersprechen(116)
Der Wahnsinn hat Methode. Gülle ist eigentlich kein transportwürdiges Gut. Aber das macht nichts, denn längst wird damit richtig Geld verdient. In den Niederlanden müssen die Landwirte und Massentierhalter z.Z. (Stand Juli 2016) 17 € für die Entsorgung eines Kubikmeters Gülle zahlen. 2008 waren es 20 €. Da exportiert man die Gülle doch besser nach Deutschland und verdient damit! Der Export hat sich binnen weniger Jahre verdreifacht!! Warum wird in Deutschland nichts dagegen unternommen? Von dem ganz normalen Güllewahnsinn ist hier mehr zu erfahren: http://www.topagrar.com/archiv/Keine-illegale-Guelle-aus-Holland-557526.html Im Kreis Heinsberg waren von 16 kontrollierten Gülletransporten 8 illegal. Die Bewohner in den grenznahen Orten in Deutschland kritisieren das schon seit mindestens 10 Jahren. Was ist passiert? Nahezu nichts, und es wird weiterhin fröhlich Gülle auf die Felder gekippt als gäbe es kein Morgen. Nitratbelastung des Wassers steigt? Macht nichts! „Eigentlich“ sollte man annehmen, dass diese Exporte kritisch gesehen werden, da Deutschland längst ein Nitratproblem hat. Ein richtiges, großes. Dazu gehören auch Phosphat und Ammoniak, die nicht minder problematisch sind. Was zählt mehr? Günstige Gülle als Düngerersatz und eine Einnahmequelle für deutsche Landwirte oder Strafzahlungen in dreistelliger Millionenhöhe, für die die Steuerzahler zur Kasse gebeten werden? Von den gesundheitlichen Gefahren noch ganz zu schweigen. Bis das Zeug im Grundwasser ankommt, vergehen einige Jahre. Ist es aber erst mal dort, gibt es keine Lösung es da wieder raus zu bekommen. Kritische Bürger wurden und werden seit Jahren zu diesem Thema nicht ernst genommen. Zitat, Topagrar, 29.04.2016 : Die EU-Kommission macht ihre lange angekündigte Drohung wahr und verklagt Deutschland vor dem EU Gerichtshof wegen des Verstoßes gegen die Nitratrichtlinie. Das setzt die Bundesregierung bei der Reform der Düngegesetzgebung unter Druck. Es drohen Strafzahlungen in dreistelliger Millionenhöhe. Die Europäische Kommission hat die Geduld verloren und am Donnerstag entschieden, Deutschland vor dem Gerichtshof der EU zu verklagen. Deutschland habe versäumt, strengere Maßnahmen gegen die Gewässerverunreinigung durch Nitrat zu ergreifen, heißt es in der Begründung der Kommission. Der Beschluss bedeutet die dritte und letzte Stufe im Vertragsverletzungsverfahren gegen die Nitratrichtlinie.“ Zitat Ende. Link: http://www.topagrar.com/news/Home-top-News-EU-Kommission-verklagt-Deutschland-wegen-Nitratbelastung-von-Gewaessern-3155222.html … und das Düngen geht fröhlich und vollkommen ungetrübt weiter, denn der Export von Fleisch aus deutscher Massentierhaltung steigt. Muss man so etwas noch verstehen? Krank, einfach krank!
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