Bevor der Senckenberg-Forscher Edgar Lehr und sein Kollege Alessandro Catenazzi von der California University den Winzling in den "Elfenwäldern" im Hochland des Manu National Parks im Südosten Perus entdeckten, war nur sein Quaken zu hören gewesen. Auch der populärwissenschaftliche Name der neuen Art passt: "Noble's Pygmy Frog" ist etwa 11,4 Millimeter groß. Kürzlich wurde er in der Zeitschrift Copeia von Edgar Lehr, Herpetologe an den Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen Dresden und dem Ökologen Alessandro Catenazzi von der California University in Berkeley (USA) vorgestellt. Wegen der winzigen Größe und seiner überwiegend braunen Färbung, die ihn perfekt tarnt, blieb der Minifrosch lange unentdeckt. Die beiden Wissenschaftler haben
Noblella pygmaea mit der Hilfe einheimischer Bewohner auf dem Gebiet der zum Manu National Park gehörenden Wayqecha Forschungsstation gefunden.
Der Manu National Park ist ein "Hotspot" der
Biodiversität und für die üppige
Artenvielfalt in den Tiefland-Regenwäldern bekannt. In dem Biosphären-Reservat befinden sich jedoch auch beträchtlich große Areale montaner Nebelwälder. Die dort kontinuierlich wabernden Nebelschwaden verdecken Pflanzen und Tiere, die sich gut an die kalte und permanent feuchte Umgebung mit durchschnittlichen Tagestemperaturen von 11° Celsius angepasst haben. In den verschiedenen ökologischen Nischen des Biosphärenreservats konnten sich zahlreiche Arten ungestört entwickeln und dem Lebensraum angepassen. Genetische Studien belegen, dass die Vielfalt der Amphibien bisher generell und besonders in dieser Region unterschätzt wurde. Edgar Lehr und Alessandro Catenazzi vermuten, dass
Noblella pygmaea nur eine von vielen unentdeckten Amphibienarten in den Bergregionen der Anden ist. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass sie dort in den nächsten Jahren weitere neue Arten finden.
Derzeit ist der Miniaturfrosch eines der kleinsten Wirbeltiere, die jemals in einer Höhe von über 3.000 Metern gefunden wurden. In der Regel sind Arten dieser Region größer als ihre Verwandten oder ähnliche Arten in Tieflandgebieten.
Noblella pygmaea lebt auf einer Höhe zwischen 3.025 und 3.190 Metern und bewohnt dort die Nebelwälder, bergige Buschlandschaften und das hochgelegene Weideland. Ein besonderes Merkmal, das den Zwerg neben seiner Winzigkeit von anderen Fröschen der südperuanischen Bergregion unterscheidet, ist ein auffallend langer Zeigefinger.
Noblella-Weibchen legen jeweils nur zwei Eier mit einem Durchmesser von rund vier Millimetern. Im Gegensatz zu den meisten Amphibienarten werden die Eier im feuchten Laub oder unter Moosen abgelegt, wo der Mutterfrosch sie vor Insekten schützt. Ungewöhnlich ist, dass die Embryonen das Kaulquappenstadium überspringen und unmittelbar nach dem Schlüpfen ausschließlich ein Leben an Land führen.
Warum
Noblella im Gegensatz zu anderen Fröschen so klein ist, können der Senckenberg-Forscher Edgar Lehr und sein Kollege Allessandro Catenazzi von der Californias University noch nicht sagen. Es scheint aber, dass die Größe für den Frosch von Vorteil ist. Vermutlich ist er damit perfekt an seine spezielle Nische in diesem Lebensraum angepasst. Die Tatsache, dass die Art ihr Habitat selbst zur Eiablage nicht verlässt, schützt den Frosch auch vor natürlichen Feinden.
Doch auch wenn
Noblella im Manu Biosphären Reservat lebt, ist sein Überleben wie auch das anderer Amphibienarten nicht sicher. Mehrere nachteilige Einflüsse von außen, wie etwa die durch den Menschen verursachten Veränderungen und auch der
Klimawandel bedrohen mittlerweile die Artenvielfalt in diesem so lange Zeit unversehrten natürlichen Lebensraum. Neben anderen negativen Auswirkungen des Klimawandels begünstigt die globale Erwärmung die Verbreitung des hochansteckenden Pilzes
Batrachochytrium dendrobatidis, der ganze Amphibienpopulationen hinwegrafft. Glücklicherweise wurde der Pilz, der sich epedemieartig ausbreitet, bei
Noblella nicht nachgewiesen. Ein möglicher Grund dafür könnte sein, dass der Winzling als landlebendes Tier dem Pilz weniger ausgesetzt als Amphibien, die an fließenden Gewässern leben.
Batrachochytrium dendrobatidis ist vermutlich die Ursache für das Aussterben vieler Froscharten in Ecuador und Nordperu. Es ist anzunehmen, dass auch der deutliche Rückgang von Froschpupulationen im Hochland von Süd-Peru darauf zurückzuführen sind. Bisher sind keine wirksamen Mittel bekannt, die die weitere Verbreitung des hochinfektiösen Pilzes in der Region stoppen. Die Forscher hoffen, dass durch die enorm große Artenvielfalt in den Kordilleren der Anden Refugien entstehen, so dass der Pilz keine weitere Dezimierung bei den Amphibien auslöst und auch, dass das Überleben des entdeckten Zwerges in den "Elfenwäldern" des Manu National Parks gesichert ist. (idw)