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18.06.2008 | 15:36 | Zukunftsmodelle 

Tierhaltung in Deutschland kein Auslaufmodell

Hohenheim - Die Tierhaltung am Standort Deutschland hat trotz einiger Wettbewerbsnachteile insgesamt gute Zukunftschancen. Dies ist die Einschätzung des Vorstandsvorsitzenden des Weltmarktführers Big Dutchman AG aus Vechta, Bernd Meerpohl.

Tierhaltung in Deutschland
(c) proplanta
Entscheidende Vorteile sieht er für unsere Betriebsleiter im großen Know-how und in der Innovationskraft sowie in der guten Ausbildung und im gekonnten Umgang mit der High-Tech-Landwirtschaft. Wie Meerpohl bei der Jahrestagung der Jungen DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft) kürzlich in Stuttgart-Hohenheim betonte, sind das wichtigste Pfund für deutsche Familienbetriebe qualitativ hochwertige Produkte, mit denen sie im immer schärferen internationalen Wettbewerb wuchern können. „Immer mehr Verbraucher legen großen Wert auf frische Lebensmittel und wollen Qualitätsstandards gewahrt wissen“. Umgekehrt erscheint es Meerpohl langfristig sinnvoll, wenn sich die deutsche Tierhaltung aus Bereichen zurückzieht, in denen andere Regionen der Welt kostengünstiger arbeiten. Allein aufgrund der begrenzten Flächenverfügbarkeit müsse man sich damit abfinden, „dass die Welt auch für uns produziert“. Dazu Meerpohl in einem Arbeitskreis der Jungen DLG zu Zukunftsmodellen für die Tierhaltung: „Unser Eipulver wird wohl dauerhaft aus Brasilien oder Nordamerika kommen - aber unser Frühstücksei oder all die Schweinesteaks, die bei künftigen Fußball-Meisterschaften auf dem Grill landen, nicht“.


Über neue Formen der Unternehmensführung nachdenken

Global gesehen gehe das Wachstum der großen Farmen weiter und die intensive Tierhaltung werde verstärkt in den Kornkammern der Welt betrieben. Mit einem Exportanteil von 80 Prozent ist Big Dutchman inzwischen Weltmarktführer im Bereich Technik Tierhaltung und verfügt über exzellente Expertisen von der weltweiten Veredlungsproduktion. Trotz dieser Entwicklung sind für den Big Dutchman-Chef die klassischen Familienbetriebe kein Auslaufmodell. Allerdings müssten sie sich auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren und ihre Stärken weiter ausbauen, um weiterhin besser aufgestellt zu sein als die Konkurrenz. Erfolgskriterien sieht er in der weiteren Spezialisierung, im Abbau der Schwächen oder auch im Aufbau neuer Standbeine – wie es sein eigenes Unternehmen mit dem Einstieg in das neue Geschäftsfeld „Fischmast-Equipment“ vormache. Eine Strategie für deutsche Tierhalter bleibe auch in Zukunft quantitatives Wachstum. Die deutschen Betriebe sollten weiterhin ein qualitatives Wachstum anstreben, so Meerpohl, „aber nur zu vertretbaren Preisen“. Zugleich sollten die Familienbetriebe über neue Formen der Unternehmensführung nachdenken. Dazu zählen für ihn eine verstärkte überbetriebliche Zusammenarbeit bezüglich Arbeitserledigung, Einkauf und Absatz.


Deutsche Sonderwege sind „Harakiri“

Die Tierhalter in Deutschland sind nach Beobachtung von Meerpohl zwar gut aufgestellt und können teilweise auch in beachtlichen Größenordnungen produzieren. Allerdings habe man es im globalen Wettbewerb mit Ländern zu tun, die den heimischen Produzenten mengenmäßig weit überlegen seien, sei es aufgrund entsprechender Gesetze, sei es aufgrund besserer Rahmenbedingungen wie Klima, Flächenausstattung, Bodenqualität oder niedrigerer Lohnkosten. Verschärft werde die Situation durch die im globalen Vergleich recht strengen Vorgaben aus Brüssel. Die bestehenden EU-Normen in der Tierhaltung hält Meerpohl für eine „Riesenkatastrophe“. Deutsche Sonderwege, wie zum Beispiel bei der Legehennen-Verordnung, sind aus seiner Sicht „Harakiri“ für die hiesigen Geflügelhalter, und der ruinöse Wettbewerb des Lebensmitteleinzelhandels in Verbindung mit der Discountermentalität der Bundesbürger verstärke diesen Druck noch. Umso wichtiger sei es, den in Deutschland noch bestehenden Know-how-Vorsprung zu halten, um mit qualitativ hochwertigen Produkten im internationalen Wettbewerb zu punkten. „Es gibt noch viele Stellschrauben, an denen deutsche Tierhalter drehen können, um nicht nur das Maximale, sondern das entscheidende „Mehr“ aus ihren Tieren herauszuholen“, so der positive Ausblick von Meerpohl.


Schweinehaltung: Mix aus richtiger Bestandsgröße und Spitzenmanagement

Um künftig als Schweinehalter in Deutschland bestehen zu können, ist ein Mix aus der richtigen Bestandsgröße und Spitzenmanagement gefragt. Darauf hat Dr. Alfred Pieper von der Außenstelle Bersenbrück der Landwirtschaftskammer Niedersachsen vor den landwirtschaftlichen Jungunternehmern aus dem gesamten Bundesgebiet hingewiesen. Steigende Lebensmittelpreise, sich wandelnde Ernährungsgewohnheiten und die demografische Entwicklung ließen in Europa langfristig eine sinkende Nachfrage nach Schweinefleisch erwarten, erläuterte der Spezialberater. Durch das zunehmende Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage werde sich der Erlösdruck der Schweineproduzenten, aber auch der Verdrängungswettbewerb verstärken, so Pieper, der auf 30 Jahre Beratungserfahrung zurückblicken kann. Erschwert werde die Veredelungsproduktion in der EU durch hausgemachte Nachteile, beispielsweise durch die GVO-Regelung bei Futtermittelimporten. Schon heute arbeiteten zwei Drittel der deutschen Schweinehalter ohne Eigenkapitalverzinsung. Angesichts der weiterhin äußert angespannten wirtschaftlichen Situation steht für Pieper fest: Liquidität ist in der Veredelungsproduktion wichtiger als Größe. Zudem hätten langjährige Betriebszweigauswertungen gezeigt, dass das Produktionsverfahren stärkere Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit hat als die eingesetzte Genetik. (DLG)
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