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10.11.2016 | 07:23 | Geflügelpest 

Vogelgrippe - Sorgen und Nöte der Geflügelhalter

Selent - Die Stallpflicht für sämtliches Geflügel in Schleswig-Holstein macht den Züchtern zu schaffen. Denn nur ein Teil der 12.000 Geflügelhalter mit zusammen fast fünf Millionen Hühnern, Gänsen, Enten und Puten verfügt über Ställe.

Vogelgrippe in Schleswig-Holstein
Nach dem Ausbruch der Geflügelpest müssen in Schleswig-Holstein Millionen Tiere in den Stall. Das stellt besonders kleine Züchter vor große Probleme. Aber auch die großen Betriebe haben zu kämpfen. (c) proplanta
Auch die von den Behörden nach Ausbruch der Geflügelpest an Wildvögeln im Kreis Plön vorgeschriebenen peniblen Hygienemaßnahmen bereitet ihnen Probleme.

Das Geflügel von Horst Klosa befindet sich zwar außerhalb des Sperrgebiets um Plöner Seen. Der Hobbyzüchter aus Selent hat trotzdem viel mehr Arbeit. Für das Geflügel, sagt er, «ist das eine wirkliche Qual. Das ist, als ob man einen Menschen, der sich sonst frei bewegen konnte, in eine kleine Gefängniszelle sperrt.» Klosa züchtet seltene Arten wie Hühner-, Rost- und Magellangänse sowie Zwergkampfhähne. Deren Eier verschickt er nach eigenen Angaben europaweit.

Die derzeit etwa 100 Tiere des 78-Jährigen würden sich normalerweise auf dem leicht verschneiten, fast 6.000 Quadratmeter großen Außengelände nahe dem Selenter See tummeln. Nun sind sie auf engem Raum eingepfercht: laut schnatternd, nach Arten und Paaren getrennt, drängen sie sich in mehreren jeweils rund 20 Quadratmeter großen Ställen und einem 50 Quadratmeter großen überdachten Außenstall.

Klosa züchtet seit seinem neunten Lebensjahr - an die 200 Pokale und Ehrenbeurkundungen hat er für erfolgreiche Züchtungen eingeheimst. Auch Sohn und Enkel sind unter die Geflügelzüchter gegangen. Sie alle hoffen, dass es bald Entwarnung gibt und die Tiere wieder in die weitläufigen Außengehege dürfen.

Weiter westlich in Aukrug-Homfeld sieht Hühnerhalterin Rebecca Radtke die Stallpflicht entspannter. Zwar hat sie am Mittwoch sichtbar Mühe, ihre vier Hühner einzufangen. Aber: «Bei diesem Wetter sind sie ganz gern drinnen.»

Lorenz Eskildsen aus Gudendorf an der Westküste hat andere Sorgen. Der Gänsezüchter gilt mit seiner Marke «Dithmarscher Gans» als einer der großen Produzenten in Deutschland. In diesem Jahr schlüpften in seinem Betrieb 187.000 Gänseküken. «Wir hoffen, dass wir den Großteil der Tiere irgendwie unterkriegen», sagt Betriebsleiterin Sonia Paul. «Wir sind gerade dabei, das zu organisieren und koordinieren.» Ein großer Teil der Gänse sei bei Vertragsbauern aufgezogen worden. «Die haben alle Aufzuchthallen.»

Problematisch wird es bei den Masttieren: Durch die Stallpflicht können die Tiere die Auslaufflächen nicht nutzen. Für Gänse ohne einen Stallplatz will der Betrieb möglicherweise eine Sondergenehmigung beantragen, damit sie draußen bleiben können. «Wir müssen hoffen, dass nichts passiert», sagt Paul. Gut für den Betrieb ist, dass wegen ohnehin geplanter Schlachttermine keine allzu langen Zeiten überbrückt werden müssen: «Eventuell werden einige Schlachttermine vorgezogen», sagt die Betriebsleiterin.

Szenenwechsel: Weiter nördlich, nahe der dänischen Grenze gibt sich Gänsezüchter Jürgen-Balzer Klingenhoff gelassen. Der Stallpflicht für sämtliches Geflügel im Land kann sein Betrieb in Husby (Kreis Schleswig-Flensburg) gar nicht nachkommen. Er hat für seine 12.000 Gänse schlicht keine Ställe. «Stallpflicht ist herrlich, aber für die Gänse ist das Tierquälerei», sagt er.

Er hofft auf eine Sondergenehmigung. Seine Tiere weiter im Freien laufen zu lassen, empfindet er nicht als gefährlich. Sie seien ja eingezäunt. «Wir liegen nicht an einem Gewässer, daher kommen unsere Tiere nicht mit Vogelflug in Kontakt», sagt der Züchter. Dreimal täglich kontrollieren seine Mitarbeiter die Gänse. Um einen Ausbruch der Krankheit frühzeitig entdecken zu können, hält er nahe den verschiedenen Gänsekoppeln jeweils auch ein paar Hühner. «Falls etwas sein sollte, tritt es bei ihnen zuerst auf.»

«Man muss in solchen Situationen gelassen sein», sagt Klingenhoff. Alle paar Stunden sei ein Tierarzt vor Ort, die Schlachterei sei nicht weit von seinem Hof entfernt. Der Schlachtbetrieb geht deshalb weiter - trotz Geflügelpest im Norden. Am Freitag ist St. Martin, viele Deutsche essen dann traditionell Gans.
dpa
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