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05.07.2020 | 01:36 | Aal-Forschung 

Wo aus Glasaalen über Jahre Edelfische werden

Harnekop - Gemächlich schippert Janek Simon mit seinem Kollegen einmal im Boot den Schlosssee in Harnekop (Kreis Märkisch-Oderland) entlang.

Aal Brandenburg
Der Aal schafft es in Europa nicht mehr allein, seine Art zu erhalten, der Mensch hilft nach. Jährlich werden Millionen Glasaale in Brandenburgs Gewässer ausgesetzt. Doch was wird eigentlich aus den Mini-Fischen? Wissenschaftler wollen es genauer wissen. (c) proplanta
Die Ausbeute der elektrischen Fischertour sind nicht etwa dicke Karpfen oder Barsche, sondern junge Aale, gerade 14, 15 Zentimeter lang und vier bis fünf Gramm schwer, die in einem großen Wasserbottich zappeln. Zum Verspeisen sind sie viel zu klein und mager, doch Simon fischt sie im Interesse der Wissenschaft. Er ist Mitarbeiter des Instituts für Binnenfischerei in Potsdam-Sacrow.

Vor drei Jahren setzte er 3.000 Glasaale - durchsichtig, jeweils etwa sieben Zentimeter lang und ein Viertelgramm schwer - in dem 13 Hektar großen See aus. «30 Prozent des Besatzes haben wir vorher markiert», erklärt der Fischereibiologe. «Mit dem Kontrollfang wollen wir ergründen, wie hoch die Überlebensrate dieser Fische ist, wie sie mit dem Nahrungsangebot wie Mückenlarven klar kommen und wie sie wachsen.»

Nach zehn Jahren gebe es erneut einen Zähltermin, denn der Aal sei eine extrem langsam wachsende Fischart. «10 bis 15 Jahre brauchen die Tiere, um ausgewachsen zu sein. Die Männchen werden maximal 50 Zentimeter lang, die Weibchen einen Meter und größer», sagt Simon. Er wiegt und misst seinen Fang genauestens, nachdem er die quirligen Mini-Aale mit Nelkenöl im Wasser ein wenig betäubt hat.

Der Schlosssee und der benachbarte Große See, der wie drei weitere Gewässer bei Beeskow, Storkow (beide Oder-Spree) sowie bei Brandenburg/Havel zum Forschungsraum des EU-geförderten Projektes des Brandenburger Landesamtes für Ländliche Entwicklung gehört, sind nach Ansicht des Wissenschaftlers ideal für die Bestandsaufnahme. «Beide Seen haben keine Zu- oder Abflüsse, über die Aale abwandern könnten», sagt Simon. Unüberwindbare oder tödliche Hindernisse wie Schleusen, Wehre oder Wasserkraftanlagen sind in der Realität jedoch das Problem des europäischen Aals, der inzwischen zu den bedrohten Arten gehört.

Der Brandenburger Landesanglerverband lässt deshalb ein bis zwei Tonnen Glasaale pro Jahr in ausgewählten Gewässern aussetzen, um den Aalbestand zu fördern und die Fischart zu erhalten. «Wir bringen ein Vielfaches an Aalen ins Wasser, als durch das Angeln wieder entnommen wird», sagt Olaf Wusterbarth, Referent für Umwelt- und Naturschutz im Vorstand des Verbandes.

«Auch wir machen regelmäßig Bestandskontrollen, fangen Aale unterschiedlicher Jahrgänge.» Ein regelmäßiger Besatz mit Glasaalen sei insofern sinnvoll. Allerdings sorge die aus dem Schwarzen und dem Kaspischen Meer eingewanderte Schwarzmundgrundel zunehmend für eine Dezimierung des Aal-Nachwuchses. Wusterbarth sagt deshalb: «Es gibt Gegenden wie am Oder-Havel-Kanal, da setzen wir keine Glasaale mehr ein.»

Sowohl die Exemplare aus dem Harnekoper Schlosssee als auch ihre Artgenossen, die der Landesanglerverband in Brandenburger Gewässern entlässt, wurden an der französischen Atlantikküste gefangen. «Das ist ein richtiger Industriezweig, die Preise für Glasaale werden gehandelt wie an der Börse», sagt Simon. «Frankreich hat die höchste Fangquote.»

Europäische Aale pflanzen sich im Atlantik vor Mittelamerika fort. Der Nachwuchs kommt im November und Dezember in Spanien und Portugal an und wandert dort die Küste entlang, wo er gefangen und verkauft wird, um in den Flusssystemen Europas wieder ausgesetzt zu werden.

«Würde der Mensch nicht künstlich nachhelfen, hätten wir in 30, 40 Jahren in Europa keinen Aal mehr und der Fisch wäre in seiner Art bedroht», betont Simon. Die Europäische Union habe bereits 2007 eine Aalverordnung mit konkreten Managementplänen erlassen, die für die Mitgliedstaaten verpflichtend seien. So sollen in der Regel nur Gewässer mit Glasaalen besetzt werden, in denen den Tieren auch wieder eine Abwanderung Richtung Meer möglich ist.

122 hauptberufliche Fluss- und Seenfischer gibt es laut Simon noch in Brandenburg. «Früher erzielten sie die Hälfte ihrer Erlöse mit dem Edelfisch Aal.» Zu ihnen gehört auch Hannes Böhm, der neben anderen Gewässern auch den Harnekoper Schlosssee bewirtschaftet und die Fischtour der beiden Wissenschaftler genau beobachtet. «Der Aal ist ein Wirtschaftsfisch, bei Konsumenten stark nachgefragt, genau wie Zander», sagt Böhm.

Doch auch die Fischer-Konkurrenz ist seiner Ansicht nach stark. Böhm meint damit Kormorane und Fischotter, die unglaubliche Aalfresser seien. «Weil das Wasser im See so klar ist, haben die Fische keine Chance», meint der Fischer. Der Aal-Bestand im Schlosssee sei derzeit groß, aber die Fische selbst seien noch zu klein. Wissenschaftler Simon ist mit seiner Bestandsaufnahme zufrieden. «Es haben reichlich Exemplare überlebt. Das läuft besser als gedacht», lautet sein Zwischenfazit.
dpa/bb
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