Costa Rica erlebt sein grünes Wunder
Das kleine Costa Rica profiliert sich gern als großer Energie-Pionier. Stolz schmückt sich die Hauptstadt San José damit, nach den Weltmetropolen New York und Paris die dritte Stadt gewesen zu sein, in deren Straßen elektrisches Licht brannte.
Mindestens genauso wegweisend klingt, was Costa Ricas staatlicher Energieversorger ICE kürzlich verkündete: 75 Tage am Stück habe man Anfang des Jahres den Elektrizitätsbedarf des gesamten Landes ausschließlich aus regenerativen Energien gedeckt.
Die Welt staunte. Zwar haben auch Island und einige kleine Inselstaaten ihren
Stromverbrauch bereits erfolgreich ganz ohne fossile Brennstoffe oder Atomstrom bestritten - dies über eine Dauer von zweieinhalb Monaten zu schaffen, gilt aber als Rekord.
Während sich hoch entwickelte Staaten weltweit strecken müssen, um ein paar Megawatt regenerativ erzeugter Energie mehr im nationalen Energiemix aufweisen zu können, scheint das vermeintliche Entwicklungsland Costa Rica schon in der Zukunft angekommen zu sein.
Als Blaupause für die großen Industriestaaten kann das kleine Land mit gerade einmal 4,8 Millionen Einwohnern allerdings nur bedingt dienen. Denn es gibt kaum wirklich energieintensive Industrie, die Wirtschaft ist vor allem von Tourismus und Landwirtschaft geprägt.
Und die 100 Prozent Stromversorgung aus grüner Energie erreichte Costa Rica auch nur wegen günstiger klimatischer Bedingungen: Ungewöhnlich starke Regenfälle füllten die Stauseen bis zum Anschlag. Das spielte dem Land, in dem die Wasserkraft rund 80 Prozent der erneuerbaren Energien ausmacht, direkt in die Karten.
«Trotzdem können andere Länder von Costa Rica lernen», sagt Tabaré Arroyo Currás, Autor einer Studie des World Wide Fund for Nature (
WWF) zu erneuerbaren Energien in Lateinamerika, die Costa Rica auf dem Spitzenplatz führt. Das Land gehe als Positivbeispiel mit großen Schritten voran.
Die Politik habe in Costa Rica frühzeitig viel Vertrauen in die regenerativen Energien gesetzt, sagt der Wissenschaftler. Schon in den 1950er Jahren produzierte Costa Rica Strom aus Wasserkraft.
«Quasi jedes Land der Welt hat erhebliche Potenziale für die Erzeugung regenerativer Energien, aber nicht überall wird so zielstrebig und angstfrei auf erneuerbare Energien gesetzt», sagt Arroyo Currás. Deswegen stehe das Land auch insgesamt besser da als seine Nachbarn mit vergleichbaren Voraussetzungen, von denen Arroyo Currás am ehesten Panama und Nicaragua auf einem guten Weg sieht.
Gleichzeitig sei Costa Ricas hohe Abhängigkeit von Wasserkraft ein Risiko, erklärt Manfred Haebig von der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), die den mittelamerikanischen Staaten dabei hilft, ihr Potenzial auch bei der Sonnen-, Wind- und Biogas-Energie auszuschöpfen. In den vergangenen Jahren hatte es mal sehr viel, mal sehr wenig geregnet.
«Klimatische Schwankungen können für Costa Rica ein Problem werden», sagt Haebig. Bleibt der Regen etwa im kommenden Jahr aus, wäre das Land plötzlich wieder auf den teuren Import von fossilen Brennstoffen angewiesen. «Costa Rica tut gut daran, seinen Energiemix zu diversifizieren», betont der GIZ-Experte.
Erste Fortschritte sind längst zu erkennen. Für das kleine Land beachtliche 1,7 Milliarden US-Dollar wurden zwischen 2006 und 2013 in erneuerbare Energien gesteckt, 40 Prozent davon flossen in den Ausbau der lange vernachlässigten Stromerzeugung aus Solarzellen, Windkraft und Geothermie. Bis Ende 2015 soll die für das Netz verfügbare Leistung durch neue Windkraftanlagen etwa 350 Megawatt mehr betragen.
2021 - so verkündeten Regierungsvertreter schon vor fünf Jahren auf der Klimakonferenz im mexikanischen Cancún - soll Costa Rica dann das erste Land der Welt sein, das auch dauerhaft 100 Prozent seines Stroms aus erneuerbaren Quellen bezieht. (dpa)