EU-Gipfel findet Klima-Kompromiss - London eskaliert Budget-Streit
Der EU-Gipfel hat sich mit einem Kraftakt zu Klimaschutz-Zielen für das Jahr 2030 durchgerungen. Allerdings blieb der mühsam ausgehandelte Kompromiss hinter früheren ambitionierten Vorhaben zurück.
Von Umweltschützern hagelte es Kritik. In die Gipfel-Beratungen am Freitag platzte unerwartet der Streit um eine milliardenschwere Nachzahlung Großbritanniens an das EU-Budget.
«Wir werden nicht plötzlich unser Scheckbuch herausholen und einen Scheck über zwei Milliarden Euro schreiben. Das wird nicht passieren», erklärte der sichtlich aufgebrachte Premier David Cameron. In der Nacht zum Freitag war bekanntgeworden, dass die Briten nach einer Neuberechnung bereits Anfang Dezember rund 2,1 Milliarden Euro für das EU-Budget überweisen sollen.
Nachzahlungen sind jährlich üblich, wenn die Wirtschaft eines Landes stärker wächst als von dem Staat zuvor angenommen. Man sei im diesem Verfahren aber noch nie mit so einer hohen Nachzahlung konfrontiert worden, beklagte sich Cameron. Die EU-Finanzminister sollen sich mit der Frage befassen, sagte er. Auch mit Blick auf die EU-kritische Stimmung in seinem Land sei die Forderung «nicht hilfreich».
Die 28 EU-Staaten einigten sich in der Nacht zum Freitag auf drei langfristige Vorgaben für das Jahr 2030 beim Klimakiller Kohlendioxid sowie bei Energiesparen und Ökoenergie-Anteil. Der Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid soll im Vergleich zu 1990 verbindlich um mindestens 40 Prozent sinken. Damit verdoppele Europa seine Anstrengungen, betonte EU-Kommissionschef José Manuel Barroso.
Eine europäische Klima-Einigung galt als Voraussetzung für einen Erfolg des Weltklimagipfels Ende 2015 in Paris. Zuvor müssen die Teilnehmer wie die USA und China ihre Positionen festlegen.
EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard verteidigte das Klimapaket als ehrgeizig. «Sich auf 40 Prozent festzulegen, ohne Gewissheit, was unsere Wettbewerber tun, das ist kein kleiner Schritt, sondern ein großer», sagte Hedegaard der Deutschen Presse-Agentur. «Ich hoffe wirklich, dass Peking und Washington dieses Signal wahrnehmen.»
Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki Moon, ließ mitteilen, Europa sei Vorreiter und setze «neue Standards für die Klimaanstrengungen für alle Länder».
Allerdings waren die Zahlen am Ende niedriger, als von EU-Kommissarin Hedegaard vorgeschlagen und von Deutschland gefordert. So setzt sich die EU beim Anteil der Ökoenergien aus Sonne oder Windkraft ein Ziel von mindestens 27 Prozent verpflichtend auf EU-Ebene. Beim Energieeinsparen soll der Wert von ebenfalls 27 Prozent unverbindlich auf EU-Level sein - nationale Unterziele soll es nicht geben. Bei beiden hatten die Deutschen einen Wert von 30 Prozent gefordert.
Deutschland werde bei dem Ziel, den Anteil der erneuerbaren Energien zu steigern, «definitiv mehr machen», sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Schon jetzt liege die Bundesrepublik bei 25 Prozent. «Wir hätten uns hier ein höheres Ziel vorstellen können.»
Kritik kam von der Industrie, aber auch von Umweltschützern. Der Bundesverband der Deutschen Industrie BDI warnte vor allzu strengen Auflagen. Die Politik dürfe Unternehmen keine neuen Klimalasten aufbürden, «die internationale Wettbewerber nicht zu tragen haben».
Die klimapolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Grünen, Annalena Baerbock, sprach im Kurznachrichtendienst
Twitter von einem schwarzen Tag für den Klimaschutz. Die Naturschutzorganisation
WWF kritisierte, Europa sei «vom Vorreiter zur lahmen Ente» geworden.
Die EU-Staaten mussten auf Druck von Großbritannien und Polen, die sich gegen höhere Einsparziele wehrten, Zugeständnisse machen. So bekommen wirtschaftlich schwächere Länder, darunter viele Osteuropäer, finanzielle Unterstützung beim CO2-Sparen. Ärmere Länder erhalten Geld aus dem europäischen Emissionshandel, um ihre Energiesysteme zu modernisieren. Außerdem dürfen sie über das Jahr 2020 hinaus kostenlose Verschmutzungsrechte an Kraftwerke verteilen.
Beim Gipfel verdoppelte die Europäische Union ihre Hilfen für den Kampf gegen Ebola auf mindestens eine Milliarde Euro. Unter anderem steigert Großbritannien seine Unterstützung von den ursprünglich zugesagten 156 Millionen Euro auf mindestens 256 Millionen.