Subbotnik gegen den Schwammspinner - Neuerliche Raupenplage erwartet
Eine massenhafte Raupeninvasion in Gärten und an Häusern hatte viele Menschen in Gera-Liebschwitz voriges Jahr zum Verzweifeln gebracht. Doch nicht nur dort sorgte der Schwammspinner für kahlgefressene Bäume. Nun wappnen sich die Forstleute für eine erneute Raupenplage.
Die Erinnerungen an Zigtausend gefräßige Raupen, die in Gärten und bis in Wohnhäuser krabbeln, sind in Gera noch frisch. «Ich habe das voriges Jahr auf Bildern gesehen - total eklig», erzählt Kathrin Kästner.
Mit Eimern und Drahtbürsten hat sich die 46-Jährige deshalb aus dem rund 70 Kilometer entfernten Leutenberg aufgemacht, um am Samstagmorgen hier in einem Eichen-Niederwald am Rande Geras der neuen Raupengeneration an den Kragen zu gehen.
So wie rund 500 andere Freiwillige an diesem Morgen; manche sind dazu sogar aus anderen Bundesländern angereist. Einige Helfer haben Draht- oder Klobürsten mit Klebeband an Besenstielen befestigt, um auch Gelege weiter oben von den Bäumen abkratzen zu können.
Die gefräßigen Raupen des Nachtfalters Lymantria dispar hatten sich voriges Jahr in mehreren Bundesländern massenhaft durch den Wald gefressen. Besonders betroffen waren Bayern, Sachsen und Thüringen.
Allein in Thüringen summierten sich die Schadflächen nach Angaben der Landesforstanstalt auf mehr als 800 Hektar; in Sachsen waren bis zu 200 Hektar im Süden Leipzigs betroffen. Und die Experten rechnen 2020 mit erneutem Kahlfraß durch die schwarzen, bis zu sieben Zentimeter langen Tierchen. «Wir gehen davon aus, dass die Massenvermehrung anhält», erklärte Andreas Hahn von der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft.
Der Schwammspinner ist für die
Förster ein alter Bekannter. Sein Name kommt von den schwammartigen Gelegen, auf die es die Freiwilligen in Gera mit ihren Bürsten abgesehen haben. In ihnen können sich bis zu 1.000 Eier verbergen. «Er neigt zu Massenvermehrungen, die in der Regel einige Jahre anhalten», informierte Gerlinde Nachtigall vom bundeseigenen Julius-Kühn-Institut in Braunschweig.
Den Bäumen setzten solche
Schädlinge derzeit besonders stark zu, weil sie bereits durch die Trockenheit der vergangenen beiden Jahre geschwächt seien. Um das Absterben zu verhindern, könne deswegen auch der Einsatz von Chemie sinnvoll sein, erklärte Nachtigall.
In Thüringen etwa bereitet sich der Forst derzeit auf das Ausbringen von Insektengift gegen die Raupen vor. Im Gespräch ist, das Mittel ab Ende April per Hubschrauber auf etwa 300 Hektar Wald zu verteilen. Es haftet an den Blättern und wird von dort als Fraßgift von den Raupen aufgenommen.
Bayern hatte das Insektizid schon im vergangenen Jahr in Franken eingesetzt - zum Ärger von Umweltschützern. Sie monieren, dass das Gift auch andere Insekten, die die Blätter fressen, tötet. In Sachsen wird im Moment noch keine Notwendigkeit für den Einsatz von Insektizid gegen die Raupen gesehen.
Einige der Helfer in Gera hoffen, dass ihr Engagement das Gift überflüssig macht. So etwa der junge Vater Tom Grefe, der mit seiner dreijährigen Tochter Hilda Baumstämme und Steine nach Gelegen absucht. «Das ist für uns auch Nachbarschaftshilfe für die Menschen hier in Liebschwitz», sagt er.
Manch ältere Freiwillige fühlen sich derweil an Subbotniks zu DDR-Zeiten erinnert - unentgeltliche Arbeitseinsätze an Samstagen. Und einige Anwohner zeigen sich überwältigt von der Solidarität der vielen Helfer.
Wie erfolgreich die Aktion war, wird sich spätestens ab Anfang Mai zeigen, wenn die Raupen schlüpfen. «Das Absammeln der Gelege ist vor allem im urbanen Bereich sicherlich eine gute Alternative, um den Befall hier einzudämmen», so die Experten des Julius-Kühn-Instituts.
Der Leiter des Geraer Umweltamtes, Konrad Nickschick, baut zudem auf natürliche Feinde der Raupen wie Vögel und Viren. «Sie werden den Raupen hoffentlich weiter zusetzen.» Wie groß die Populationen 2020 ausfallen, hängt zusätzlich von der Witterung ab. Auch Spätfröste könnten nach Angaben von Thüringenforst einen Großteil der frisch geschlüpften Raupen im Frühjahr absterben lassen.