Die von seinem Ministerium in Auftrag gegebene wissenschaftliche Untersuchung der Universität für Bodenkunde in Wien zur Wolfspopulation zeige, dass sich der Wolf unter den gegenwärtigen Bedingungen bis 2030 in Niedersachsen und in Deutschland in allen potenziellen Lebensräumen niedergelassen haben werde, sagte der SPD-Politiker am Donnerstag in Hannover.
Sie zeige aber auch, dass der Abschuss einzelner Tiere das Wachstum der Gesamtpopulation nur verlangsame, aber nicht bedrohe. Der Wolf ist in der EU eine streng geschützte Art; Abschüsse sind nur strengen Auflagen in Einzelfällen erlaubt.
Lies zufolge ist in Niedersachsen eine Wolfspopulation von bis zu 1.200 Tieren in den nächsten acht Jahren zu erwarten. Aktuell lebten hierzulande etwa 300 bis 350 Exemplare. Der Minister verwies auf Zielkonflikte zum Beispiel zwischen dem Wolfsschutz und dem Erhalt der Weidetierhaltung, warnte aber auch vor einer sinkenden Akzeptanz des Wolfes, wenn es zu mehr Begegnungen zwischen den Raubtieren und Menschen komme.
Die Studie liefere die fachliche Grundlage dafür, Entscheidungen zum Abschuss von Einzeltieren zu treffen, ohne dass die Art gefährdet werde, erklärte Lies. Der Bund müsse das Gesetz so ändern, dass im Zuge eines Wildtiermanagements der Abschuss von Wölfen vereinfacht wird.
Das Beispiel Frankreich zeige, dass es auch entsprechende nationale Gesetze geben könne, die mit EU-Recht vereinbar seien. Ziel müsse es sein, bei Abschüssen flexibler und einfacher handeln zu können, wenn es etwa in einer Region viele Risse gegeben habe, ohne sich monatelang mit Gerichten beschäftigen zu müssen.
Die Schafhalter zeigten sich entsetzt. Bei einer Zahl von 1.000 Wölfen bis 2030 in Niedersachsen sei an Weidetierhaltung in dem Bundesland nicht mehr zu denken, sagte der Vorsitzende des Fördervereins der Deutschen Schafhaltung, Wendelin Schmücker. Der Wolf zähle nicht mehr zu den bedrohten Arten, aber manche Schafrasse sowie Pflanzen und Tiere in speziellen Naturräumen, die nur durch die Schafhaltung erhalten blieben.
Der Naturschutzbund Niedersachsen (Nabu) und die Umweltstiftung World Wildlife Fund (WWF) äußerten sich ebenfalls kritisch, allerdings mit Blick auf den Wolfschutz. «Der Wolf gehört nicht ins Jagdrecht und flächendeckende
Bejagung ist kein Ersatz für Herdenschutz», sagte Moritz Klose, Programmleiter
Wildtiere beim
WWF Deutschland.
Für den Nabu bezweifelte der Landesvorsitzende Holger Buschmann, dass es ein exponentielles Wachstum der Wolfspopulation gebe, wie in der Studie angenommen. Das Wachstum sei derzeit deutlich geringer, eine Wiederausrottung des Wolfes damit auch denkbar. Entscheidend sei aber, dass die Studie keine Aussage über die Wirkung einer Reduktion des Wolfsbestandes oder eines langsameren Wachstums der Population auf die Nutztierrisse mache.
Für die Grünen im Landtag wies deren naturschutzpolitischer Sprecher
Christian Meyer darauf hin, dass wirksame Weidetierschutzmaßnahmen die Zahl der Nutztierrisse trotz einer steigender Wolfspopulation hätten sinken lassen.
Positiv nahm der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Stefan Birkner, die Studie auf. Sie belege, dass der günstige Erhaltungszustand des Wolfes längst erreicht sei. «Die Weidetierhalter brauchen Entlastung und die Weidetiere Schutz», unterstrich Birkner. Die Bundesumweltministerin müsse wie im Koalitionsvertrag vereinbart ein Konzept für ein regionales Bestandsmanagement vorlegen.
Wolfsichtungen