Sie haben die Wucht des Wassers unterschätzt: Zwei junge Australierinnen mit einem Baby werden in ihrem Auto auf einer überfluteten Straße in Biloela plötzlich von den Fluten fortgerissen. Das Kind schreit, in Panik retten sich die Frauen mit ihm auf die Ladefläche des Pickups. Das Wasser steigt in Minuten bis zu den Fensterscheiben.
Die Rettung kommt aus der Luft: Eine Hubschrauberbesatzung zieht erst das Kind, dann die Frauen mit einer Seilwinde in Sicherheit. Retter Matt Brandon hat eine Kamera am Helm und filmt die waghalsige Aktion. «Auf der Gefährlichkeitsskala 8 von 10 Punkten», sagt er später der Lokalpresse.
Die
Wetterextreme halten Australien seit Anfang des Jahres in Atem: erst die extreme Hitze mit akuter
Waldbrandgefahr, jetzt Überschwemmungen. Das
Hochwasser an der australischen Ostküste kommt fast überall mit ungeheurer Wucht. Stundenlanger Sturzregen lässt die Flüsse anschwellen, ein Sturm peitscht das Meer auf. Dämme brechen, Straßen werden in kürzester Zeit zu reißenden Strömen. In Bargara bei Bundaberg rauschen fünf Tornados durch die Straßen. «Wie ein Frachtzug, ein Riesengetöse», berichtet Michelle Cooney im Fernsehen. Ihr Haus ist zerstört, ihr Mann sinkt dem Premierminister von Brisbane, Campbell Newman, weinend an die Schulter.
In Brisbane schaut eine Familie mit zwei kleinen Jungen am sonst so harmlosen Fluss Kedron Creek fasziniert, wie die Wassermassen vorbeirauschen. Plötzlich stürzt ein riesiger Gummibaum, der sich mit seinen flachen Wurzeln im aufgeweichten Boden nicht mehr halten kann. Er trifft die Mutter und den dreijährigen Sohn. Der Junge kommt mit lebensgefährlichen Verletzungen ins Krankenhaus. «Bleibt zu Hause, meidet Flüsse, sucht keine Zuflucht unter Bäumen», beschwört ein Feuerwehrmann die Einwohner.
Auch in Bundaberg unterschätzen die Einwohner die Zerstörungskraft des Wassers. Viele ignorierten am Sonntag die Aufrufe zur Flucht. Am Montag waren ihnen die Fluchtwege plötzlich abgeschnitten. Die einzige Rettung: das Dach. Doch wegen der mächtigen Strömung kann kein Boot die Eingeschlossenen retten. «Wenn Ihr Haus unter Wasser steht, gehen Sie auf das Dach, wenn es sicher ist», ordnet Polizeichef Grant Marcus im Fernsehen an. «Versuchen Sie, Rettungshubschrauber auf sich aufmerksam zu machen, die über den Dächern kreisen.» Dutzende werden von den Helikopterbesatzungen gerettet.
Jetzt macht sich die Zwei-Millionen-Stadt Brisbane auf die nächste Flut gefasst. «Das ist emotionaler Stress für uns», sagt Bürgermeister Paul Pisasale der Nachrichtenagentur AAP. Erinnerungen an Januar 2011 werden wach. Brisbane war von der
Jahrhundertflut besonders betroffen. In der Stadt stand das Wasser damals in 20 000 Häusern. «Wir werden es überleben - aber es nimmt einen mit.» Shiralee Main hat damals Geld vom Großvater geborgt, um ihr Haus wiederaufzubauen. Es ist noch nicht fertig, und die nächste Flut droht. «Ich bin einfach leer: emotional, physisch, mental. Es tut echt weh. Ich weiß nicht, ob wir nochmal von vorne anfangen können», sagt sie der «Brisbane Times». (dpa)