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30.06.2023 | 08:01 | Dürresommer 2023 

Dürre: Was international in diesem Sommer droht - oder auch nicht

Athen/Barcelona/Rom/Berlin - Durch den Klimawandel sind Dürren in Europa deutlich wahrscheinlicher und auch intensiver geworden. Das ist nicht nur ein Gefühl, sondern die Aussage von Fachleuten.

Dürresommer
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Wetter verrückt: In Großbritannien und Deutschland droht Dürre, unter der Spanien schon seit Jahren leidet. Italien wird von Wetterextremen heimgesucht, in Griechenland regnete es zuletzt mehr als früher. Was ist da los? Und wie bereiten sich diese und andere Länder vor? (c) proplanta
In weiten Teilen von Europa und auch Afrika sind die Folgen des Wandels zu spüren, allerdings mit recht unterschiedlichen Auswirkungen. Viele Länder bereiten sich zunehmend auf Wetterextreme vor. Eine Reise und Übersicht zu den Auswirkungen des Klimawandels - von Lissabon bis Istanbul, von London bis Kapstadt:

In Deutschland sind die Winter, also die Kälteperioden, auffällig kürzer geworden. Wasserspeicher wie Grundwasser, Seen und Böden können sich wegen weniger Regens vielerorts nicht mehr so stark füllen, wie Fred Hattermann vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK) sagt. Es sei außerdem schlicht wärmer geworden ist, «in Deutschland mittlerweile im Durchschnitt um 2 Grad Celsius», sagt Klimaforscher Hattermann. «Durch die längere Vegetationsperiode und hohen Temperaturen steigt der Wasserstress für die Vegetation und insgesamt die Verdunstung.»

Außerdem beobachteten die Forscher gerade auch über Europa eine Zunahme langer Großwetterlagen, oft Hochdruckgebiete, die den Zustrom von feuchten Luftmassen vom Atlantik abblocken. Von Verhältnissen wie in Spanien oder Frankreich sei man in Deutschland noch ein gutes Stück entfernt, sagt Hattermann. Dennoch bereitet man sich vor: Zur Wasserversorgung hat der Bund kürzlich eine Nationale Wasserstrategie formuliert. Gemeinsam mit den Ländern sollen Leitlinien entwickelt werden, wie die Nutzungsansprüche in Fällen von Wasserknappheit aussehen würden.

Großbritannien verbietet in Teilen von Südostengland wegen der andauernden Trockenheit den Einsatz von Gartenschläuchen und Sprengern. Wer dort künftig den Garten wässert, sein Auto wäscht oder den privaten Pool füllt, muss mit einer Strafe von 1.000 Pfund (knapp 1.170 Euro) rechnen. Der Versorger betont, ihm bleibe keine andere Möglichkeit: Die Nachfrage habe im Juni Rekorde gebrochen, teilte South East Water mit. In manchen Gegenden gibt es nur noch wenig Wasser. Einige Schulen mussten wegen Wassermangels schließen, mancherorts haben Stationen geöffnet, an denen Anwohner Flaschenwasser abholen können.

Die Niederlande bereiten sich erneut auf einen extrem trockenen Sommer vor. Noch sind die Wasserspeicher gefüllt und das Grundwasser durch das nasse Frühjahr ausreichend hoch. Doch in einigen Gegenden ist der Wasserstand so niedrig, dass Fische nicht mehr genügend Sauerstoff bekommen. Sollte die Trockenheit anhalten, wird die Regierung erneut den Notplan in Kraft setzen. Dann verteilt ein nationales Krisenteam - wie bereits 2022 - das Wasser. Oberste Priorität haben dabei die Deiche. Sie müssen feucht gehalten werden, sonst drohen sie zu brechen. Das wäre für das Land, das zu gut einem Drittel unter dem Meeresspiegel liegt, katastrophal.

Frankreich legt örtlich fest, was bei Dürre erlaubt ist. Im südlichen Département Pyrenées-Orientales (an der Grenze zu Spanien) gelten beispielsweise schon strenge Regeln: Autowaschen außerhalb der Anlage ist verboten, Fassaden und Dächer reinigen ebenso. Private Pools auch in Ferienunterkünften dürfen nicht auf- oder nachgefüllt werden. Auch Rasen und Beete zu gießen, ist untersagt. Strandduschen und Springbrunnen soll der Hahn abgedreht werden. Und Landwirte müssen ihren Wasserverbrauch ebenfalls erheblich runterschrauben.

Spanien leidet unter einer langandauernden Dürreperiode, die in manchen Teilen des Landes schon 2014 begonnen hat und sich weiter verschärft. In diesem Juni waren die Stauseen des Landes nur noch zu 47,5 Prozent gefüllt, während es in der vergangenen Dekade noch durchschnittlich 68 Prozent waren. Dramatisch ist die Lage vor allem in Katalonien und Andalusien. Dort sind die Stauseen nur zu etwa einem Viertel gefüllt. In besonders von Dürre betroffenen Regionen gelten seit 2022 Begrenzungen beim Wasserverbrauch. Der Ackerbau und Gewächshäuser müssen ihren Wasserkonsum um 40 Prozent einschränken, die Viehwirtschaft um 30 Prozent und das verarbeitende Gewerbe und die Industrie um 15 Prozent. Autos dürfen nur in Waschanlagen gewaschen werden, Schwimmbäder und Pools nur gefüllt werden, wenn das Wasser in einem geschlossenen Kreislauf gesäubert wird.

Auf Mallorca als der liebsten Ferieninsel der Deutschen hat es jedoch ergiebige Niederschläge gegeben und die Grundwasserreservoirs sind besser gefüllt als im vergangenen Jahr. Zudem verfügt die Insel über Meerwasserentsalzungsanlagen. Dennoch könne es in einigen Gemeinden wegen der immensen Zahl an Touristen zu einigen Einschränkungen kommen, warnen die Behörden. Portugal fürchtet ebenfalls wieder Dürre und will die Entnahme von Grundwasser in der Urlauberregion Algarve verringern. Dort ist der Bau einer Meerwasserentsalzungsanlage geplant.

Italien wird dieses Jahr von Wetterextremen heimgesucht. Zunächst machten Dürre und Trockenheit vor allem in Norditalien Probleme. Ende Mai kam es dann in der Adria-Region Emilia-Romagna zu Unwettern, verheerenden Überschwemmungen und Erdrutschen; die Trockenheit zuvor hatte für ein hartes Erdreich gesorgt, das weniger Wasser absorbieren kann. Für diesen Sommer hat die Regierung Maßnahmen zur Vorbeugung auf den Weg gebracht. So sollen etwa die Wiederverwendung von gereinigtem Abwasser und der Ausbau von Entsalzungsanlagen forciert werden. Schon 2022 war in einigen Regionen des Landes der Dürre-Notstand verhängt worden.

Auch in Griechenland ist das Wetter merkwürdig, allerdings anders als gedacht: Meteorologen sagen, dass es seit Jahrzehnten keinen so kühlen, regnerischen Frühling gegeben habe. Bis Juni stieg das Thermometer lediglich auf der weit südlich gelegenen Insel Kreta auf über 30 Grad. Wasserprobleme gibt es keine, weil die wichtigsten Stauseen des Landes bereits im letzten Jahr gut gefüllt waren.

Die Türkei verfügt über große natürliche Wasserreserven, aber nicht nur in Megastädten wie der 16-Millionen Metropole Istanbul wird das Wasser immer mal wieder knapp. Stauseen und Wasserreservoire werden in trockenen Monaten seit einigen Jahren bedrohlich leer. Zudem sinkt der Grundwasserspiegel vielerorts wegen Übernutzung. Die städtische Wasserverwaltung ruft Menschen in Istanbul immer wieder dazu auf, Wasser zu sparen. Die türkischen Wassersysteme müssen erneuert werden; über Lecks in den Rohren geht ein großer Teil verloren.

In Afrika ist die Trockenheit lebensgefährlich: Besonders die Sahelzone vom Senegal im Westen bis nach Dschibuti im Osten Afrikas erlebt seit Monaten eine katastrophale Dürre. Am Horn von Afrika ist sie so schlimm wie seit 40 Jahren nicht mehr. 346 Millionen Menschen - ein Viertel der Bevölkerung Afrikas - haben dort deshalb nicht genug zu essen, weil wegen Wassermangels nichts wächst. In manchen Gegenden warten die Menschen seit mehr als zwei Jahren auf Niederschlag.

In der Touristenmetropole Kapstadt in Südafrika hätte 2018 fast die «Stunde Null» geschlagen. Dann wäre nach einer dreijährigen Dürre das Wasser abgeschaltet worden. Auf dem Höhepunkt der Krise, im Februar 2018, durften die rund 4,5 Millionen Einwohner täglich nur noch 50 Liter Wasser pro Person verbrauchen - das musste fürs Trinken, Duschen, Putzen, Kochen und Klospülen reichen. Seither baut die Stadt eine komplett neue Wasserversorgung auf, die zu je einem Viertel auf Regen, Grundwasserentnahme, Entsalzung und Aufbereitung beruht.
dpa
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