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21.04.2013 | 10:19 | Feldhasenforschung 

Auf den Spuren der Feldhasen

Eichelsee - Imme Katzschner liegt eng an den Boden gedrückt im Gras. Die Biologin ist auf der Pirsch. Etwa hundert Meter vor ihr klatschen Jagdhelfer in die Hände und treiben Hasen auf sie zu.

Feldhase
(c) wolfgang kruck - fotolia.com
Denn die Wissenschaftlerin jagt Rammler - für die Forschung. Sie und ihre Kollegen wollen herausfinden, warum die Hasenbestände in Deutschland in den vergangenen Jahren so stark geschrumpft sind. Es ist eines der umfangreichsten europäischen Hasen-Forschungsprojekte, an dem unter anderem bayerische Jäger und Forscher der Universität Kiel beteiligt sind.

Der Feldhase hat viele Feinde: Füchse, Greifvögel, Krankheiten. Dazu kommt die zunehmend intensivere Landwirtschaft, die weniger Wildwiesen und Ackersäume als Lebensräume für Hasen übrig lässt. Warum die Populationen nun aber so merklich zurückgehen, soll das Projekt klären - mindestens drei Jahre lang.

Im oberbayerischen Erdinger Moos, im schwäbischen Nördlinger Ries und im unterfränkischen Ochsenfurter Gau haben die Jäger, Forscher und ihre Helfer deshalb in den vergangenen Tagen mehr als 30 Langohren aus ihren Verstecken in die Hände der Biologen gescheucht. Sie haben den Hasen zuerst einen Radio- oder GPS-Sender um den Hals gelegt. Danach haben sie ihnen Blut entnommen und Nasenschleim abgetupft - für einen Gesundheitscheck.

«Das muss ganz schnell gehen, damit die Tiere fix wieder freigelassen werden können. Das ist für die Stress pur, die haben in den Momenten Todesangst», sagt der unterfränkische Jäger Gerhard Klingler. Nach wenigen Minuten hat ein Tier die Prozedur aber schon überstanden und hoppelt wieder in die Freiheit. Etwa alle 14 Tage sollen die Sender-Daten nun ausgelesen werden.

«Mit den Sendern können wir nachvollziehen, wo genau sich die Tiere am Tag und in der Nacht aufhalten. Das gibt Aufschlüsse darüber, welche Feldfrüchte für den Hasen attraktiv sind und lässt Rückschlüsse auf das Fressverhalten zu», erläutert Biologin Katzschner. Sie arbeitet für das Unternehmen Rifcon, das ebenfalls an dem Projekt beteiligt ist. Die Firma beschäftigt sich unter anderem mit der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln. Sie legt zum Beispiel Grenzwerte für die Chemikalien fest. Das Projekt ist für Rifcon damit Grundlagenforschung: Sitzt der Hase in den Feldern, wenn dort gespritzt wurde? Und auch für die bayerischen Jäger ist die Hasenforschung wichtig.

Deshalb stellen sie dafür Geld zur Verfügung. Seit Jahren registrieren sie, dass die Feldhasen-Bestände schrumpfen. Das ist schlecht für einen gesunden Wildtierbestand - und damit auch für die Jagd. «Wir können nur nachhaltig jagen, wenn es der Bestand auch wirklich zulässt», sagt Thomas Schreder vom Bayerischen Jagdverband.

In den vergangenen Jahren war das nicht mehr überall möglich. Es wurden deshalb in Bayern deutlich weniger Rammler zur Strecke gebracht. Waren es sonst zwischen 120.000 und 140.000 getötete Tiere, so sank die Zahl in den vergangenen fünf Jahren auf unter 80.000.

Einfach nur die Jagd auf die Tiere zu verbieten, ist für den Kieler Uni-Projektleiter Daniel Hoffmann der falsche Weg. «Die Jagd ist kein wesentlicher Einflussfaktor auf die Population. Der richtige Weg ist, dass wieder mehr Flächen geschaffen werden, die Ruhe, Nahrung und Deckung bieten», sagt der Forscher. In dem Zusammenhang sei auch die Europäische Union gefragt. Sie müsse Geld für die Stilllegung von Ackerflächen zahlen und damit die Schaffung von Rückzugsgebieten für die Feldhasen fördern.

Das wollen auch die Jäger erreichen und zwar in Zusammenarbeit mit den Landwirten. «Wir wollen keine Luftschlösser bauen. Ohne die Zustimmung der Landwirte ist das nicht möglich», sagt Thomas Schreder vom Jagdverband. Er ist überzeugt, dass auch kleine Schritte wie eine zusätzliche, ein bis drei Meter breite Randfläche am Acker, schon ausreichen könnten, um den Hasen Lebensräume zurückzugeben.

Letztlich werde das Ökosystem zwar nicht aus der Bahn geworfen, wenn es keine oder nur noch sehr wenige Feldhasen gebe, sagt der Kieler Wissenschaftler Hoffmann. «Aber es ist ein Anzeichen dafür, dass wir die Ziele der Artenvielfalt nicht mehr verfolgen. Bevor der Hase weg ist, sind vorher schon viele andere Arten verschwunden.» (dpa)
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