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25.11.2012 | 15:04 | UN-Klimakonferenz 

Klimakatastrophe scheint unausweichlich

Berlin - Eigentlich müsste die UN-Klimakonferenz ganz nach dem Geschmack von Peter Altmaier sein.

Emissionen
(c) proplanta
193 Staaten diskutieren dort, ringen um Fortschritte. Doch das sonst vom Bundesumweltminister präferierte konsensuale Lösungsmodell kommt hier an seine Grenzen. Seit Jahren passiert im größten Vermittlungsausschuss der Welt viel zu wenig. Die Prognosen vor dem am Montag im Öl- und Gas-Staat Katar beginnenden Treffen sind ernüchternd: Statt auf zwei Grad Erderwärmung steuert die Welt derzeit auf verheerende vier Grad zu.

Altmaier sitzt im Café des Bundestags, bis tief in die Nacht hat er am Vorabend wieder auf Veranstaltungen für die Energiewende geworben. Die ist gegen den weltweiten Klimaschutz fast noch ein Kinderspiel. Der CDU-Minister zweifelt mittlerweile zunehmend an der Erreichbarkeit des 2-Grad-Ziels.

2010 war im mexikanischen Cancún auf Basis von Wissenschaftler-Empfehlungen diese rote Linie für den Klimaschutz beschlossen worden. Alle Staaten sollten dafür sorgen, dass diese maximal erträgliche Erwärmung nicht überschritten wird.

Altmaier spricht nun bei Sandwich und Cola von seiner Hoffnung auf eine «globale Trendumkehr». Aber so richtig überzeugend hört sich das auch nicht an. «Fest steht, dass wir im Moment weltweit einen ungebrochenen Boom erleben bei den CO2-Emissionen», gibt er zu. Das Klimaschutztempo sei absolut unzureichend, um das Ziel zu schaffen.

Die Fakten: Hurrikan Sandy verwüstet New York. Das Grönland-Eis schmilzt im Rekordtempo. Und eine eisfreie Nordostpassage könnte zwar den Schiffsverkehr revolutionieren, zeigt aber die ganze Dimension der Erderwärmung. Immer wieder gibt es ob der Nachrichten ein kurzes Aufflackern der Klimadebatte, ebenso wenn der UN-Klimagipfel tagt.

Aber selbst die Regierung droht ihre Vorreiterrolle zu verlieren. Altmaier wirft Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) vor, eine Verschärfung des EU-Emissionshandels, bei dem Unternehmen für den CO2-Ausstoß Verschmutzungsrechte kaufen müssen, zu blockieren. 900 Millionen Zertifikate sollen zurückgehalten werden, damit die Preise für die Zertifikate wieder steigen. Sonst fehlen Anreize, um weniger CO2 auszustoßen.

Rösler sieht auch Altmaiers Vorhaben skeptisch, den Ausstoß von Treibhausgasen in der EU bis 2020 nicht um 20, sondern um 30 Prozent zu reduzieren. Ohne einheitliche Position kann Deutschland beides nicht unterstützen. «Deutschland entwickelt sich immer mehr zum Bremser in der Klimapolitik», meint SPD-Chef Sigmar Gabriel.

Schon heute hat die EU einen Emissionsrückgang um 18 Prozent erreicht. Neben dem deutschen Dissens ist es besonders Polen, das wegen seiner Kohlekraftwerke hier auf stur schaltet. Und die Schuldenkrise verhindert auch eine europäische Energiewende, wie Altmaier sie gerne hätte. Ländern wie Griechenland fehlt einfach das Geld, um alte Dieselgeneratoren durch Sonnenkollektoren zu ersetzen.

Was ist unter diesen Voraussetzungen in Doha zu erwarten? Das Ende des Jahres auslaufende Kyoto-Protokoll, das bisher einzige Klimaschutzabkommen mit verbindlichen Verpflichtungen zur Reduzierung der Emissionen soll noch einmal für acht Jahre verlängert werden. Erst ab dem Jahr 2020 soll es einen Weltklimavertrag für alle geben.

Problem I: Da Kanada lieber klimaschädliche Ölsande ausbeuten will und auch Japan und Russland wohl nicht mehr mitmachen, ist ein Kyoto II eher ein zahnloser Tiger. Neben der EU wollen noch folgende Länder mitmachen: Australien, Schweiz, Lichtenstein, Monaco, Island, Norwegen, Kroatien, Kasachstan, Ukraine, Weißrussland. Damit werden nur noch 15 Prozent der weltweiten Emissionen erfasst. Die EU könnte aber wohl nur mit höheren Minderungszusagen als bisher (Stichwort 30 Prozent) den Druck auf andere Staaten erhöhen, auch mehr zu tun.

Problem II: Unter dem ersten Kyoto-Protokoll haben sich die mitmachenden Industriestaaten zu CO2-Reduktionen verpflichtet und ein entsprechendes Kontingent an Ausstoß-Erlaubnissen erhalten. Osteuropäische Länder - allen voran Russland - haben diese aber wegen des Wirtschaftseinbruchs nicht ausgeschöpft. Ihre überschüssige «heiße Luft» wollen sie behalten und künftig als CO2-Gutschriften an Kyoto-Länder verkaufen. De facto würde das die Wirkung des Protokolls massiv schwächen. Bundesregierung und EU-Kommission sind dagegen.

Problem III: 2011 war bei der Klimakonferenz in Durban (Südafrika) beschlossen worden, dass es ab 2020 erstmals einen Weltklimavertrag geben soll, der alle 193 UN-Staaten zu verbindlichen Minderungen beim CO2-Ausstoß verpflichtet. An den Details soll in Doha gefeilt werden, bis 2015 soll er stehen. Doch was passiert, wenn sich Entwicklungs- und Industrieländer nicht einigen können, wer welche Lasten zu tragen hat? Was bieten Länder wie China und die USA, die rund jede zweite Tonne CO2 ausstoßen, bis 2020 an eigenen Klimaschutzzusagen?

Altmaier hofft in Doha auf Bewegung besonders bei den USA nach der Wiederwahl von Präsident Barack Obama, schließlich hat er in der Siegesrede die Klimaschutzverantwortung für kommende Generationen betont. Doch zugleich setzen die USA durch die Ausbeutung von Gas aus tiefen Gesteinsschichten gerade auf eine fossile Energiewende. Und China? Von der neuen Führung wird keine ambitioniertere Klimapolitik erwartet - damit scheint klar: Eine Trendumkehr bleibt Wunschdenken.
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