Der Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid (
CO2) könne bis 2020 nicht im geplanten Umfang begrenzt werden, wenn nicht weit mehr unternommen werde, geht aus einem Bericht einer Expertenkommission zum Stand der Energiewende von Mittwoch hervor.
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (
SPD) sprach dennoch von «guten Fortschritten» bei der Energiewende, forderte aber angesichts der noch bestehenden Defizite, «das Gesamtsystem» weiter zu optimieren.
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter erklärte: «Die Wissenschaftler halten der Kohlekanzlerin Merkel den Spiegel vor.» Dies sei ein fatales Signal wenige Tage vor der Weltklimakonferenz. Als positiv wird in dem Bericht vermerkt, dass nach Jahren steigender Energiepreise für viele Unternehmen und Privathaushalte die
Stromkosten sinken.
Die Bundesregierung will den nationalen CO2-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 senken. Damit will Deutschland bei dem Ende November in Paris startenden
Klimagipfel als Vorreiter glänzen. Um die Klimaschutzziele zu schaffen, sollen in Deutschland auch alte Braunkohlekraftwerke abgeschaltet und als Reserve gehalten werden. Das kostet den Steuerzahler 1,6 Milliarden Euro. Die Abschaltung soll den CO2-Ausstoß um bis zu 12,5 Millionen Tonnen verringern.
«Festzustellen ist, dass das zentrale Ziel der Bundesregierung, die Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren, erheblich gefährdet ist», schreiben die Wissenschaftler in ihrer Stellungnahme zum Monitoring-Bericht der Bundesregierung, mit dem sich das Kabinett am Mittwoch befasst hat.
Zwar habe die Koalition Maßnahmen beschlossen. Doch diese dürften «angesichts der Dimension der zur Zielerreichung noch notwendigen Reduktion und der verbleibenden Zeit bis 2020» nicht ausreichen, schreiben die Regierungsberater. Die CO2-Emissionen dürften unter Berücksichtigung des Temperatureinflusses 2014 lediglich um 1,7 Prozent und nicht um 4,3 Prozent niedriger gewesen sein als 2013.
Aus Sicht der Experten kann «keineswegs als gesichert gelten, dass die diversen Maßnahmen, welche die Bundesregierung auf den Weg gebracht hat, bis zum Jahr 2020 ausreichende Treibhausgasreduktionen erbringen werden». Die Experten monieren auch, dass es bisher nicht gelungen sei, für «potenziell wirksame Instrumente wie die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung die notwendigen politischen Mehrheiten zu finden».
Für Haushaltskunden sind die
Strompreise Anfang 2015 immerhin zum ersten Mal seit über zehn Jahren zurückgegangen, wie aus dem Bericht hervorgeht. Der für Industrieunternehmen wichtige Börsenstrompreis sei 2014 im Jahresschnitt um zehn Prozent gesunken. Davon profitieren große Teile der Wirtschaft.
Nach Darstellung von Grünen-Experte Oliver Krischer bewegen sich dank des Ökostrom-Ausbaus die Industriestrompreise auf dem geringsten Niveau aller Zeiten. Umso absurder sei das Gejammer der Industrie über zu hohe Strompreise. Krischer nannte es ein Unding, dass die gesunkenen Börsenstrompreise kaum an Haushaltskunden weitergegeben werden: «Auf Kosten der Privathaushalte verdienen sich die Energieversorger damit eine goldene Nase.»
Dem Bericht zufolge sind erneuerbare Energien inzwischen Deutschlands wichtigste Stromquelle. Der Ökostrom-Anteil am
Stromverbrauch lag im ersten Halbjahr 2015 erstmals bei mehr als 30 Prozent. Beim Ausbau der erneuerbaren Energien im Stromsektor liege Deutschland auf Zielkurs, heißt es. Bei der Energieeffizienz hat die Bundesregierung ihr selbst gestecktes Ziel verfehlt. Die Steigerung der Effizienz zwischen 2008 und 2014 habe unter den Vorgaben gelegen - aus Sicht Krischers ein «Armutszeugnis».