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01.12.2010 | 12:00 | Klimagipfel 

Klimawandel zwischen Eurokrise und grünem Wachstum

Cancún/Berlin - Wie bei einer Sanduhr läuft die Zeit ab.

Klimagipfel 2010
(c) proplanta

Eurokrise und Warnungen der Industrie vor zu großen Belastungen drohen den Klimaschutz weiter zu bremsen. Umweltminister Röttgen betont die riesigen Chancen der "green economy" und hofft beim Gipfel in Cancún auf eine Paketlösung.

Das Dumme ist, dass der Klimawandel nicht auf die mühselige Kompromisssuche von 194 Staaten wartet. Auch nicht in Deutschland. Sturm-Tief "Daisy" brachte im Januar im Norden ein unübliches Schneechaos. Im Februar kamen durch Orkantief "Xynthia" sieben Menschen ums Leben. Nach einer Schafskälte im Juni erlebte Deutschland im Juli eine Hitzewelle mit Temperaturen bis zu 38 Grad Celsius - gefolgt von einer übermäßig intensiven Regenperiode im August. Indirekt zeigten sich die Auswirkungen der Hitze auch beim Ausfall von Klimaanlagen in ICE-Zügen, als Fahrgäste kollabierten.

Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) sieht keine Alternative zu gemeinsamen Paketlösungen beim UN-Klimagipfel in Cancún. "Wir sind eine Welt", sagt er. Röttgen hält nichts von Alleingängen oder vom Rosinenpicken mit Einzellösungen. Bei der UN-Artenschutzkonferenz im japanischen Nagoya habe man erfolgreich auf ein Gesamtpaket gedrungen, getreu dem Motto "Alles oder Nichts".

Das könnte auch Vorbild sein für die am Montag gestartete Konferenz in dem mexikanischen Strandparadies. Röttgen ist in der zweiten Gipfelwoche in Cancún, das Treffen endet am 10. Dezember. Die EU will dort mit einer Stimme sprechen. Röttgen hofft, dass es beim Waldschutz und bei der Finanzierung von Klimaschutzhilfen für Entwicklungsländer vorangeht. Zudem müssen die beim enttäuschenden Gipfel in Kopenhagen 2009 vereinbarten freiwilligen Ziele für weniger Treibhausgas-Ausstöße konkretisiert werden. Spätestens 2011 braucht es dann beim nächsten Gipfel in Südafrika ein verbindliches Nachfolgeabkommen für das 2012 auslaufende Kyoto-Protokoll.

Sonst droht beim Klimaschutz eine Anarchie und es dürfte viel zu wenig passieren. Ab 2015 müssten die CO2-Ausstöße signifikant sinken, sonst wird sich die Erde wohl so erwärmen wie noch nie. Angesichts der Eurokrise, der Lobbyarbeit der Industrie gegen zu hohe Belastungen und der Bremser aus China und den USA - hier werden 40 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verursacht - lahmt der Klimaschutz.

"Es geht nicht immer um Belastungen beim Klimaschutz", wehrt sich die WWF-Klimaexpertin Regine Günther gegen die Eurokrise als Ausrede. Berechnungen zeigten, dass es nur elf Milliarden Euro kosten würde, wenn die EU ihr Ziel von 20 Prozent weniger CO2-Emissionen bis 2020 auf 30 Prozent anhebt. Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) betont, schon allein die Energieerzeugung aus Öko-Energien in den 27 EU-Staaten würde bis 2020 dazu führen, das 20-Prozent-Ziel zu übertreffen. Experten betonen, längeres Warten mache den Kampf gegen den Klimawandel wegen der drohenden Unwetterkatastrophen ohnehin viel teurer.

Es ist etwas paradox. Während der UN-Klimaprozess weiter sehr mühselig ist, hat längst eine Art "green race" eingesetzt, ein grüner Wettlauf, wie der britische Klimaökonom Nicholas Stern sagt. Nirgends werden so viele neue Windräder aufgestellt wie in China, auch beim Elektroauto läuft das Land vielen Konkurrenten den Rang ab - zugleich werden aber auch nirgends so viele neue Kohlekraftwerke gebaut. Aber das Land merkt angesichts heftiger Naturkatastrophen mit tausenden Toten, dass es etwas tun muss. Röttgen betont, China tue sich zwar schwer, sich internationalen Verpflichtungen zu unterwerfen, sehe aber auch die riesigen Chancen der "green economy". In Deutschland gibt es mittlerweile allein in der Ökoenergie-Branche 340 000 Jobs.

Der Chefs des Münchener ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, betont die grünen Wachstumspotenziale, sieht aber nur in einem "Super-Kyoto" die Lösung. "Es geht nur mit einem weltweiten Emissionshandel", sagt er. Seiner Meinung nach ist es ein Nullsummenspiel, wenn Deutschland mit vielen Milliarden den Ausbau der Ökoenergien fördere, aber hier durch mehr Ökostrom eingesparte CO2-Verschmutzungsrechte im Rahmen des EU-Emissionshandels in anderen EU-Ländern verbraucht werden. Etwa durch mehr klimaschädliche Kohleverbrennung zur Stromerzeugung. "Wir stecken etwas in den Klingelbeutel rein und die anderen holen es wieder raus", sagt Sinn. Es müsse eine globale Übereinkunft geben, wie die Kohlendioxid-Ausstöße gedeckelt werden können.

Ein interessantes Modell stellte jüngst bei einer Veranstaltung in Berlin der Chefökonom des Potsdamer Instituts für Klimaforschung, Ottmar Edenhofer, vor. Nach seiner Einschätzung sollten CO2-Zölle eingeführt werden, also stark klimabelastende Produkte, etwa Stahl aus China, nach ihrem Kohlenstoffgehalt besteuert werden. Den Exportweltmeister China hiervon zu überzeugen dürfte aber genauso schwierig sein wie ein schnelles Durchschlagen des gordischen Knotens in der Klimafrage. (dpa)

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