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21.07.2023 | 02:00 | Entlaufene Raubkatze 

Löwen-Alarm in Brandenburg - Großfahndung nach Raubkatze

Kleinmachnow - Eine ungewöhnliche Warnung erreichte die Bevölkerung südlich von Berlin in der Nacht zu Donnerstag: Eine freilaufende Raubkatze soll in der Gemeinde Kleinmachnow in Brandenburg gesichtet worden sein.

Fahndung nach Raubkatze
Im beschaulichen Kleinmachnow soll eine Löwin frei umherlaufen. Seit der Nacht suchen Polizei und Feuerwehr nach dem Tier - mit Hubschraubern, Drohnen und Wärmebildkameras. Völlig unklar ist, woher die Raubkatze kommen könnte. (c) proplanta
Ein nur wenige Sekunden langes Handyvideo eines Zeugen zeigt das Tier dort zwischen Büschen und Bäumen umherschleichen. Das Video schätzen die Ermittlungsbehörden als echt ein. In der Nacht hätten auch Polizeibeamte die Raubkatze - mutmaßlich eine Löwin - «gesichert» gesehen, sagte eine Behördensprecherin am Donnerstag.

Eine weitere mögliche Sichtung gab es dann am Nachmittag auf Berliner Stadtgebiet, nahe der südlichen Grenze zu Brandenburg. Zunächst fehlte jede Spur. Weder Blut noch Kot noch Pfotenabdrücke deuteten auf die Präsenz des Tieres in der Region hin. Mit einem Großaufgebot waren Polizei und Feuerwehr den ganzen Tag über im Einsatz. Mit Drohnen, Hubschraubern und Wärmebildkameras suchten sie nach dem Tier, unterstützt von Tierärzten und Jägern. Über allem lag die

Frage: Woher kommt die Löwin? Aus den Zoos, Tierparks und Zirkussen dieser Region jedenfalls nicht, wie die Polizei in der Nacht herausfand. Dort vermisste niemand eine Großkatze. Private Halter seien in Kleinmachnow nicht bekannt, sagte Bürgermeister Michael Grubert (SPD) am Donnerstag bei einer Pressekonferenz. Er sprach von einer «ernsten Lage». Die private Haltung von Wildtieren ist in Deutschland Ländersache. In Berlin ist sie verboten, in Brandenburg gibt es keine spezielle Regelung neben der Bundesartenschutzverordnung. Erkenntnisse über eine illegale Haltung wurden am Donnerstag zunächst nicht bekannt.

Der ruhige Ort Kleinmachnow, der direkt an Berlin grenzt, wurde von der Suche kalt erwischt. «Wenn ich heute Morgen nicht früh angerufen worden wäre um 6.00 Uhr von einer Person der Feuerwehr, bei der ich wusste, dass die mir nicht um 6.00 Uhr eine Geschichte erzählt (...), hätte ich zuerst an einen Scherz geglaubt», sagte Bürgermeister Michael Gruber (SPD). «Es ist halt ein etwas anderer Arbeitstag. Ich bin noch nicht zu dem gekommen, was ich wollte.»

In Kleinmachnow waren bereits in der Nacht Hubschrauber im Einsatz. Am Donnerstagmorgen wirkte in der Gemeinde laut einem dpa-Reporter alles völlig normal. Von der Suche nach einem gefährlichen Raubtier war kaum etwas zu merken. Radfahrer waren unterwegs, Spaziergänger mit Hunden, Menschen auf dem Weg zur Arbeit oder zum Einkaufen. Auf Baustellen wurde gearbeitet.

Die Gemeinde versuchte, das alltägliche Leben möglichst laufen zu lassen, ohne zu große Gefahren einzugehen. So ließ Kleinmachnow die Kindergärten offen, bat aber, dass die Kinder auf dem Gelände bleiben. Der Wochenmarkt wurde verkleinert. Ein Café im Zentrum sollte die Türen geschlossen halten. Das Leben ging normal weiter, viele Leute waren auch zu Fuß oder per Rad unterwegs. Was auf die Suche nach einer Löwin hindeutete, war die Polizei, die teils präsent war.

Ein Wildtierexperte riet den Anwohnerinnen und Anwohnern, bei einer zufälligen Begegnung mit der mutmaßlichen Löwin nicht plötzlich zu agieren. «Das Wichtigste ist, dass die Tiere das Gefühl haben, die Kontrolle über die Situation zu behalten», sagte Heribert Hofer, Direktor des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung der dpa in Berlin. Nach Einschätzung der Polizei handelt es sich bei dem gesuchten Tier wahrscheinlich um eine Löwin.

«Was vermieden werden muss, ist der Überraschungseffekt», wenn etwa eine Löwin plötzlich mit einem Menschen konfrontiert werde. «Das ist eine Situation, wo sie einen Kontrollverlust der Situation erlebt.» Daraus könnten sich Reaktionen ergeben, weil sich das Tier gefährdet fühlt und sich deswegen eventuell verteidigen würde. Die Warnmeldung des Bundesamts bezieht auch den Süden Berlins, etwa Steglitz, Marienfelde und Neukölln mit ein. Auch die Stadt Potsdam rief ihre Einwohnerinnen und Einwohner am Donnerstag zu Wachsamkeit auf: «Augen auf! Potsdam ist nicht weit entfernt», teilte die Stadt auf Twitter mit.

Laut Einschätzungen von Expertinnen und Experten aus Zoo und Tierpark in Berlin käme eine Löwin in den Sommermonaten durchaus in einem heimischen Waldstück zurecht. In einem ihr unbekannten Terrain könne davon ausgegangen werden, dass sie sich ins Unterholz zurückziehe und nicht aktiv den Kontakt zum Menschen suche, teilten die Einrichtungen mit. «Auch die Gefahr, dass ein Wildtier auf freier Fläche wie beispielsweise im Wald, Park oder Feld einen Menschen direkt angreift ist geringer, als wenn es sich in einem Wohngebiet in die Enge getrieben und bedroht fühlt.»

Noch ungeklärt ist das Schicksal des Tieres, sollte es gefunden werden. Eine Sprecherin des Landkreises Potsdam-Mittelmark sagte, es seien eine Tierärztin und zwei Jäger mit Waffen mit vor Ort. Wenn man das Tier finde, werde entschieden, ob man mit Betäubung arbeite oder es erschießen müsse. Kleinmachnows Bürgermeister setzte auf einfangen und wenn nötig betäuben.

Wenn ein Tier in freier Wildbahn gefangen werden sollte, werde Tele-Injektion mit einem Narkosegewehr eingesetzt, sagte May Hokan von der Umweltstiftung World Wide Fund For Nature (WWF) der dpa in Berlin. Das könnten am besten etwa Zootierärzte, die mit solchen Situationen auch unter Stress gut umgehen könnten.

Die Tierärztin schilderte mögliche Probleme: «Wenn man so einen Löwen trifft, fällt der nicht direkt um und schläft ein. Es gibt eine Stressphase, er hat diesen Pfeil im Hintern, wird erst mal losrennen und Radau machen.» Dies dauere einige Minuten, auch abhängig von der Art des Narkosemittels. «Wir haben dann eine schwierige Phase, bevor das Tier einschläft und man sich dem Tier nähern kann.»

Theoretisch denkbar wäre auch ein Abschuss. «Je nachdem wie die Situation wahrscheinlich von Tierarzt und Polizei eingeschätzt wird, wird das Tier in solchen Situationen auch erschossen. Dabei muss natürlich die Sicherheit gegeben sein, dass da keine Menschen in der Nähe sind. Das ist auch nicht so einfach», sagte May.
dpa
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