Kurz vor neuen Klimaschutzverhandlungen hat die Bundesregierung Fortschritte bei den stockenden Bemühungen um eine Begrenzung der globalen
Erderwärmung angemahnt. Kanzlerin Angela Merkel und Umweltminister Norbert Röttgen (beide CDU) warnten eindringlich vor den negativen Folgen eines Scheiterns. Der Welt drohten dann Hunger, Armut, Flüchtlingsströme und kriegerische Auseinandersetzungen.
Viele Staaten hätten zwar schon freiwillige Maßnahmen angekündigt, sagte Merkel am Samstag in ihrer wöchentlichen Videobotschaft. Diese reichten in ihrer Summe aber längst noch nicht, um das Ziel zu erreichen, zwei Grad Celsius Erderwärmung nicht zu überschreiten. «Das heißt also: Wir brauchen mehr Maßnahmen, gezieltere Maßnahmen und möglichst auch Abkommen, in denen dies bindend festgeschrieben wird.» Röttgen schrieb er in einem Beitrag für die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» (Samstag), ein wirksamer
Klimaschutz sei «entscheidend für die Stabilität der internationalen Ordnung».
Anlass ist der an diesem Sonntag in Berlin offiziell beginnende zweite «Petersberger Klimadialog». An der zweitägigen Veranstaltung werden Fachleute aus 35 Staaten teilnehmen. Sie soll dazu beitragen, neuen Schwung in die auf der Stelle tretenden Verhandlungen für einen globalen Klimaschutz zu bringen. So sollen Kompromissmöglichkeiten für die nächste große internationale Klimakonferenz vom 28. November bis 9. Dezember im südafrikanischen Durban ausgelotet werden.
Merkel wies darauf hin, dass die Zeit dränge, weil das Kyoto- Klimaabkommen bald auslaufe. Dessen Ziele müssten erreicht werden. «Denn ansonsten würde vieles an Leben bedroht. Die Versteppung und Verwüstung würde weitergehen, Konflikte würden daraus entstehen, Wasserknappheit würde entstehen und Lebewesen - gerade auch in den Meeren - würden nicht mehr ihre Lebensgrundlage haben.»
Röttgen schrieb, es sei längst klar, wie die Folgen aussähen, wenn man den
Klimawandel bei steigender Weltbevölkerung nicht in den Griff bekomme: «Vor uns steht dann eine Welt der durch Hunger und Armut ausgelösten Flüchtlingsströme, eine Welt wachsender politischer Extremismen, eine Welt der globalen, aber auch lokalen Instabilitäten und Unsicherheiten.»
Es müsse «ein System des fairen Interessenausgleichs für globalen Klimaschutz» geschaffen werden, schrieb Röttgen weiter. «Ein solches System muss sich klare, ambitionierte, aber auch erreichbare Ziele und einen verbindlichen Rechtsrahmen setzen, der Planungsgrundlagen für Staaten und Unternehmen schafft, der Transparenz und Vertrauen erzeugt, damit die Zusagen auch eingehalten werden.»
Der Potsdamer Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber warnte vor einer Erderwärmung um bis zu sechs Grad, sollte sich bis 2020 nichts Entscheidendes beim Klimaschutz tun. «Wenn wir nüchtern analysieren, was nach dem
Klimagipfel in Kopenhagen an nationalen Maßnahmen versprochen wurde, dann kommen wir bis 2100 auf drei bis vier Grad», sagte er in einem Interview mit der Nachrichtenagentur dpa. «Aber die Erwärmung würde danach nicht aufhören. Nach unseren Szenarien sind wir auf einem Kurs, der bis 2300 auf sechs Grad Erderwärmung oder mehr führen kann. Das wäre eine völlig andere Welt - beispielsweise würde der
Meeresspiegel langfristig um viele Meter steigen.»
Das Zwei-Grad-Ziel sei noch erreichbar, sagte der Wissenschaftler. «Aber dann müsste in diesem Jahrzehnt viel geschehen. Der Scheitelpunkt der Treibhausgas-Emissionen müsste weltweit bis 2020 überschritten werden. Das erscheint außerordentlich schwierig.» Später könnte man das Klimasystem nur noch mit enormen Anstrengungen stabilisieren.
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin hielt der Bundesregierung Versäumnisse beim Klimaschutz vor: «Die
Klimaziele der Kanzlerin sind nicht anspruchsvoll, sondern laufen der realen Entwicklung hinterher», sagte er am Samstag laut Mitteilung. So peile zum Beispiel die Branche der Erneuerbaren Energien für 2020 deutlich über 40 Prozent erneuerbaren Strom an, während die Bundesregierung sich mit 35 Prozent begnügen wolle. «Aus dem Vorreiter Deutschland ist beim Klimaschutz ein Bremser geworden.»
Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth forderte, vom «Petersberger Dialog» müsse «endlich ein starker Impuls für eine Fortsetzung des Kyoto-Protokolls in Richtung UN-Klimaverhandlungen in Durban ausgehen». (dpa)