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06.05.2023 | 01:08 | Angst vor dem Wolf 

Schafhalter in Sorge: Wann kommt der Wolf?

Wiesbaden - Viele Schafhalter haben seit Monaten ein mulmiges Gefühl im Magen, auch im Hochtaunuskreis. Im vergangenen Jahr hat sich ein in Rheinland-Pfalz geborener Wolf niedergelassen, seitdem hat der Rüde mit dem Laborkürzel «GW2554m» dort und in den benachbarten Landkreisen erwiesenermaßen immer wieder Weidetiere getötet.

Wolf im Hochtaunuskreis
In Hessen mehren sich die Angriffe von Wölfen auf Weidetiere. 2023 töteten sie bislang schon deutlich mehr Tiere als im gesamten vergangenen Jahr. (c) chphotography86 - fotolia.com
Nun mehren sich im Hochtaunuskreis die Fälle. Ende April und Anfang Mai wurden innerhalb weniger Tage bei zwei Angriffen auf Weiden in Usingen und Wehrheim insgesamt zehn Schafe und ein Lamm gerissen, weitere Schafe werden vermisst. Ob es sich dabei um Angriffe eines Wolfs gehandelt hat, steht nicht mit Sicherheit fest, ist jedoch nach Ansicht von Mark Harthun vom Naturschutzbund Nabu in Wetzlar angesichts der vielen getöteten Tiere pro Angriff wahrscheinlich. «Ein wildernder Hund ist allerdings auch nicht auszuschließen», schränkt er ein. Bis die Ergebnisse der DNA-Proben vorliegen, dauert es mehrere Wochen.

Wölfe sind in Hessen zwar immer noch selten, doch ihre Zahl wächst stetig. Im vergangenen Jahr wurden 20 sesshafte Tiere nachgewiesen. 2021 waren es 13 Tiere gewesen, in den beiden Vorjahren jeweils 8. Noch im Jahr 2018 hatte das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) in Wiesbaden keinen einzigen Wolfsnachweis registriert.

Vergangenes Jahr wurden dort Angriffe auf Nutztiere von elf Wölfen dokumentiert, bei denen insgesamt mindestens 20 Schafe, Ziegen und Kälber starben. Dieses Jahr sind bis Ende März bei 13 Übergriffen bereits fast 30 Nutztiere erwiesenermaßen von einem Wolf getötet worden, in 5 Fällen handelte es sich nach Angaben einer HLNUG-Sprecherin um Angriffe des rheinland-pfälzischen Wolfs «GW2554m» unter anderem im Hochtaunuskreis. «Die Individuen sind sehr unterschiedlich, es gibt auch Wölfe, deren DNA noch nie an Nutztieren nachgewiesen wurde», sagt sie.

Betroffen war in jüngster Zeit zum Beispiel der Vogelsbergkreis, wo im März bei zwei Angriffen ein Kalb und vier Schafe getötet wurden. In Schlüchtern im Main-Kinzig-Kreis starben dieses Jahr insgesamt vier Schafe durch einen Wolf, Nordhessen war ebenfalls betroffen. Zu den bewiesenen Fällen kommen nahezu täglich Verdachts- sowie viele nicht mehr aufklärbare Fälle. 

«Ich habe schon seit Wochen Alpträume, jetzt sind sie wahr geworden», sagt Nadine Koch, die Besitzerin der diese Woche in Wehrheim getöteten Krainer Steinschafe. Mit Tränen in den Augen erzählt sie etwa von dem kleinen braunen «Haribo», den sie mit der Flasche aufgezogen hatte und an dem Morgen des 2. Mai gekrümmt und mit durchgebissener Kehle auf dem Boden fand. Ein anderes Schaf lebte noch, mit ihm fuhr sie zum Tierarzt, der schläferte es ein. Nur zwei der acht toten Tiere hatten Spuren von Fraß. «Wenn die Schafe in Panik geraten und wegen des Zauns nicht flüchten können, weckt das den Jagdinstinkt des Wolfes. Der tötet dann mehr, als er für sein Leben braucht», nennt der Wolfsexperte Harthun eine mögliche Erklärung.

Für den Schutz ihrer Tiere können die Schaf- und Ziegenhalter beim Land Hessen Fördergelder etwa für Stromgeräte, einen Untergrabschutz oder Herdenschutzhunde beantragen. Übernommen werden laut Angaben des Landwirtschaftsministeriums in Wiesbaden 80 Prozent der Kosten, maximal 30.000 Euro pro Jahr.

«Diese Anträge sind ein großer Verwaltungsaufwand, wir haben bis jetzt fast alles selbst bezahlt», meint dazu Nils Schuhmacher, Schäfer mit rund 1.000 Tieren in Usingen. Nahe dem beliebten Ausflugsziel Eschbacher Klippen waren dort in der vergangenen Woche seinen Angaben zufolge trotz Stromzaun und der Anwesenheit eines Herdenschutzhundes drei seiner Schafe gerissen worden. Sein Vater Volker Schuhmacher, ebenfalls Schäfer, ist wütend, er fordert: «Wir müssen die Wölfe nicht ausrotten, aber sie regulieren.»

Harthun vom Nabu Hessen glaubt, dass bessere Zäune und Herdenschutzhunde der richtige Weg zum Schutz der Weidetiere vor den Wölfen sind. Die Tierhalter müssten hierfür mehr Unterstützung vom Land bekommen, sagt er. Eines der Probleme derzeit sei, dass viele Wölfe als Einzelgänger unterwegs und zum Beispiel Schafe auf einer unzureichend gesicherten Weide daher die einfachste Beute für sie seien. Im Rudel könnten sie dagegen viel leichter als allein Wild jagen. «Daher hoffe ich auf Rudelbildungen, dann würde man nichts oder zumindest weniger von den Wölfen mitkriegen», meint Harthun.
dpa/lhe
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