Bedingt auch durch eine ungünstige Wetterlage werden die Ergebnisse der Feinstaubmessungen - speziell an der vielbefahrenen Messstation Neckartor - wohl auch in den nächsten Tagen EU-Grenzwerte überschreiten.
Die Stadt setzt seit Montag auf den freiwilligen Verzicht der Bürger auf ihr Auto. Sie sollen mindestens bis Freitag stattdessen lieber Bus, Bahn, Rad oder ihre Füße nutzen, um etwa zur Arbeit zu gelangen.
«Wir müssen in Stuttgart die EU-Grenzwerte für Feinstaub und Stickstoffdioxid einhalten, besser noch: deutlich unterschreiten - am besten freiwillig, notfalls unter Zwang», erklärte Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) am Dienstag. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte zum Thema Freiwilligkeit: «Wenn das nicht klappt, muss man sich mehr überlegen.» Mit Verboten und Geboten sollte man sparsam umgehen.
Das Neckartor in der Innenstadt gilt als der am meisten durch Feinstaub belastete Ort Deutschlands. Es liegt an einer der Hauptverkehrsachsen im Stuttgarter Talkessel. An der dortigen Messstation waren am Montag durchschnittlich 89 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft registriert worden, wie die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz mitteilte.
Der Grenzwert für diese Teilchen mit einem maximalen Durchmesser von 10 Mikrometern - ein menschliches Haar ist bis zu 10 Mal so dick - liegt europaweit bei 50 Mikrogramm pro Kubikmeter. Er wird wohl auch in den nächsten Tagen überschritten. Der Deutsche Wetterdienst (
DWD) rechnet nicht damit, dass sich die Wetterlage bis Freitag ändert. Nötig seien kräftiger Wind oder Niederschläge.
Wegen des schlechten Luftaustauschs gilt bis Freitag Feinstaubalarm. Einwohner und die schätzungsweise 200.000 Berufspendler pro Tag sollen freiwillig öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Die Kommune muss die Belastung der Luft mit Schadstoffen senken, um Millionenstrafen der EU zu verhindern. Bereits seit Sonntagabend sollten die Stuttgarter auch auf ihre sogenannten Komfort-Kamine verzichten, die nur zusätzliche Wärmequellen sind.
Ob der Alarm etwas bringt, will das Verkehrsministerium an diesem Mittwoch mit Experten besprechen. Umweltschützer bezweifeln den Nutzen einer freiwilligen Regelung. Weil der Feinstaubwert am Neckartor weiter massiv erhöht ist, riet Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne), Fahrgemeinschaften zu bilden oder auch - wenn möglich - von zu Hause aus zu arbeiten.
Nach Worten einer Stadtsprecherin ist bisher unklar, ob tatsächlich mehr Menschen am ersten Alarmtag am Montag Bus und Bahn nutzten. «Wir machen keine Einzelzählung.» Ähnlich äußerten sich Sprecher der Stuttgarter Verkehrsbetriebe und der Deutschen Bahn, die für den S-Bahn-Verkehr zuständig ist. Montags sei wegen der Wochenendpendler generell mehr los, sagte ein Bahnsprecher.
Derzeit sucht die Stadt nach einem Tag, an dem Verkehrssituation und Wetterlage ähnlich gewesen sind wie am Montag. Erst dann lohnten sich Verkehrsvergleiche und damit Aussagen darüber, ob weniger Autos fuhren, betonte die Sprecherin.
«Wir haben einen schwachen Ostwind in Stuttgart», sagte ein DWD-Meteorologe. Weil der Stadtkessel nach Osten hin offen und nach Westen geschlossen sei, reiche der Wind im Moment nicht aus, um die gesundheitsschädlichen Partikel aus der Stadt zu pusten. «Deshalb staut sich die schlechte Luft hier.» In der Nacht zum Samstag soll es allerdings regnen. Die Tropfen schlössen die winzigen, nicht sichtbaren Feinstaubteilchen ein, sie verschwänden mit dem Wasser in der Kanalisation, erklärte der Wetterexperte.