Vorsprung durch Wissen
schließen x
Suchbegriff
Rubrik
 Suchen
Das Informationszentrum für die Landwirtschaft
17.07.2021 | 19:33 | Überschwemmungsgebiete 

Unwetterschäden fernab jeder Vorstellungskraft

Bad Neuenahr-Ahrweiler / Erftstadt - Nach dem langsamen Rückzug der Wassermassen wird in den Überschwemmungsgebieten nach und nach das Ausmaß der Schäden sichtbar.

Hochwasserschäden Bad Neuenahr-Ahrweiler
Während die Zahl der Toten nach den verheerenden Fluten steigt, versuchen sich die Menschen in den betroffenen Regionen ein Bild von der Katastrophe zu machen. Bundespräsident Steinmeier wirbt eindringlich für Hilfen. Auch die Kanzlerin hat sich angekündigt. (c) proplanta
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach am Samstag bei einem Besuch in dem von den Fluten besonders stark heimgesuchten Erftstadt von Schäden, «die unsere Vorstellungskraft übersteigen». Es gebe «Gemeinden, die von Verwüstung, von Zerstörung gezeichnet sind».

Der Bundespräsident hatte sich zusammen mit NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) über die Lage in Erftstadt informiert. Zur Stadt gehört die Ortschaft Blessem, wo es zu gewaltigen Erdrutschen gekommen war. Laschet sprach von einer «Jahrhundertkatastrophe». Es sei eine «nationale Aufgabe», der betroffenen Region zu helfen.

Insgesamt lag die Zahl der bestätigten Todesopfer am Samstagabend bei 141 - 43 davon in Nordrhein-Westfalen, 98 in Rheinland-Pfalz. Es wird befürchtet, dass noch weitere hinzukommen, weil einige Autowracks und vollgelaufene Keller noch nicht kontrolliert werden konnten. Hunderte Menschen wurden laut Polizei verletzt.

Während sich das verheerende Hochwasser aus vielen Flutgebieten in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz langsam zurückzieht, wird in den Trümmern weiterhin nach Todesopfern und Verletzten gesucht. Unter den Opfern in Nordrhein-Westfalen sind vier Feuerwehrleute, wie am Samstag bekannt wurde.

Laschet versprach Direkthilfe für die betroffenen Menschen und sagte zu, dass «sehr unbürokratisch Geld ausgezahlt» werde. Danach werde man zusammen mit dem Bund «strukturell» den Städten helfen müssen, den Wiederaufbau zu bewerkstelligen. Am Sonntag wird Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der schwer verwüsteten Region in Rheinland-Pfalz erwartet.

Mitten im Chaos gibt es auch kleine Hoffnungsschimmer: Trotz mehrerer eingestürzter Häuser gab es zum Beispiel bislang keine bestätigten Todesopfer in dem extrem unter Wasser stehenden Stadtteil Blessem. Man könne aber nicht ausschließen, noch Tote zu finden, sagte ein Sprecher des Rhein-Erft-Kreises. In Blessem südwestlich von Köln bildeten sich nach den Erdrutschen Krater im Erdreich, drei Wohnhäuser und ein Teil der historischen Burg stürzten ein.

Tausende Rettungskräfte sind unter anderem in der Eifel im Einsatz, in Nordrhein-Westfalen halfen mehr als 23.000 Menschen aus. Dazu zählten neben Feuerwehr und Technischem Hilfswerk (THW) auch Beamte der Landespolizei, der Bundespolizei, der Bundeswehr sowie Einsatzkräfte aus Hessen, Niedersachsen und Hamburg.

Während die Lage in vielen linksrheinischen Gebieten von Nordrhein-Westfalen auch am Samstag angespannt blieb, fielen in anderen Flussgebieten die Wasserstände deutlich. Lediglich im Einzugsgebiet der Ruhr überschritten einzelne Pegel noch die unterste Informationsstufe, hieß es im Lagebericht des Landesumweltamts (Lanuv). Das Rhein-Hochwasser bei Köln erreichte in der Nacht zum Samstag seinen Höchststand, danach fiel der Wasserstand wieder. Auch nach der Frühwarnprognose des Landesamts für Umwelt Rheinland-Pfalz nimmt die Hochwassergefahr ab.

Die Gefahr ist aber noch nicht überall gebannt. An der Steinbachtalsperre bei Euskirchen droht trotz des sinkenden Wasserstands weiterhin ein Bruch des Staudamms. Der Damm sei «äußerst instabil», große Teile des Bauwerks seien weggebrochen, teilte die Bezirksregierung Köln am Samstag mit. Es bestehe weiterhin akute Überflutungsgefahr für die Orte unterhalb der Talsperre. Weitere Evakuierungen seien deshalb geplant.

In vielen Ortschaften in Rheinland-Pfalz funktionierte auch am Samstag das Strom- und Telefonnetz nicht. Der Schwerpunkt der Katastrophe liegt im Bundesland im Kreis Ahrweiler. Dort sind auch Brücken zerstört. Der Zugverkehr ist wegen der Überflutungen weiterhin massiv beeinträchtigt. Im Ahrtal sind etliche Straßen gesperrt oder nicht mehr befahrbar.

Unklar bleibt die Lage im nordrhein-westfälischen Wassenberg an der Grenze zu den Niederlanden: Dort wurde nach dem Bruch eines Damms des Flusses Rur der Stadtteil Ophoven evakuiert, rund 700 Menschen wurden in Sicherheit gebracht. Die Straßen des Stadtteils standen unter Wasser.

Im Trierer Stadtteil Ehrang wurde am Samstag aufgeräumt, so gut es ging. Erste Anwohner kehrten zurück in ihre Häuser. Betroffen sind der Stadt zufolge 670 Häuser, bei denen im Keller und Erdgeschoss fast alles zerstört wurde.

Die in Trier wohnende rheinland-pfälzische Regierungschefin Malu Dreyer (SPD) beklagte schwere Versäumnisse beim Klimaschutz in Deutschland. «In den vergangenen Jahren haben wir in Deutschland vieles nicht umgesetzt, was notwendig gewesen wäre», sagte die Ministerpräsidentin den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag). Der Klimawandel sei angesichts der jüngsten Dürren und Unwetter nichts Abstraktes mehr. «Wir erleben ihn hautnah und schmerzhaft.»

Die Grünen forderten eine gemeinsame Kraftanstrengung für mehr Klimaschutz. Über allem stehe jetzt noch die Rettung von Menschenleben, sagte der Bundesvorsitzende Robert Habeck am Samstag in einem Grußwort für einen kleinen Online-Parteitag der bayerischen Grünen. Anschließend müsse denjenigen, die gerettet seien, schnell und unbürokratisch geholfen werden. Und dann müsse zum einen der Hochwasserschutz mehr Raum bekommen, zum anderen brauche es stärkere Anstrengungen für mehr Klimaschutz und den gemeinsamen Kampf gegen die Erderwärmung.

Verheerend sind die Folgen der Flut auch in Belgien. Dort hat die Hochwasserkatastrophe bislang 27 Menschen das Leben gekostet. «Leider müssen wir damit rechnen, dass diese Zahl in den nächsten Stunden und Tagen weiter ansteigen wird», teilte das Nationale Krisenzentrum des Landes am Samstag mit.

In den Niederlanden kämpfen die Anwohner entlang der Maas ebenfalls mit Sandsäcken und Schutzmaßnahmen gegen das Hochwasser. Mit einem Absinken des Wassers wurde in Roermond am Sonntagmorgen und in Venlo am Sonntagabend gerechnet.
dpa
zurück
Seite:12
weiter
Kommentieren
weitere Artikel

Status:
Name / Pseudonym:
Kommentar:
Bitte Sicherheitsabfrage lösen:


  Weitere Artikel zum Thema

 In China sackt vielerorts der Boden ab

 Winterhochwasser bereiten Landwirtschaft weiter Probleme

 Nach Regen in Dubai irreführender Fokus auf Wolkenimpfung

 Überschwemmungen in Dubai: Schwerster Regen seit 1949

 Alarmstufe Rot: 2024 könnte noch wärmer werden als 2023

  Kommentierte Artikel

 Söder setzt sich gegen Verbrenner-Aus ab 2035 ein

 2023 war Jahr der Wetterextreme in Europa

 Wind- und Freiflächen-Solaranlagen: Niedersachsen führt Abgabe ein

 Keine Reduzierung beim Fleischkonsum durch Aufklärung

 Größter Solarpark von Rheinland-Pfalz eröffnet

 Gipfelerklärung der EU setzt auf Lockerungen für Landwirte

 Grundwasser in Bayern wird weniger

 Lindnerbräu - Hoch die Krüge!

 Mutmaßlicher Wolfsangriff - mehrere Schafe in Aurich getötet

 Weniger Schadholz - Holzeinschlag deutlich gesunken